Dienstag, 11. Februar 2014

Deutschlands internationale Verantwortung – durch kriegerische Handlungen ?

Gabi Eder / pixelio.de
Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen, dürfe nicht nur kommentieren. Das ist die Ansicht der neuen, aus CDU/CSU und SPD bestehenden Bundesregierung. Man könne aus humanitären Gründen nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, so die neue Verteidigungsministerin von der Leyen. Doch bereits die jetzigen Bundeswehreinsätze im Ausland werden nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von 45% abgelehnt, gerade einmal 30% halten es gerade für richtig.

 Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Das war einmal - so dachten wohl viele. Mit den neuen Thesen wird das wohl (wieder) anders. Internationale Verantwortung durch militärische Einsätze. Das heißt auch, international offen und aggressiv Partei ergreifen. Und Partei wird für das ergreifen, was man sich selbst als Werte vorstellt. Nicht dass das heißt, die in Deutschland gelebten und gepflegten Werte wären zu verdammen. Aber man kann nicht sein „Ich“ auf Dritte einfach überstülpen, ohne Berücksichtigung nationaler, ethnischer, historischer und entwicklungsmäßiger Umstände. Die USA haben dies schon in der Vergangenheit bis in die Gegenwart versucht, doch sichtlich erfolglos. Das militärische Einschreiten bei Konflikten ist das Bestreben, die eigenen Werte in einem anderen Staat durchzusetzen. Dies ohne Berücksichtigung der benannten Umstände.

 Ein Staat, der nie eine Demokratie hatte, dessen Wirtschaft nie marktwirtschaftlichen Regelungen unterworfen war, in dem stets das Recht des Stärkeren galt, kann nicht von jetzt auf gleich umgestellt werden. Die Änderung muss behutsam erfolgen und den Bewohnern die Möglichkeit geben, sich in ein neues System einzufinden. Klassische Beispiele sind Russland und China. Durch seine Politik der Glasnost (Offenheit) und der Perestroika (Umbau) hatte Gorbatschow Russland in eine marktwirtschaftliche orientierte Demokratie umkrempeln wollen. Geblieben ist ein Scherbenhaufen. Putin regiert als Absolutist, Gegenregungen werden unterdrückt und die marktwirtschaftliche Ordnung ist eine solche, die von ihm vorgegeben wird. China hingegen geht ersichtlich einen anderen Weg. Der Sozialismus eines Mao Tsê-Tung gehört der Vergangenheit an. Immer mehr kommt der Kapitalismus und damit die Marktwirtschaft zum tragen. Ein langsamer, aber stetiger Wandel, der nicht die Bevölkerung durch einen Kraftakt überfordert.

 Es hört sich zunächst positiv an, wenn von der Leyen erklärt, man könne bei Mord und Vergewaltigung nicht einfach zusehen. Da muss ihr zunächst vom Standpunkt des die Gewalt als Mittel der Macht ablehnenden Bürgers zugestimmt werden. Doch verhindert das ein militärischer Einsatz ? Afghanistan ist doch bereits jetzt der Beweis dafür, dass dies auch bei militärischer Hilfe der Deutschen nicht gelingt. Nicht nur sind Deutsche dort auch für Massaker verantwortlich, auch wenn diese wohl eher unglücklichen Umständen zuzuschreiben sind. Aber der Militäreinsatz ist ein Kriegseinsatz, bei dem nicht immer Gut und Böse getrennt werden können. Krieg war und bleibt ein gefährliches Unterfangen für alle die beteiligt sind, und die Zivilbevölkerung, die zwischen die Parteien gerät (oder auch genutzt wird, z.B. als Schutzschilde) wird davon immer in Mitleidenschaft gezogen. Letztlich bedeutet ein solcher Einsatz tatsächlich die Teilnahme an dem was verhindert werden soll: Mord und Vergewaltigung.

 Die Redensart Der Zweck heiligt die Mittel gibt es auch in seiner Negation mit Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Die Teilnahme an einem Krieg bedeutet nicht, dass Frieden gestiftet wird. Sie bedingt lediglich, dass eine der am Konflikt Beteiligten weitere Verbündete (mit eventuell guten Waffensystemen, an denen es der Bundeswehr für solche Einsätze ohnehin derzeit ermangelt) hat. Die Beteiligung des einen Staates auf der einen Seite der Konfliktparteien kann auch die Beteiligung eines anderen Staates auf der anderen Seite herausfordern.

 Wie weit soll die militärische Bereitschaft gehen ? Dazu gibt es bisher keine Stellungnahme. Soll sie so weit gehen wie in Afghanistan, wo sich jetzt die „Befreiungstruppen“ zurückziehen und den Staat sich selbst überlassen ? Soll er so weit gehen, dass die bekämpfte Terrororganisation Al-Qaida wieder ihre Dominanz aufbauen kann und wieder alles wird wie es vor dem Einsatz war ? Oder so wie im Irak, wo auch nicht der Frieden eingekehrt ist und sich neue und alte Konfliktparteien nach wie vor Gefechte liefern und mit dem Abzug der US-Amerikaner davon auszugehen ist, dass die alte Wirklichkeit (in neuer Form und vielleicht viel schlimmer für die Bevölkerung) wiederhergestellt wird ?

 Derzeit sind 5000 Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen. Bis Juni 2013 gab es 103 Todesfälle, davon jedenfalls über 30 durch Fremdeinwirkung. Was aber haben die Auslandseinsätze gebracht ? Nichts. Das muss festgehalten werden.

 Warum also eine internationale Verantwortung militärisch pflegen ?

 Wilhelm II. kam einer vermeintlichen Bündnispflicht nach, als er nach dem Attentat von Sarajevo den Österreichern Beistand leistete. Folge war der 1. Weltkrieg. Es muss also nicht eine Aggression eines Hitlers sein, die Deutschland selbst in Bedrängnis bringt. Es mag auch eingewandt werden, dass damals andere Umstände vorlagen, dass eine „Kriegsluft“ insgesamt zu wittern war, wie einige Historiker darstellen. Besonderheiten sind nicht entscheidend. Entscheidend ist der Sinn und Zweck eines Unterfangens. Sieht man von der HSK 13 ab, war Deutschland nach dem 2. Weltkrieg entmilitarisiert. Die Bundeswehr hatte ihre Geburtsstunde dank der westlichen Alliierten dem (zu akzeptierenden Gedanken) der Selbstverteidigung und des sogenannten Kalten Krieges zu verdanken. Sie war jedenfalls nicht für einen Angriffskrieg aufgestellt worden. Und um einen solchen handelt es sich bei Auslandseinsätzen.

 Man denke an den Reichskanzler Bismarck. Er war sicherlich, was das Kriegshandwerk anbelangt, kein Kind von Traurigkeit. Sein Schachzug, Wilhelm II. und die anderen deutschen Staaten zum Krieg gegen Frankreich zu veranlassen und damit das Deutsche Reich zu einen, wird heute noch als diplomatische Glanzleistung angesehen. Nach 1871 hat er sich aber nicht mehr an solchen Kriegen beteiligt, war nur nach heutigem Sprachverständnis ein gefragter Sachverständiger und auch Mediator. Er hat sich im deutschen Interesse auf den rein diplomatischen Weg begeben. Vielleicht sollten die Vertreter „internationalen Verantwortung Deutschlands“ nicht nur deutsche Geschichte lernen und kennen, sondern sich auch mit den einzelnen Persönlichkeiten derselben und damit auch mit Fürst von Bismarck beschäftigen. Nicht nur mit kriegerischen Mitteln lassen sich Probleme lösen.
Kriegerische Auseinandersetzungen in Staaten wie z.B. heute aktuell Syrien können nur geführt werden, wenn die einzelnen Konfliktparteien dafür Munition im wahrsten Sinne dieses Wortes erhalten. Haben sie die nicht, kollaboriert nicht nur ein System, sondern die Auseinandersetzung als solche. Hier aber ist Diplomatie gefragt, da ansonsten doch in Extensio gedacht, gegen jeden mittelbar beteiligten auch der Krieg eröffnet werden müsste. Auf Grund der Zusammenhänge der Weltwirtschaft, nicht nur ihrer Verflechtungen sondern auch ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten, sind hier genügend Mittel gegeben, die als „Waffe“ genutzt werden könnten. Wenn Deutschland auf den Einsatz dieser Mittel hinwirken würde, dies unterstützen würde, wäre der Sache mehr gedient, als mit einem angedachten kriegerischen Einsatz, der nur den Waffenlobbyisten [Deutschland selbst soll nach USA (54 %), Belgien (6 %), Frankreich (5 %) mit 4% Deutschland 5-größter Exporteur sein, wobei allerdings China und Russland nicht benannt/bekannt sind] hilft.

 Dass die CDU für den Einsatz ist, mag von ihrem Selbstverständlich her verständlich sein (wobei allerdings das Engagement einer von der Leyen, die doch für Kinder der Soldaten sorgen will, unverständlich ist, da doch Gelder für die Aufrüstung der Bundeswehr mit modernen Waffensystemen zur eigenen Sicherung der Soldaten eher erforderlich wäre); für die SPD aber stellt sich dieses Tun als Abkehr von ihren alten „Tugenden“ dar und als vollkommene Umkehr.

Und überhaupt die Kosten: Kriege wurden in früherer Zeit geführt um zu siegen und dann erbarmungslos das besiegte Territorium auszunehmen. Damit waren die Kosten gedeckt. Hier aber soll der Steuerzahler für die doch als großspurig zu bezeichnenden Pläne der Bundesregierung zahlen. Der Preis wird hoch sein, da die Bundeswehr nicht über die entsprechenden Waffensysteme verfügt und anschaffen muss, die Renten an Unterhaltsberechtigte der im Kriegseinsatz getöteten Soldaten zahlen muss pp. Und das alles wegen letztlich nicht zu verwirklichenden humanitären Gründen ?

 Ein Gerhard Schröder hat, wenn auch wohl aus wahltaktischen Gründen, die Beteiligung an einem Iran-Feldzug abgelehnt (dann aber indirekte Hilfe gleichwohl geleistet). Das Verhalten war, wenn auch die Motive wohlverfehlt gewesen sein mögen, positiv. Aber leider befindet sich heute die Regierung nicht in der Lage, eine Person zu haben, die weise denken kann. 
Armes Deutschland. "Das ist schön bei den Deutschen: Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht." (Heinrich Heine)