Sonntag, 8. März 2015

Juncker: Gesamteuropäische Haushaltsgewalt – tatsächlich (noch) eine Lösung ?

Jean-Claude Juncker greift in einem recht ungünstigen Zeitpunkt die Forderung auf, die von den Euro-Skeptikern bei deren Einführung als notwendige Grundlage für eine gemeinsame Währung gesehen wurde: Die Haushaltsgewalt, sprich ein gesamteuropäisches Finanzministerium. Die Skeptiker hatten damals zutreffend argumentiert, ohne eine gesamteuropäische Finanz- und Wirtschaftspolitik hat der Euro keine Zukunftsaussicht.

Was die Skeptiker damals befürchteten und ihnen als unbegründete Schwarzmalerei vorgeworfen wurde, hat sich zwischenzeitlich verwirklicht. Nicht nur Griechenland, auch andere Staaten wie Portugal und Spanien, aber auch Italien und Frankreich stehen unter schweren Druck und können ihre Haushaltslasten nicht mehr oder fast nicht mehr bewältigen. Ursächlich ist der Gesamtrahmen: Wenn das Bruttosozialprodukt niedriger liegt als die Ausgaben (wie z.B. im Fall von Griechenland), liegt eine Überschuldung vor, die sich ohne gravierende Eingriffe in die Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht beseitigen lässt. Dass es soweit kommt, liegt an der Handlung der verantwortlichen Parlamente und Regierungen. Wer über seinen Verhältnissen lebt, muss eben damit rechnen, dass er nicht mehr als kreditwürdig angesehen wird. Hilfsmaßnahmen von außen sind letztlich auch keine Lösung, solange nicht im Inneren eine Bereinigung des ungesunden Zustandes herbeigeführt wird.

Wenn Juncker also nunmehr für eine europäische Haushaltsgewalt plädiert, hat er aus (nicht notwendigen, da vorhersehbaren) Lehren gelernt. Um allerdings das nachzuholen, was zur Zeit der Einführung des Euro verabsäumt wurde, bedarf es einer grundlegenden Änderung (Ergänzung) der Staatsverträge, die den EU-Verbund und den Euro betreffen. Es bedeutet, wie Juncker weiß, einen Eingriff in nationale Hoheiten. Ob er für seine Idee eine Mehrheit findet, muss fraglich erscheinen.

Zwar werden ihm Experten sicherlich Recht geben. Sie werden letztlich auch fordern, dass (notwendig) auch die Wirtschaftspolitik auf die EU verlagert wird. Letztlich muss sich die EU zu einem Staatenbund entwickeln, ähnlich den USA. Aber wie soll dies bei der derzeitigen Situation geschehen ?

Man wird wohl nicht davon ausgehen können, dass Länder wie Griechenland in der jetzigen Situation ihre Souveränität zu Gunsten der EU aufgeben werden. Letztlich machte und macht die neue griechische Regierung doch bereits deutlich, dass sie eine Bevormundung, wie sie im Zusammenhang mit den Schuldenmoratorien erfolgt, ablehnt. Sie will Gelder der EU und selbst weiter über ihren Haushalt befinden können (ohne allerdings hier entscheidende Schritte zur wirtschaftlichen Stabilität zu unternehmen).  Die Aufgabe der Haushaltssouveränität würde gleichzeitig dazu führen, dass von Brüssel aus die haushaltstechnischen Maßnahmen vollzogen werden, deren sich derzeit die griechische Regierung unter Beanspruchung ihrer Souveränität erwehrt.

Aber auch wenn man das Blickfeld nicht auf die Frage der Interessen einzelner Staaten der EU lenkt, gibt es doch Vorbehalte gegen eine entsprechende Regelung. Man denke an die Staatsverträge zur Europäischen Zentralbank. Danach ist dieser eine direkte oder indirekte Staatsfinanzierung untersagt. Aber gerade durch die jetzt anlaufende Maßnahme des Ankaufs von Staatsanleihen erfolgt diese Staatsfinanzierung. Denn der Ankauf letztlich wertloser Anleihen erfolgt zum Ausgabepreis und führt den Staaten wieder Liquidität zu. Von daher ist auch verständlich, dass sich die EZB gegenüber Griechenland, welches in Bezug auf eine Haushaltsanierung nicht kooperieren will, sondern sogar weiter Anleihen auflegen will, die ihre Banken dann direkt an die EZB verkaufen, abwehrend verhält mit der Begründung, dieser Ankauf wäre  illegal (wobei wohl nicht nur dieser Ankauf illegal wäre).

Wird aber in der faktischen Umsetzung der Staatsverträge letztlich der Inhalt derselben nicht eingehalten, kann kein Vertrauen auf eine rechtsstaatliche Haushaltsführung aufkommen. Aber nicht nur die rechtsstaatliche Umsetzung gibt zu bedenken Anlass, auch die politische Praxis. Italienische und spanische Politiker sehen die Haushalts- und Wirtschaftsführung eines Landes z.B. völlig anders als z.B. ein deutscher Politiker. Während in Deutschland die Konsolidierung Vorrang hat, die hohen Steuern und Abgaben letztlich der Sicherung der Finanz- und Wirtschaftspolitik dienen, wird dies gerade in südeuropäischen Ländern gerne anders gesehen. So lebten die Italiener mit ihrer Lira gut, solange dies über eine kräftige Abwertung  finanziert wurde. Eine Maßnahme, die wegen des Euro so nicht mehr funktionieren kann, da die Preissteigerungen in Italien nicht mehr über eine Währungsabwertung aufgefangen werden können und mithin sich die inländischen Produkte derart verteuern, dass ausländische Produkte aus anderen EU-Ländern (wie Deutschland) am Markt besser angenommen werden könne. Deutschland hat sicherlich durch den Euro im Hinblick auf den Export in andere EU-Länder gewonnen, da hier die Inflation dank der Wirtschafts- und Finanzpolitik niedrig gehalten wurde.

Wie aber, wenn in der EU eine Mehrheit aus Ländern das sagen hat, die gerade mit der Mentalität der Abwertung ihre politischen Ziele (oder anders ausgedrückt: ihre Wählerstimmen) erreichen wollen ? Das würde auch Deutschland mit in das wirtschaftliche Chaos zerren, ohne dass es sich (noch) dem entziehen könnte.


Junckers Idee ist mithin alt. Sie hätte bei Einführung des Euro bereits bedacht werden können und müssen. Die Zeit hat aber gezeigt, dass eine derartige Maßnahme bei der Unvernunft im politischen Umfeld nicht eine akzeptable Lösung sein kann. Die EU ist auf tönernen Füßen errichtet worden. Und ein Zusammenwachsen lässt sich nicht erzwingen. Solange nationale Interessen, die nicht von einer gesunden Haushalts- und Wirtschaftspolitik geprägt sind, den Vorrang haben, ist eine gemeinschaftliche Haushaltspolitik eine Gefährdung wirtschaftlicher Stabilität.  

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