Mittwoch, 8. November 2017

Das dritte Geschlecht – und die Auswirkung auf die Sprache

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden (Beschluss vom 10.10.2017 - 1 BvR 2019/16 -): Es gibt das dritte Geschlecht. Mithin nicht nur Männlein und Weiblein, sondern auch „Divers“ bzw. „Inter“.  Eine wichtige Entscheidung, denn immerhin soll es 160.000 Betroffene (bei einer Bevölkerungszahl von 82,67 Millionen) in Deutschland geben.

Interessant ist die Meldung bereits in Ansehung der Ausführungen. Die „Person“, die die Verfassungsbeschwerde angestrengt haben soll, soll „Vanja“ heißen. In einigen Beiträgen wurde die Person als „der“ Beschwerdeführer, in anderen als „die“ Beschwerdeführerin bezeichnet – also klassisch nach Männlein bzw. Weiblein. Offenbar waren die Damen und Herren Journalisten (oder die „Diversen/Inter“-Journalisten) überfordert und sind bei der Berichterstattung in das alte Schema zurückgefallen. Wie nun also ? Da die Verfassungsbeschwerde nicht abstrakt von einer natürlichen Person zur Klärung einer Frage mit Verfassungsrang erhoben werden kann, der Verfassungsbeschwerde die Verfahren vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorausgehen mussten, dürfte es sich also bei der Person namens „Vanja“ weder um ein Männlein noch um ein Weiblein handeln. Damit verbieten sich „die“ und „der“ wie auch Antragsteller mit „der Antragsteller“ oder „der Beschwerdeführer“ wie auch „die Antragstellerin“ bzw. „die Beschwerdeführerin“. Die geschlechtsspezifische übliche Unterscheidung mit „der“ und die „ wie auch mit „er“ oder „sie“ waren hier mithin völlig neben der Sache liegend. Das Bundesverfassungsgericht sprach von der beschwerdeführenden Person.

Geschlechtsneutrag sind „das“ und „es“. „Das Antragsteller“ wie auch „das Einspruchsführer“ gibt es (bisher) nicht. Der Duden wird wohl in Zukunft entsprechend ergänzt werden müssen, als bei geschlechtsspezifischen Unterscheidungen wie für Antragsteller, Beschwerdeführer, Widerspruchsführer, Kläger als auch Mieter pp. künftig ein „das“ vorangestellt werden darf bzw. muss, liegen in der entsprechenden Person die Voraussetzungen vor. Aber: endet dann das Substantiv maskulin oder feminin ? Hier kommt Freunde für die Fans des Genderns auf, die sicherlich eine neutrale, geschlechtsneutrale Formulierung verlangen mit der Folge einer neuen Wortschöpfung. Die Vergeschlechtlichung der Begriffe wird nunmehr wieder einen breiten Raum einnehmen. Es gibt dann keinen Administrator mehr, sondern Administration; dass zwischen Administrator und Administration ein Unterschied besteht, ist dabei (wohl) ohne Bedeutung. Es wird dann nicht mehr den Absender geben, sondern ein „abgesandt durch“. Der Anbieter wird zur „angebotsmachenden Person“, der Arzt / die Ärztin zur Peron im ärztlichen Dienst. Der / die Beschuldigte ist (der, die, das ?) beschuldigte Person, der Kläger / die Klägerin (der, die, das ?) klagende Person.

Wer glaubt, dass sich eine derartige, mit Verlaub den Umstandsmoment im Sinne von Umstand hochtrapierende Sprache durchsetzt ? Ich nicht.

Das Bundesverfassungsgericht musste sich mit der Frage des dritten Geschlechts aufgrund der Verfassungsbeschwerde auseinandersetzen. Ob die Entscheidung in Ihrer Begründung richtig ist, mag hier auch auf sich beruhen. Es muss wohl mit ihr umgegangen werden. Das aber kann nicht dazu führen, dass in Ansehung einer absoluten Minderheit trotz allen Minderheitenschutzes die Sprache neu ausgerichtet wird.

Man denke daran, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau, den bisherigen zwei Geschlechtern (die auch nach den Grundlagen der Entscheidung im Wesentlichen bestimmend sind) bis heute nicht umgesetzt wurde. Das nicht nur im sprachlichen Bereich, der von den herkömmlichen (das Wort kommt übrigens vom Stamm „Herr“, wie „Herrschaft“ und „beherrschen“) Sprachnormen beherrscht ist. Es gibt auch mehr Behinderte als jene 160.000 Drittgeschlechtler, für die diese Entscheidung eine Registrierung im Personenstandsregister entsprechend ihrer Geschlechtlichkeit zulässt, ohne dass bisher tatsächlich der verfassungsrechtliche Schutz der großen Minderheit von Behinderten adäquat umgesetzt worden wäre.


Der Schutz von Minderheiten auch im Sinne der Unterlassung von Diskriminierungen ist sicherlich notwendig und auch verfassungsrechtlich verankert. Unabhängig davon, dass dies (insbesondere im Sinne der Gender-Diskussion) die tragenden Probleme des Staates sind (denen teilweise wenig Augenmerk zur Lösung gewidmet wird), wäre es hier angezeigt, die bekannten Sprachnormen anzuwenden: Ist etwas weder männlich noch weiblich, wird versachlichend ein „das“ oder „es“ verwandt. Oder es wird für diese Personengruppe eine Umschreibung gewählt, ähnlich wie es das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat: Statt Kläger oder Klägerin wird es dann „die klagende Person“ heißen müssen pp. („die mietende Person“, „die angestellte Person“, die kellnerisch tätige Person“ pp.). Auch gut. Die Sprache muss also nicht neu gefunden werden. Eine allgemeine Genderierung er Sprache ist also nicht notwendig.

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