Samstag, 2. Juni 2012

Schleckers Ende - Verantwortlichkeit der Politik


Nach Spiegel-Online vom 2.6.2012 soll der Insolvenzverwalter, RA Geiwitz, (auch) der FDP die Schuld daran gegeben haben, dass es zum Endgültigen Aus für die Drogeriemarktkette kam. Er verweist dabei auf deren Nein für eine sogenannte Transfergesellschaft.

Es soll hier auf sich beruhen, ob dies von dem Insolvenzverwalter ernst gemeint war. Denn was soll die Transfergesellschaft leisten ? Statt dass Kündigungen ausgesprochen werden, die zur Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter führen (und damit die Zuständigkeit der Arbeitsagenturen begründen, die aus Geldern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gespeist werden), sollten diese geschont werden und die Mitarbeiter auf ein Jahr in eine Transfergesellschaft überführt werden, deren Kosten der Steuerzahler (und damit wiederum Arbeitnehmer und Arbeitgeber) übernehmen sollten; käme es innerhalb des Jahres nicht zur Vermittlung, wären die Schlecker-Mitarbeiter doch arbeitslos und würde die Zuständigkeit der Arbeitsagenturen begründet.

Es ist schon deshalb nicht ersichtlich, weshalb hier ein Nein zur Transfergesellschaft das endgültige Aus für die Drogeriemarktkette  gefördert haben sollte. Immerhin wurden doch rund 50% der Ladengeschäfte geschlossen, Mitarbeiter entlassen. Und gleichwohl blieb es bei monatlichen Verlusten, wie sich aus der weiteren Angabe des Insolvenzverwalters ergibt, die Familie Schlecker sei nicht bereit oder in der Lage gewesen, eine Verlustfinanzierung für Juni von 7 bis 9 Mio. Euro zu übernehmen. Diese Situation hätte sich doch durch die Transfergesellschaft nicht geändert.

Dass der Insolvenzverwalter es nicht erreicht hat, das Unternehmen zu sanieren resp. einen Übernehmer zu finden, ist sicherlich bedauerlich. Aber man muss wohl in einer Marktwirtschaft hinnehmen, das Missmanagement nicht von Dritten übernommen wird. Und der Drogeriemarkt ist reichlich bestückt, weshalb die (ehemalige) Konkurrenz von Schlecker zur (geplanten, wirtschaftlich vernünftigen) Expansion sich nicht mit entsprechenden Altlasten beladen muss. Dass eine Sanierung nicht glückte, der Insolvenzverwalter selbst nach Spiegel-Online auch von einer Überforderung des Managements sprach, ist vielsagend.

Das Aus für Schlecker ist das Resultat von Missmanagement. Das Unternehmen wurde auf Schulden aufgebaut. Die Schulden waren der Grund für die Expansion. Mit neuen Ladengeschäften konnten neue Schulden aufgenommen werden. Die Expansion von Schlecker war nicht wirtschaftlich auf „gesunden Füßen“ aufgestellt, sondern Folge einer betriebswirtschaftlich nicht durchdachten Firmenführung. Die Verantwortlichkeit trifft das Management.

Die Verantwortlichkeit trifft nicht die Politik. Zwar mögen arbeitsrechtliche, sozialrechtliche und steuerrechtliche Aspekte mit verantwortlich gewesen sein (die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen von Schlecker konnten in der Presse immer wieder nachgelesen werden); doch es handelt sich hier um Umstände, die bekannt waren und bei der Führung des Unternehmens hätten berücksichtigt werden können und müssen. Es handelt sich nicht um plötzliche Eingriffe des Gesetzgebers, auf die der Unternehmer im Hinblick auf seine Planungen nicht mehr hätte reagieren können. Es kann also hier jedenfalls auf sich beruhen, ob bei einer anderen Gesetzgebung, insbes. einem anderen Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht die Drogeriemarktkette Überlebenschancen gehabt hätte (was im konkreten Fall sogar bezweifelt werden darf), da die tatsächlichen Umstände berücksichtigt werden konnten.

Der Insolvenzverwalter wirft auch der Politik  - namentlich der FDP -  nicht vor, vor der Insolvenz durch politische / gesetzgeberische Maßnahmen diese gefördert zu haben, sondern nach der Insolvenz nicht tätig geworden zu sein. Damit aber verkennt der Insolvenzverwalter seine eigene Funktion. § 1 InsO lautet:

„Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.“

Der Gesetzgeber hat nicht vorgesehen, Unternehmen in der Krise, gar nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, durch staatliche Hilfe (und damit mit Geldern des Steuerzahlers) zu stützen und / oder mit Mitteln des Steuerzahlers eine Insolvenz zu einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Abschluss zu bringen (Schuldenbereinigung, Sicherung der Arbeitsplätze pp.). Dies würde auch den marktwirtschaftlichen Prinzipien widersprechen. Ein Unternehmer, der in Harakiri-Art versucht, seine Konkurrenz zu verdrängen, müsste ansonsten stets vom Staat und damit vom Steuerzahler belohnt werden  -  und wirtschaftlich an sich gesunde Unternehmen, die wegen dessen Methoden notleidend werden, wohl ebenfalls. Damit aber wäre der Staat letztlich für das Überleben aller Unternehmen verantwortlich.

 Alle ?  Man denke an die AEG und Quelle (nach staatlicher Hilfe doch Insolvenz), oder auch an Philipp Holzmann AG(Bauunternehmen). Verausgabte Steuergelder ohne „Gewinn“. Man denke an die vielen kleinen Unternehmen, aus Handels- und Handwerkerkreisen. Addiert ergibt dies auch eine ansehnliche Zahl von Arbeitnehmern, die auf Grund deren Insolvenz arbeitslos wurden, ohne dass sich jemand darum gekümmert hätte, Auffanggesellschaften o.ä. gefordert hätte. Wieso soll also einem „großen“, d.h. beschäftigungsstarken Unternehmen geholfen werden, den vielen „kleinen“, d.h. für sich beschäftigungsarmen Unternehmen nicht ?  Schon vor diesem Hintergrund hätte sich hier der Insolvenzverwalter qua seines Amtes einer entsprechenden Stellungnahme enthalten sollen.

Die Wirtschaft muss sich selbst regulieren. Für den betroffenen Arbeitnehmer ist der Gang in die Arbeitslosigkeit qua Insolvenz seines Arbeitgebers schwer. Dies aber nicht nur für Arbeitnehmer der Drogeriemarktkette Schlecker oder sonstigen „großen“ Arbeitgebern, sondern für auch für jene Arbeitnehmer, die vielleicht einziger Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmers sind. Weshalb also hier eine Sonderlösung für die Mitarbeiter der Drogeriemarktkette suchen ? Sollten Mitarbeiter von „großen“ Arbeitgebern Sonderrechte erhalten, dürfte keiner mehr bei „kleinen“ tätig werden. Die verfassungswidrige Ungleichbehandlung wird deutlich. Das Veto der FDP kam zur rechten Zeit. Es sei denn, man will einen Verfassungsbruch.

Der Abgang der Drogeriemarktkette Schlecker von der wirtschaftlichen Bühne ist also nicht der Politik vorzuwerfen. Es ist ein wirtschaftliches Phänomen, dem fast jeder Arbeitnehmer ausgeliefert ist. Fast: Beamte, Richter und Angestellte der öffentlichen Verwaltung scheinen hiervon ausgenommen. Mangels Insolvenzfähigkeit bestimmter Einrichtungen. Aber auch dies ist ein Phänomen, welches von der Struktur her überdacht werden müsste, aber nichts daran ändert, dass in einer Marktwirtschaft grundsätzlich jeder (Unternehmer) für sich selbst und sein Unternehmen verantwortlich ist.

Dass bei der Drogeriemarktkette Schlecker endgültig die Lichter ausgehen, auch Reste nicht auf Dritte übergehen, liegt also nicht in der Verantwortlichkeit der Politik.

Und die Mitarbeiter ? Managementfehler sind diesen sicherlich nicht vorzuhalten, soweit sich nicht zum Management gehörten. Sie büßen tatsächlich für Fehler eines Dritten, ihres Arbeitgebers. Hätte dieser die Fehler  - hier der Expansion -  nicht begangen, wären sie dort auch wohl überwiegend nie Mitarbeiter geworden, da keine eingestellt worden wären. Aber auch die (verbliebenen) Mitarbeiter scheinen kein Vertrauen in die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens zu haben, da sie es nicht  - quasi kostenfrei -  aus der Insolvenz selbst übernommen haben. So haben z.B. bei der Endlosdruckerei W. Vahle in Rietburg-Neuenkirchen dessen Mitarbeiter das in Schieflage geratene Unternehmen übernommen (vgl. Druck&Medien vom 8.2.2012). Auch das ist Marktwirtschaft. Insolvenz bedeutet also nicht notwendig die Vernichtung der Arbeitsplätze. Sehen die Mitarbeiter eine Zukunftsperspektive für das Unternehmen, könnten sie es selber betreiben. Davon ist hier bei Schlecker nichts bekannt. Eine Sonderlösung für die bei der Drogeriemarktkette betroffenen Mitarbeiter dahingehend, dass der Staat zusätzlich  - d.h. nicht nur im Rahmen der Arbeitslosigkeit -  eingreift, ist nicht gerechtfertigt. Denn dies würde, wie oben dargelegt, eine  unzulässige Bevorzugung darstellen und dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes widersprechen, aber auch der marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung.

Resümee: Der Schlussstrich unter das Kapitel Schlecker ist wirtschaftlich als auch politisch gerechtfertigt. Ein Eingreifen der Politik, in welcher Art auch immer, wäre wirtschaftlich sinnlos und rechtlich verfehlt.  

[Ralf Niehus]

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