Sonntag, 23. September 2012

Entwicklungshilfe für staatlich geförderten Mord ?


Pakistan wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) als ein Partnerland der ersten Stunde bezeichnet, welches seit 1961 2,3 Mrd. Euro an Entwicklungshilfe erhielt [1].  Ob die Entwicklungshilfe jeweils positiv eingesetzt oder genutzt wurde[2], mag hier auf sich beruhen. Gedanken muss sich jedoch Deutschland machen, welche Ziele es mit Entwicklungshilfe anstrebt und insbesondere, ob nicht auch eigene Interessen  und Interessen der liberalen, auf freiheitlichen Grundordnungen aufgebauten Gemeinschaften negativ tangiert werden.  

Das Mohammed-Video stellt sich derzeit als willkommener Anlass dar, gegen die von uns gepriesene freiheitliche Grundordnung vorzugehen. Ausschreitungen, wie z.B. in Pakistan[3], sind keine Ausnahme.   

Verständnis für dieses Gebaren kann eine Gesellschaft, in der wir hier leben, nicht aufbringen  -  und darf sie nicht aufbringen.  Wir leben in einer Zeit (nach) der Aufklärung, der Liberalisierung des Lebens. „Historisch versteht man darunter vor allem politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen in Europa und Nordamerika seit den Religionskriegen, deren Errungenschaften bereits im 18. Jahrhundert als epochal gewürdigt wurden – man sprach und spricht in verschiedenen Bereichen der Geschichtsschreibung von einem Zeitalter der Aufklärung. Einschlägig im deutschen Kulturraum ist die Begriffsbestimmung: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“– Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784).“[4]

Was hier in muslimischen Ländern demonstriert wird, ist das Gegenteil. Es ist die Rückkehr in die Zeit vor der Aufklärung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob nun eine Mohammed-Karikatur oder eine Mohammed-Video für sich den Anspruch auf eine bestimmte künstlerische Qualität beanspruchen kann. Es geht um das Recht der freien Meinungsäußerung und das Recht auf Religionsfreiheit. Beides stellt sich nicht als Gegensatz dar sondern muss in Koexistenz bestehen.  

Man überlege sich, der Papst hätte nach der ihn diskriminierenden Zeichnung in der Zeitschrift Titanic nicht lediglich rechtliche Schritte erwogen[5] sondern zur Tötung der Mitarbeiter der Titanic aufgefordert. Die bekannte Mohammed-Karikatur führte zur Aufforderung der Ermordung des Karikaturisten[6]; in der westlichen Welt sah man sich zu Entschuldigungen veranlasst (wofür ? Dafür dass wir in einer aufgeklärten Welt mit Meinungs- und Kunstfreiheit leben ?).  

Der Eisenbahnminister von Pakistan hat ein Kopfgeld von US-$ 100.000,00 auf den Macher des Mohammed-Videos ausgesetzt[7]; auch wenn sich die Regierung (formal) davon distanzierte, folgten auf dieses Mordaufforderung durch einen Minister keine Konsequenzen[8].  Der pakistanische Ministerpräsident selbst verurteilte den angeblichen Angriff auf 1,5 Mrd. Muslime[9]. 

Wer verurteilt die Angriffe auf Christen in moslemischen Ländern[10] ? Hier gilt wohl das Motto „Schweigen ist Silber“, an Gold will niemand.  

Kann es ratsam sein, Entwicklungshilfe an Länder zu geben, die sich durch Intoleranz auszeichnen ? Warum sollen Staaten unterstützt werden, in denen diese Intoleranz gar von staatlichen Vertretern nicht nur geduldet, sondern wie im Fall von Pakistan gar gefördert wird ?   

Die Vorstellung, durch Entwicklungshilfe u.ä. eine Radikalisierung gegen westliche Errungenschaften wie Aufklärung entgegenwirken zu können, ist  - wie die zunehmende Radikalisierung zeigt -  falsch. Vielmehr wird das das System genutzt, um es auszuhebeln (Hassprediger in Deutschland, denen gar Asyl gewährt wird und die hier vom Staat unterstützt werden[11].  Auch bezogen auf Länder wie Pakistan wird aber auch deutlich, dass die diesen Ländern gewährte Hilfe zwar angenommen wird, gleichwohl aber Hass gegen den Helfer erzeugt wird.  

Der Glaube, durch Hilfeleistung an Staaten könnte dort die Entwicklung auch im Sinne der Förderung einer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft wirken, ist offenkundig falsch. Damit aber ist vom Grundsatz die Entwicklungshilfe zu überdenken. Förderung an Staaten, in denen offen (wie im Falle Pakistan) das freiheitliche / liberale System attackiert wird, in denen  - gar mit staatlicher Billigung, wenn nicht Unterstützung -  zum Kampf durch Mordaufforderungen u.ä. eine Unterdrückung auch außerhalb des eigenen Landes herbeigeführt werden soll, ist mit den Idealen der westlichen Welt nicht vereinbar. Die Zeit der Religionskriege haben wir überwunden. Die Ideen von Kant, Voltaire u.a. haben sich durchgesetzt. Soll dies nun alles vergessen werden und soll alles wegen eines „Beleidigtsein“ wegen Karikaturen oder Videos zurückgedreht werden ? Eine Entschuldigung der Politik wegen Karikaturen und/oder Videos, die evtl. verletzend für andere sein können,  verbietet sich; hier wäre allenfalls der normale Rechtsweg eröffnet.  

Die wehrhafte / streitbare Demokratie verträgt keine Politik der Verzagtheit, wenn es um deren grundlegenden Werte geht. Politiker die meinen, wegen Drohungen aus muslimischen Ländern oder Gremien einknicken zu müssen, verkennen dies offenbar. Offensives Vorgehen ist gefordert. Dies kann und muss auch in der Entwicklungspolitik Berücksichtigung finden. Es gibt keinen Grund Länder qua Entwicklungshilfe zu fördern, die das hiesige System der Liberalität vernichten wollen. Nichts anderes ist aber das Verlangen, den Islam in keiner Art und Weise in die politische, literarische oder auch satirische Auseinandersetzung einzubeziehen. Und mögliche gesetzeswidrige Handlungen sind mit den Mitteln des Rechtsstaates, nicht mit Mitteln der Demagogie zu bekämpfen.


Ralf Niehus, Mitglied im DVPJ

Dienstag, 4. September 2012

Rentendesaster - die Verdrängung der Ursache durch die Politik

(Foto: Rike / poxelio.de) 



Die Deutsche Rentenversicherung ist (wieder) „ins Gerede“ gekommen. Der neue Slogan heißt jetzt „Altersarmut“. Bundesarbeitsministerin von der Leyen brachte das Thema auf. Eine Debatte hat begonnen, die allerdings nicht die möglichen Ursachen der Knappheit der Rentenkasse berücksichtigt.  

Welche Aufgabe hat die gesetzliche Rentenversicherung ? Proklamiert wird ein Generationen-Vertrag. Das hätte zur Bedeutung, dass der Einzahler heute für die Renten der heutigen Rentner aufzukommen hätte. Sieht man in der Rentenversicherung einen generationsübergreifenden Vertrag, würde der Renteneinzahler nicht nur für die aktuellen Renten aufkommen müssen, sondern unabhängig davon auch für seine eigene Rente Vorsorge treffen. Unabhängig von dieser  - nicht nur sprachlichen -  Frage der Zweckbestimmung der Rentenversicherung wird allerdings nach allgemeinen Verständnis davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Rentenversicherung letztlich auch nur denjenigen zu Gute kommen, die selbst Einzahlungen leisteten. D.h., die Mitglieder der Rentenversicherung unterstützen sich gegenseitig.  

Soweit die Einzahlungen nicht aktuell für Rentenzahlungen an Mitglieder dieser Gemeinschaft ausgezahlt werden, ist das Vermögen (rentabel) anzulegen. Macht sich also in der Rentenkasse der sogenannte Pillenknick bemerkbar, dass nicht nur die aktuellen Einzahlungen nicht mehr ausreichen, eine der Einzahlung entsprechende Rente zu sichern, sondern auch Vermögensreserven aufgebraucht werden ? 

Diese Fragestellung würde übergehen, dass die Rentenversicherung nicht lediglich typische Leistungen erbringt, sondern auch versicherungsfremde Leistungen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (als Vorgänger der Deutschen Rentenversicherung) hatte die versicherungsfremden Leistungen für 1985 mit 35,4%, für 1995 mit 34,3% und für 2003 mit 29,1% benannt. Insgesamt sollen seit 1957 über 600 Milliarden Euro (nicht Deutsche Mark) an versicherungsfremden Leistungen erbracht worden sein. Versicherungsfremde Leistungen sollen an sich durch Bundeszuschüsse aufgefangen werden. Doch liegen die Bundeszuschüsse darunter und soll das Defizit von über 600 Milliarden Euro unter Berücksichtigung der Bundeszuschüsse bestehen  (http://www.rentenreform-alternative.de/versichfremd.htm#5).

Als versicherungsfremde Leistungen werden jene angesehen, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind. Dazu zählten z.B. Kriegsfolgelasten, Kindererziehungszeiten, Auffüllbeträge für die Neuen Bundesländer, Höherbewertung Berufsausbildung. Dabei geht es hier nicht um die Berechtigung derartiger Zahlungen, sondern nur darum, dass solche Zahlungen nicht systemimmanent sind. Werden dem Rentenversicherungsträger aber derartige Belastungen auferlegt, muss auch gleichzeitig in entsprechender Höhe eine Zahlung aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung zur Ausgleichung dieser zusätzlichen Belastung erfolgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 28.10.1994 – 1 BvR 1498/94 – ausgeführt, dass ein Mitglied eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes (wie hier der gesetzlichen Rentenversicherung) keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlich-rechtlicher Mittel hat. Damit kommt das Dilemma des (Pflicht-) Beitragszahlers zur Rentenversicherung deutlich zum Ausdruck. Er ist machtlos, wenn die Rentenversicherung vom Gesetzgeber mit Aufgaben (und damit Ausgaben) versehen wird, die von den Beiträgen so nicht gedeckt sein können, eben nicht systemimmanent sind.  

Man sollte an sich von verantwortungsbewussten Politikern erwarten, dass diese das Rentensystem analysieren und die Ausgaben der Rentenversicherung systemgerecht kanalisieren. Der Beitrag sichert bei Außerachtlassung versicherungsfremder Leistungen auch in Zukunft die Rente.

[Ralf Niehus]