Dienstag, 20. November 2012

Danke an alle Merkels, Steinbrücks, Westerwellen und Trittins


Da flatterte mir ein Schreiben meines Stromversorgers auf den Tisch, dessen einleitender Satz in der Trübnis politischer Berichterstattung als regelrechter Sonnenaufgang anzusehen war: 

Stromkasten
„…als Mainova-Kunde profitieren Sie von einer Senkung unserer Beschaffungskosten, die wir an Sie weitergeben.“ 

Leider war damit das Schreiben nicht beendet. Denn sodann wurde ausgeführt, dass dies nicht ausreiche, „um die deutliche Erhöhung der staatlichen Umlagen auszugleichen, die zur Finanzierung der Energiewende dienen.“  

Ist die Einleitung der Mitteilung über eine tatsächlich beabsichtigte Preiserhöhung süffisant, hämisch, oder bösartig ? Oder eine Mischung aus allem ? Jedenfalls sei allen Merkels, Wetserwellen, Steinbrücls und Trittins Dank gesagt, Dank für eine unkonventionelle, verfehlte und teure Energiepolitik ebenso wie Dank dafür, dass ich dies in Zukunft monatlich auch in barer Münze erleben darf. Dank dafür, dass ich wieder einmal mehr für und wegen verfehlter Politik leider aller relevanten politischen Kräfte zahlen darf.
 
Der Verbraucher ist hier ebenso machtlos wie der Wähler. Während der Verbraucher (natürlich aus vermeintlich volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht Großverbraucher) sich nicht gegen die Erhöhung wenden kann, kann er nicht auf seine eventuell vorhandene autarke Lösung mit Stolz blicken, vermag der Wähler mit seinem Kreuz auf dem Stimmzettel hier im Ergebnis im Hinblick auf die Einigkeit zur verfehlten Energiepolitik auch nichts zu ändern. Demos (Volk) hat hier keine kratie (Herrschaft).
 
Es bleibt wohl nur die Überlegung, dass Politiker auf einem anderen Stern leben und von daher nicht das reale Leben kennen. Und die kratia (Herrschaft) der Verwaltung ist längst in einem Traum befangen, der auch ihr den Blick für Realitäten und vernünftige, gar bürgernahe Lösungen (wie z.B. Förderung von kleinen Solaranlagen auf privaten Grundstücken zur Eigenversorgung) versperrt.
 
 
 
 
 

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Das Bundesverfassungsgericht und die Europäische Union - eine Betrachtung durch rosfarbene Nebelschleier ?


1.

Im Rahmen seiner Entscheidung über Eilanträge gegen die Ratifikation des ESM-Vertrages und Fiskalpaktes vom 12.09.2012 – 2 BvR 1390/12 – hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt:

„Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages wird in Ansehung der Übertragung der Währungshoheit auf das Europäische System der Zentralbanken namentlich durch die Unterwerfung der Europäischen Zentralbank unter die strengen Kriterien des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldwertstabilität gesichert (vgl. BVerfGE 89, 155 <204 f., 207 ff.>; 129, 124 <181 f.>). Ein wesentliches Element zur unionsrechtlichen Absicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG ist insoweit das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (vgl. BVerfGE 89, 155 <204 f.>; 129, 124 <181 f.>).“ (Rd.-Nr. 220)

„Gegen den ESM-Vertrag kann - entgegen dem Vorbringen der Antragsteller zu I. und II. - auch nicht eingewandt werden, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus zum Vehikel einer verfassungswidrigen Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank werden könnte. Das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung als wesentliches Element zur unionsrechtlichen Sicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratiegebotes (vgl. oben B.III.1.a)dd)) wird durch den ESM-Vertrag nicht tangiert. Im geltenden Primärrecht findet dieses Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung seinen Ausdruck in Art. 123 AEUV. Dieser enthält das Verbot von Überziehungs- oder anderen Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sowie des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken. Es kann dahinstehen, ob eine Kreditaufnahme des Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank bereits durch Art. 21 Abs. 1 ESMV ausgeschlossen ist, der lediglich eine Kapitalaufnahme "an den Kapitalmärkten" vorsieht. Als internes Abkommen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist der ESM-Vertrag jedenfalls unionsrechtskonform auszulegen (vgl. EuGH, Rs. C-235/87, Matteucci, Slg. 1988, S. 5589, Rn. 19; Kube, WM 2012, S. 245 <246 ff.>; BTDrucks 17/9045, S. 29; 17/9047, S. 4; zum Bezug des ESMV auf das Unionsrecht siehe Rathke, DÖV 2011, S. 753 <759 f.>; Calliess, NVwZ 2012, S. 1 <1 f.>). Da eine Aufnahme von Kapital durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank allein oder in Verbindung mit der Hinterlegung von Staatsanleihen mit Unionsrecht nicht vereinbar wäre, kann der Vertrag nur so verstanden werden, dass er derartige Anleiheoperationen nicht zulässt.“ (Rd.-Nr. 276)

 Eine Beeinträchtigung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass der ESM-Vertrag keine ausdrücklichen Kündigungs- oder Austrittsrechte vorsieht. Angesichts der durch einen entsprechenden Vorbehalt zu sichernden verbindlichen Begrenzung der haushaltsrelevanten Belastungen auf 190.024.800.000 Euro bedarf es im Hinblick auf die Wahrung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages keiner vertraglichen Regelung eines besonderen Kündigungs- oder Austrittsrechts. Die Haftungsbegrenzung stellt hinreichend sicher, dass durch das Inkrafttreten des Vertrages allein kein irreversibler Zahlungs- und Gewährleistungsautomatismus begründet wird. Vielmehr bedarf es für jede neue Zahlungsverpflichtung oder Haftungszusage einer erneuten konstitutiven Entscheidung des Deutschen Bundestages. Im Übrigen gelten insoweit die allgemeinen Regelungen.“ (Rd.-Nr. 278)

 
2.

Das Bundesverfassungsgericht beschwört den AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union)  und die dortigen Regelungen zur Europäischen Zentralbank (EZB). Klar wird zum Ausdruck gebracht, dass Anleihekäufe durch die EZB sich weder mit dem AEUV noch mit dem verfassungsrechtlich verbrieften Haushaltsrechts des Deutschen Bundestages vereinbaren lassen.

Dies entspricht auch der ganz herrschenden Meinung. Nur: Wer achtet auf die Einhaltung ? Wer ergreift welche Maßnahmen bei Zuwiderhandlungen ? Wer kann etwas gegen Zuwiderhandlungen unternehmen ?

Unabhängig von Überlegungen einer Finanzierung über Bonds (befürwortet durch den SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück), mit denen in geradezu elementarer Weise gegen das verfassungsrechtlich geschützte Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages verstoßen würde, wird doch schon seit einiger Zeit Art. 123 AEUV durch die EZB nicht mehr eingehalten: trotz des Verbots der monetären Haushaltsfinanzierung werden Staatsanleihen durch die EZB zur Stützen von Mitgliedsstaaten der EU aufgekauft. Und niemand schreitet ein. Es wird, wenn nicht offen befürwortet, jedenfalls stillschweigend geduldet.

Trotz dieser bekannten erheblichen Rechtsverstöße begründet das oberste deutsche Gericht, welches eine Gewährsträgerschaft für die Verfassung hat, seine Entscheidung gerade mit jenen Gesetzesnormen, die schon jetzt nicht mehr eingehalten werden. Es verschließt sich mithin (bewusst ?) der  - vom Gesetz abweichenden und nicht angegriffenen -  Praxis.

Betrachtet also das Bundesverfassungsgericht alles nur durch einen rosafarbenen Nebelschleier ? Die Grundstrukturen des demokratischen Aufbaus (in Deutschland) werden erkannt und als Manifest den Entscheidungen zugrunde gelegt. Dem Parlamentarismus als Grundlage der demokratischen Ordnung kommt dabei in den Entscheidungen des Verfassungsgerichts eine besondere Bedeutung zu; bezeichnend daher auch, dass es vor diesem Hintergrund das Europäische Parlament nicht als Pfeiler in diesem System ansieht (BVerfG vom 30.06.2009 – 2 BvR 2/08 u.a.).

Wenn es sich gleichwohl der Erkenntnis über die praktische Anwendung bzw. Umsetzung gesetzlicher Regelungen verschließt, dies bei seinen Entscheidungen nicht berücksichtigt, sind seine Entscheidungen mit einem erheblichen Defizit verbunden.  Was hilft eine rechtstheoretisch die Verfassung wahrende Rechtsprechung, wenn sie letztlich nur Gesetzen gilt, die jedenfalls nicht in dieser Form umgesetzt werden und bei denen niemand darauf achtet oder dies erzwingt, dass auch die rechtsstaatlichen Grundsätze bei der Umsetzung gewahrt werden ? Es sind Entscheidungen im Elfenbeinturm. Die Erkenntnis der Anwendung von Gesetzen im Rahmen der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen muss zwingend Bestandteil der Betrachtung verfassungsgerichtlicher Überprüfung sein, weshalb jedenfalls zu erwarten gewesen wäre, dass das Verfassungsgericht eine entsprechende Regelung zur Sicherung verlangt.

Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht künftig auch die praktische Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen in seine Betrachtung einfließen lässt und so verlässlich auf eine Sicherung verfassungsrechtlicher Grundsätze hinarbeitet.

 

 

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Populismus statt Finanzstrategie – die tragische Figur des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück


birgitH / pixelio.de

Der dem rechten Flügel der SPD zugeordnete und sichtlich sich dem linken Flügel anbiedernde Kandidat Steinbrück hatte weder in der Vergangenheit finanzpolitische Kompetenz zu erkennen gegeben, noch lassen seine jetzigen Ausführungen zur Euro-Krise und zur Steuer darauf schließen.  

Steinbrück, Jahrgang 1947, Studium der Volkswirtschaft und Sozialwissenschaft [1], war Finanzminister, später Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und von 2005 bis 2009 Bundesminister der Finanzen. Das sind die nüchternen Daten, zu denen sich noch gesellt, dass er nach seinem Lebenslauf nie in der freien Wirtschaft tätig war, will man nicht seine Angabe „Werkvertrag mit dem Bundesbauministerium (Raumordnung und Regionalplanung)“[2] für 1074 bis 1976 (direkt nach dem Studium) dort einordnen.  

In seine Zeit als Bundesfinanzminister fiel die Lehmann-Pleite. Hier waren es Steinbrück und Merkel, die mangels eigener finanzpolitischer Fähigkeiten und mangels fachlicher Beratung die ersten gravierenden Fehlentscheidungen trafen, als sie auf dem ersten EU-Gipfel nach der Pleite darauf drangen, jedes Land müsse einen eigenen Schutzschirm über sein Banksystem spannen [3]. Dass damit Länder, deren Haushalte ausgeglichen waren, überfordert werden könnten, wurde nicht bedacht, ebenso wenig die möglichen globalen Folgen. Europäische Hilfe qua europäischer Lösungen wurden von Steinbrück damals abgelehnt. Damit aber entsprach er in seiner Aussage auch dem EU-Vertrag, wonach (immer noch nach dem Vertragswortlaut) jeder Staat für seine Finanzen und Wirtschaft selbst verantwortlich ist.

All das, was damals von ihm bekundet wurde, soll nun aber nicht mehr gelten. Selbst den Griechen will er, weitergehend als Merkel, Hilfe gewähren. Selbst Euro-Bonds steht er positiv gegenüber, einem Finanzinstrument, welches eine gesamtschuldnerische Haftung aller beteiligten Staaten begründen würde. Finanzstrake Staaten würden damit entgegen dem EU-Vertrag für finanzschwache Staaten haften [4].

Ob mit derartigen Überlegungen Wählerstimmen gewonnen werden können darf als zweifelhaft angesehen werden. Aber vielleicht hofft Steinbrück auch darauf, dass sich das Problem Griechenland bis zur Bundestagswahl selbst erledigt hat, er dann aber außenpolitisch als „nicht verantwortlich“ angesehen wird. Selbst wenn diese Rechnung aufgehen sollte, verkennt Steinbrück, dass Griechenland nicht das einzige Land mit entsprechenden Problemen ist  -  Spanien kommt unweigerlich [5]. Und bei anderen Staaten (man denke an Portugal, Italien) sieht es nicht besser aus. Es ist ein Fass ohne Boden, der mir Euro-Bonds geöffnet würde. Statt einen Schnitt zu wagen, würde der finanz-desaströse Alptraum seine Fortsetzung erhalten, der Scherbenhaufen am Schluss nicht mehr zu bewältigen sein. 

Sowohl dieser Umstand wird von dem Kanzlerkandidaten verkannt wie auch seine steuerpolitische Überlegung der Vermögenssteuer. Sicherlich wird man in Bezug auf die Vermögenssteuer dem Kandidaten einen geschickten Schachzug zur Gewinnung von Wählerstimmen nicht absprechen können. Vermögensungleichheit wurde gerade in letzter Zeit publiziert [6], wenn dabei auch nicht berücksichtigt wurde, dass insgesamt das Vermögen und insbesondere auch das Einkommen stieg und die Einkommenserhöhung auch jene Schichten betraf, die danach nicht an dem absoluten Vermögen teilhaben. Die Angaben [7] beruhen auf dem sozio-ökonomischen Panel, bei dem der DIW seit 1984 12000 stets gleiche Personen befragt[8]. Die Stimmigkeit mag hier insbesondere auf eine Repräsentativität auf sich beruhen, da entscheidend der öffentlichkeitswirksame Charakter ist. Genau diesen will sich aber Steinbrück bei seiner Forderung der Vermögenssteuer nutzbar machen. 

Erwartet werden 11,5 Milliarden Euro [9]. Die Kosten müssen noch abgezogen werden, so die Kosten für die Ermittlung der Werte (so z.B. Grundstückswerte). Da aufgrund der bisherigen Vorstellungen zur Vermögenssteuer nur etwa 150.000 Steuerbürger betroffen wären, soll die Steuer mit 1% des Vermögens auch relativ hoch angesetzt werden [10]. Dass es sich unter Berücksichtigung der Kosten von rund 20% [11] bei einem Bundeshaushalt, der Ausgaben von über 300 Milliarden Euro vorsieht [12], letztlich nur um knapp 3,5% des Bundeshaushalts handelt, um verschwindend geringe Einnahmen handelt, wird gerne übergangen (die Kosten-Nutzen-Relation bleibt hier wie häufig außer Ansatz). Entscheidender dürfte aber sein, dass sich sicherlich ein Großteil der Steuer betroffenen überlegen wird, dieser Steuer zu entgehen. Nicht per Schwarzgeldkonten im Ausland, sondern legal. Eine Überlegung wäre der Umzug ins Ausland. Mit Wohnsitzaufgabe in Deutschland bliebe der Steuerpflichtige nur noch geraume Zeit beschränkt steuerpflichtig, und auch nur noch mit seinen  Einkünften in Deutschland und evtl. Vermögen in Deutschland. Das Weltprinzip des deutschen Steuerrechts würde ihn nicht treffen. Frankreich macht es gerade vor [13].  

Steinbrück betreibt Populismus. Es ist keine  - gar gelungene -  finanzpolitische Überlegung, Griechenland längere Zeit zu gewähren, einen Euro-Bonds oder die Vermögenssteuer einzuführen. Mit dem Neid-Thema Vermögen versucht er sichtlich und unabhängig auch von einer (verfassungsrechtlich eventuell gedeckten) Durchführbarkeit einer Vermögenssteuer [14] Wählerstimmen zu gewinnen.  

Der Kandidat beweist kein finanzpolitisches Talent. Er hatte nicht nur im Zusammenhang mit der Lehmann-Krise als Bundesfinanzminister versagt. Vielmehr belegen seine jetzigen Ausführungen allenfalls populistische Züge des Kandidaten, nicht aber ein wirtschafts- und finanzpolitisches Verständnis. Keine seiner Aussagen sind geeignet, in der gegenwärtigen Krise, die auch Deutschland erreicht hat, Ansätze für eine Lösung vorzuzeigen. Er zeigt kein Charisma und auch keine Visionen. Sein Verständnis scheint auf wahlkampftaktische Überlegungen geschrumpft, deren Realitätssinn oder gar Sinnhaftigkeit er wohl nicht einmal bereit ist zu überdenken. Damit stellt er sich als eine tragische Figur im Kampf der SPD um die Regierungsübernahme dar. Denn unabhängig davon, ob das Kalkül der Art des Wählerstimmfangs aufgeht, machen seine Ausführungen mehr als deutlich, dass es ihm an der notwendigen Befähigung fehlt, einen Staat wie Deutschland in der Krise zu führen.  

Ralf Niehus, Mitglied im DVPJ


[2] Wie Fn. 1
[4] Jan Philipp Brosius: „Die Rechtmäßigkeit bilateraler Rettungskredite“. Info-Point Europa, Hamburg, Beitrag 06/2010
[6] Joachim R. Frick und Markus M. Grabka: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland. In: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 4/2009, S. 59.
[10] wie Fn. 9
[11] wie Fn. 9
[14] BVerfGE 93, 121-165 zur Nichtigkeit des damaligen Vermögenssteuergesetzes = http://lexetius.com/2001/8/224

Sonntag, 23. September 2012

Entwicklungshilfe für staatlich geförderten Mord ?


Pakistan wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) als ein Partnerland der ersten Stunde bezeichnet, welches seit 1961 2,3 Mrd. Euro an Entwicklungshilfe erhielt [1].  Ob die Entwicklungshilfe jeweils positiv eingesetzt oder genutzt wurde[2], mag hier auf sich beruhen. Gedanken muss sich jedoch Deutschland machen, welche Ziele es mit Entwicklungshilfe anstrebt und insbesondere, ob nicht auch eigene Interessen  und Interessen der liberalen, auf freiheitlichen Grundordnungen aufgebauten Gemeinschaften negativ tangiert werden.  

Das Mohammed-Video stellt sich derzeit als willkommener Anlass dar, gegen die von uns gepriesene freiheitliche Grundordnung vorzugehen. Ausschreitungen, wie z.B. in Pakistan[3], sind keine Ausnahme.   

Verständnis für dieses Gebaren kann eine Gesellschaft, in der wir hier leben, nicht aufbringen  -  und darf sie nicht aufbringen.  Wir leben in einer Zeit (nach) der Aufklärung, der Liberalisierung des Lebens. „Historisch versteht man darunter vor allem politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Europa und Nordamerika seit den Religionskriegen, deren Errungenschaften bereits im 18. Jahrhundert als epochal gewürdigt wurden – man sprach und spricht in verschiedenen Bereichen der Geschichtsschreibung von einem Zeitalter der Aufklärung. Einschlägig im deutschen Kulturraum ist die Begriffsbestimmung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“– Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784).“[4]

Was hier in muslimischen Ländern demonstriert wird, ist das Gegenteil. Es ist die Rückkehr in die Zeit vor der Aufklärung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob nun eine Mohammed-Karikatur oder eine Mohammed-Video für sich den Anspruch auf eine bestimmte künstlerische Qualität beanspruchen kann. Es geht um das Recht der freien Meinungsäußerung und das Recht auf Religionsfreiheit. Beides stellt sich nicht als Gegensatz dar sondern muss in Koexistenz bestehen.  

Man überlege sich, der Papst hätte nach der ihn diskriminierenden Zeichnung in der Zeitschrift Titanic nicht lediglich rechtliche Schritte erwogen[5] sondern zur Tötung der Mitarbeiter der Titanic aufgefordert. Die bekannte Mohammed-Karikatur führte zur Aufforderung der Ermordung des Karikaturisten[6]; in der westlichen Welt sah man sich zu Entschuldigungen veranlasst (wofür ? Dafür dass wir in einer aufgeklärten Welt mit Meinungs- und Kunstfreiheit leben ?).  

Der Eisenbahnminister von Pakistan hat ein Kopfgeld von US-$ 100.000,00 auf den Macher des Mohammed-Videos ausgesetzt[7]; auch wenn sich die Regierung (formal) davon distanzierte, folgten auf dieses Mordaufforderung durch einen Minister keine Konsequenzen[8].  Der pakistanische Ministerpräsident selbst verurteilte den angeblichen Angriff auf 1,5 Mrd. Muslime[9]. 

Wer verurteilt die Angriffe auf Christen in moslemischen Ländern[10] ? Hier gilt wohl das Motto „Schweigen ist Silber“, an Gold will niemand.  

Kann es ratsam sein, Entwicklungshilfe an Länder zu geben, die sich durch Intoleranz auszeichnen ? Warum sollen Staaten unterstützt werden, in denen diese Intoleranz gar von staatlichen Vertretern nicht nur geduldet, sondern wie im Fall von Pakistan gar gefördert wird ?   

Die Vorstellung, durch Entwicklungshilfe u.ä. eine Radikalisierung gegen westliche Errungenschaften wie Aufklärung entgegenwirken zu können, ist  - wie die zunehmende Radikalisierung zeigt -  falsch. Vielmehr wird das das System genutzt, um es auszuhebeln (Hassprediger in Deutschland, denen gar Asyl gewährt wird und die hier vom Staat unterstützt werden[11].  Auch bezogen auf Länder wie Pakistan wird aber auch deutlich, dass die diesen Ländern gewährte Hilfe zwar angenommen wird, gleichwohl aber Hass gegen den Helfer erzeugt wird.  

Der Glaube, durch Hilfeleistung an Staaten könnte dort die Entwicklung auch im Sinne der Förderung einer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft wirken, ist offenkundig falsch. Damit aber ist vom Grundsatz die Entwicklungshilfe zu überdenken. Förderung an Staaten, in denen offen (wie im Falle Pakistan) das freiheitliche / liberale System attackiert wird, in denen  - gar mit staatlicher Billigung, wenn nicht Unterstützung -  zum Kampf durch Mordaufforderungen u.ä. eine Unterdrückung auch außerhalb des eigenen Landes herbeigeführt werden soll, ist mit den Idealen der westlichen Welt nicht vereinbar. Die Zeit der Religionskriege haben wir überwunden. Die Ideen von Kant, Voltaire u.a. haben sich durchgesetzt. Soll dies nun alles vergessen werden und soll alles wegen eines „Beleidigtsein“ wegen Karikaturen oder Videos zurückgedreht werden ? Eine Entschuldigung der Politik wegen Karikaturen und/oder Videos, die evtl. verletzend für andere sein können,  verbietet sich; hier wäre allenfalls der normale Rechtsweg eröffnet.  

Die wehrhafte / streitbare Demokratie verträgt keine Politik der Verzagtheit, wenn es um deren grundlegenden Werte geht. Politiker die meinen, wegen Drohungen aus muslimischen Ländern oder Gremien einknicken zu müssen, verkennen dies offenbar. Offensives Vorgehen ist gefordert. Dies kann und muss auch in der Entwicklungspolitik Berücksichtigung finden. Es gibt keinen Grund Länder qua Entwicklungshilfe zu fördern, die das hiesige System der Liberalität vernichten wollen. Nichts anderes ist aber das Verlangen, den Islam in keiner Art und Weise in die politische, literarische oder auch satirische Auseinandersetzung einzubeziehen. Und mögliche gesetzeswidrige Handlungen sind mit den Mitteln des Rechtsstaates, nicht mit Mitteln der Demagogie zu bekämpfen.


Ralf Niehus, Mitglied im DVPJ

Dienstag, 4. September 2012

Rentendesaster - die Verdrängung der Ursache durch die Politik

(Foto: Rike / poxelio.de) 



Die Deutsche Rentenversicherung ist (wieder) „ins Gerede“ gekommen. Der neue Slogan heißt jetzt „Altersarmut“. Bundesarbeitsministerin von der Leyen brachte das Thema auf. Eine Debatte hat begonnen, die allerdings nicht die möglichen Ursachen der Knappheit der Rentenkasse berücksichtigt.  

Welche Aufgabe hat die gesetzliche Rentenversicherung ? Proklamiert wird ein Generationen-Vertrag. Das hätte zur Bedeutung, dass der Einzahler heute für die Renten der heutigen Rentner aufzukommen hätte. Sieht man in der Rentenversicherung einen generationsübergreifenden Vertrag, würde der Renteneinzahler nicht nur für die aktuellen Renten aufkommen müssen, sondern unabhängig davon auch für seine eigene Rente Vorsorge treffen. Unabhängig von dieser  - nicht nur sprachlichen -  Frage der Zweckbestimmung der Rentenversicherung wird allerdings nach allgemeinen Verständnis davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Rentenversicherung letztlich auch nur denjenigen zu Gute kommen, die selbst Einzahlungen leisteten. D.h., die Mitglieder der Rentenversicherung unterstützen sich gegenseitig.  

Soweit die Einzahlungen nicht aktuell für Rentenzahlungen an Mitglieder dieser Gemeinschaft ausgezahlt werden, ist das Vermögen (rentabel) anzulegen. Macht sich also in der Rentenkasse der sogenannte Pillenknick bemerkbar, dass nicht nur die aktuellen Einzahlungen nicht mehr ausreichen, eine der Einzahlung entsprechende Rente zu sichern, sondern auch Vermögensreserven aufgebraucht werden ? 

Diese Fragestellung würde übergehen, dass die Rentenversicherung nicht lediglich typische Leistungen erbringt, sondern auch versicherungsfremde Leistungen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (als Vorgänger der Deutschen Rentenversicherung) hatte die versicherungsfremden Leistungen für 1985 mit 35,4%, für 1995 mit 34,3% und für 2003 mit 29,1% benannt. Insgesamt sollen seit 1957 über 600 Milliarden Euro (nicht Deutsche Mark) an versicherungsfremden Leistungen erbracht worden sein. Versicherungsfremde Leistungen sollen an sich durch Bundeszuschüsse aufgefangen werden. Doch liegen die Bundeszuschüsse darunter und soll das Defizit von über 600 Milliarden Euro unter Berücksichtigung der Bundeszuschüsse bestehen  (http://www.rentenreform-alternative.de/versichfremd.htm#5).

Als versicherungsfremde Leistungen werden jene angesehen, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind. Dazu zählten z.B. Kriegsfolgelasten, Kindererziehungszeiten, Auffüllbeträge für die Neuen Bundesländer, Höherbewertung Berufsausbildung. Dabei geht es hier nicht um die Berechtigung derartiger Zahlungen, sondern nur darum, dass solche Zahlungen nicht systemimmanent sind. Werden dem Rentenversicherungsträger aber derartige Belastungen auferlegt, muss auch gleichzeitig in entsprechender Höhe eine Zahlung aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung zur Ausgleichung dieser zusätzlichen Belastung erfolgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 28.10.1994 – 1 BvR 1498/94 – ausgeführt, dass ein Mitglied eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes (wie hier der gesetzlichen Rentenversicherung) keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlich-rechtlicher Mittel hat. Damit kommt das Dilemma des (Pflicht-) Beitragszahlers zur Rentenversicherung deutlich zum Ausdruck. Er ist machtlos, wenn die Rentenversicherung vom Gesetzgeber mit Aufgaben (und damit Ausgaben) versehen wird, die von den Beiträgen so nicht gedeckt sein können, eben nicht systemimmanent sind.  

Man sollte an sich von verantwortungsbewussten Politikern erwarten, dass diese das Rentensystem analysieren und die Ausgaben der Rentenversicherung systemgerecht kanalisieren. Der Beitrag sichert bei Außerachtlassung versicherungsfremder Leistungen auch in Zukunft die Rente.

[Ralf Niehus]

Mittwoch, 29. August 2012

Der Bürger als Zahlmeister einer verfehlten Energiepolitik

Foto: Jurec / pixelio.de


Der Sachverhalt ist zunächst recht einfach gelagert. Er wird mit Energiewende umschrieben. Weg vom Atomstrom, hin zu anderen (möglichst erneuerbaren) Energiequellen. Und da gibt es vieles, was einem einfällt. Angefangen bei Solar über kleine Heizkraftwerke für das autarke Haus bis bin zu den Windrädern (letztere nicht nur im Binnenland sondern auch auf Ost- und Nordsee).
 
Was sich am Anfang gut gestaltete, die Solaranlagen auf den Dächern, ist heute offenbar von der Politik nicht mehr gerne gesehen. Die Einspeispreise wurden immer weiter gesenkt. Aber gleichwohl geht die Rechnung noch auf: Sinken die Einspeispreise, sinken auch die Kosten der Anlagen, ein Beweis dafür, dass diese offenbar überteuert waren.
Gleichwohl ist die stattliche Förderung weder darauf noch auf die kleinen Heizkraftwerke ausgerichtet. Hier ist das Augenmerk auf die Windradanlagen gerichtet. Immer mehr stählerne und betongegossene Wälder erstrecken sich über das Land, und sollen sich nach der Vorstellung der Regierung auch auf dem Wasser breit machen.
Die Stahl- und Betonklötze stellen sicherlich keine Augenweide dar, weder auf Land noch auf See. Dass hier die Umwelt optisch ruiniert wird mag zunächst einmal ebenso unberücksichtigt bleiben wie der Umstand, dass nach Abnutzung dieser Stahl- und Betonkonstruktionen ein erhebliches Entsorgungsproblem auftritt, an welches bisher offenbar noch niemand zu denken wagt, ebenso wie die Auswirkung durch die Windräder erzeugten Luftströme auf die Umwelt selbst noch nicht geklärt ist.
Hier wird die Frage gestellt, welchen Sinn es macht, Energiekosten für Nicht-Energie zu zahlen. Nur um ein bestimmtes Projekt (Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee) zu schaffen, soll auch bei Nichtlieferung von Strom eine Vergütung an den Betreiber erfolgen, die  - natürlich -  durch eine Abgabe der Stromverbraucher aufgebracht werden soll. Es hat sich bisher stets gezeigt, dass das Versprechen einer Zahlung ohne unbedingte Leistungspflicht nicht die Leistungsfähigkeit ankurbelt. Weshalb sollte ein Stromerzeuger alles tun und teuer investieren, wenn er doch seine Vergütung auch ohne Stromerzeugung erhält ? Dies unabhängig davon, dass er sich selbst an dem Stromausfall finanziell „beteiligen“ muss; dies ist  kein Problem bei einer vernünftigen Kosten-Wirtschaftslichkeitskalkulation.
Ohne weiteres geht die Politik den Weg der großen Energieversorger mit. Alle angedachten Maßnahmen sind darauf gerichtet, diesen den Weg für eine lukrative Zukunft zu bereiten. Sinnvoll könnte dies doch nur dann sein, wenn es keine vernünftigen Alternativen gäbe. Diese Alternativen gibt es aber. Es sind Insellösungen die den Vorteil haben, dass nicht der Zusammenbruch eines ganzen Netzes zum Stromausfall in größeren Regionen führt.
So ist die Solarenegie zu nennen. Solardächer können meist jedenfalls ein ganzes Haus mit der notwendigen Energie versorgen.  Ferner kleine Heizkraftwerke, die in Häusern eingebaut werden. Auch an die Entwicklung von kleinen, unscheinbaren Windrädern ist zu denken, die im Garten aufgestellt werden können und für den Energiebedarf des Hausbesitzers ausreichend sind.
Wieso wird nicht die Insellösung gefördert ?  Weshalb gehen die politischen Überlegungen wieder auf Netzlösungen ?  Diese Frage wurde bisher nicht beantwortet.  Die Antwort könnte auch nur sein, dass die großen Energieversorger geschützt werden sollen.
Für einen derartigen Schutz gibt es aber keine Begründung. Die einseitige Förderung von Windparkanlagen führt zu einer Wettbewerbsverzerrung. Der Energieversorger wird  -  und sei es nur durch einen Anspruch auf Vergütung für nicht lieferbaren Strom -  subvensioniert  und muss insoweit nicht mögliche Kosten bzw. ausbleibende Einnahmen nicht mit in die Kalkulation aufnehmen, weshalb mehr Spannbreite für die Gewinnmarge verbleibt. Gleichzeitig kann er den Abgabepreis so kalkulieren, dass für den Einzelnen der Anreiz für die Eigenversorgung entfällt. Damit aber werden die Hersteller der Aggregate getroffen, die für den Einzelversorger notwendig sind. Ist der Markt von Alternativeinrichtungen befreit, kann der Energieversorger seinen Abgabepreis gefahrlos erhöhen.
Es ist bedauerlich, dass die Politik sich derart einseitig ausgerichtet hat. Eine Ausrichtung zu Lasten des Verbrauchers.
Letztlich ist damit die Eigeninitiative des Verbrauchers gefragt. Er kann sich durch eine Insellösung lösen. Und er kann sich mit seinen Nachbarn zusammen tun um mit diesen zusammen eine Insellösung zu erstellen, bei der er letztlich autark bleibt und nicht Opfer einer subvensionierten fehlgeleiteten Energiepolitik wird.


[Ralf Niehus]

Sonntag, 5. August 2012

Montis Dämon

Demokratie setzt sich aus den griechischen Wörtern dĕmos für Volk und kratia für Herrschaft zusammen. Monti  scheint dies wohl anders zu übersetzen und nimmt statt dĕmos Demon (aus dem englischen für Dämon) und denkt dabei wohl an ein übernatürliches Wesen im Sinne von Hoblits Film „Trau keiner Seele“. Anders jedenfalls lässt sich sein Wunsch, die Regierungen unabhängiger von den nationalen Parlamenten zu machen (Focus-online vom 5.8.2012) nicht erklären.

Demokratie hat bei uns  - aber auch in Italien -  Verfassungsrang. Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, Art. 20 Abs. 2 GG. Es entscheidet  in freien Wahlen, hier zum Bundestag. Der Bundestag ist die Legislative, auf deren Grundlage die Bundesregierung als Exekutive ihre Tätigkeit ausrichten muss.
An diesem System der parlamentarischen Demokratie, welches auch für Italien gilt, will Monti rütteln. Dies angeblich um den Euro und damit Europa zu retten. Plumper lässt sich der (weitere) Rückzug demokratischer Grundsätze nicht begründen. Ist der demokratische Parlamentarismus ohnehin schon durch Normgebungen der EU jedenfalls angekratzt, insoweit der Bundestag (und alle Parlamente der EU) letztlich nur noch die Gebote der EU abnicken dürfen und müssen, ohne selbst Einfluss nehmen zu können, soll nunmehr nach der Vorstellung von Monti ein Teilbereich der gerade jüngst vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigten Entscheidungsbefugnis des Parlaments diesem zugunsten einer eigenständigen Handlung durch eine Regierung entzogen werden.
Art. 23 GG regelt die Mitwirkung der BRD bei der Entwicklung der Europäischen Union. Die Entwicklung muss nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG „demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität“  entsprechen und zudem dem Grundrechtsschutz der deutschen Verfassung entsprechen. Gerade dieser Grundrechtsschutz und das politische System werden aber mit der Vorstellung von Monti ad absurdum geführt.
Es mag, gerade für hilfsbedürftige Länder wie jenes des Ministerpräsidenten Montis Italien, erschwerend sein, dass nicht die Regierungen alleine unter Ausschluss der Volksvertreter (Parlament) entscheiden können, wächst doch zunehmend nicht nur in Deutschland als Hauptgeber der Hilfsaktionen der Widerstand gegen ein Erhalten „koste es was es wolle“. Eine Europäische Union, die unter Aufgabe grundlegender demokratischer Prinzipien gekittet wird, wird weder eine notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung haben noch für sich das Prädikat Demokratie in Anspruch nehmen können.
Es mehren sich gerade auch in Ansehung der Schieflage bei der Europäischen Union die Stimmen, die für Urabstimmungen plädieren, also für eine direkte Demokratie.  Eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes würde sicherlich ein Mehr an Demokratie bedeuten, keinen von Monti angedachten Demokratieabbau. Unbeschadet eines Für und Wider der Urabstimmung durch die Wähler gilt aber auch in Bezug auf Montis Überlegung: Wehret den Anfängen. Es wurden schon viele Kompetenzen auf die Europäische Union verlagert, die dort einem demokratischen Prozess nicht mehr unterliegen. Wenn nunmehr unabhängig davon weitere Kompetenzen der Legislative an  die Exekutive übertragen werden, muss man sich die Frage stellen, wann ein solcher Trend enden soll. Weshalb nur in Bezug auf Entscheidungen über den Euro, über Europa ? Ausnahmegesetze, mit denen in die demokratische Grundordnung eingegriffen wird, sollten ein Tabuthema sein. Politiker, die sich dafür einsetzen, verlassen die demokratische Grundordnung. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
Die europäische Idee ist vom Grundsatz her positiv. Sie bedeutet aber nicht, dass sie mit allen Mitteln durchgesetzt werden muss. Es ist ein Prozess, der sich entwickelt. Und für diesen Prozess ist das Volk mit einzubeziehen. Dass mit der Einführung des Euro ohne Sicherstellung einer europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik ein Fehler gemacht wurde, liegt heute auf der Hand. Der Dämon ist hier nicht im dĕmos zu suchen, sondern in einer eklatanten Fehlentscheidung der Politik. Dies lässt sich nicht dadurch korrigieren, dass das Volk ausgeklammert, die qua Verfassung vorgesehenen Entscheidungsgremien in ihren Rechten beschnitten werden. Ein Raus aus dem Euro, sogar ein Ende der EU wäre allemal besser als die Aufgabe der demokratischen Prinzipien der Gewaltenteilung. Wenn es Monti tatsächlich nur um den Euro, um Europa gehen würde, müsste er dies auch selbst erkennen. Ein vernünftiger Aufbau der EU mit demokratischer Grundordnung, wie sie auch in Art. 23 GG angesprochen ist, lässt sich verwirklichen, wenn auch derzeit  nicht mit allen jetzigen Mitgliedsstaaten.

[Ralf Niehus]