Dienstag, 17. Dezember 2013

Abschaffung von Bargeld – Sinn und Zweck – Vision oder Realität und mögliche Folgen

Schon lange geistert die Überlegung der Abschaffung von Bargeld, in letzter Zeit vermehrt diskutiert. Aber die Realität zeigt, dass es nicht nur eine theoretische Überlegung ist, sondern auch in der Praxis schon zu erleben ist. Schweden hat es durchgeführt; in anderen Staaten wird der Kauf durch Bargeld beschränkt (Frankreich ab 2014), bzw. ist schon beschränkt (Griechenland, Frankreich, Italien). Es ist mithin keine Vision, sondern teilweise bereits blanke Realität. Damit wird die Macht der Banken aber auch des Staates erhöht. Gleichzeitig steigt die Gefahr des Verlustes.

Geld ist letztlich ein definiertes Tauschmittel. Statt eine bestimmte Anzahl von Hühnern für Weizen zu geben (reine Tauschwirtschaft) wird das Geld als Ersatz genommen und werden die zu kaufenden bzw. zu verkaufenden Produkte entsprechend dem Geld eingepreist. Letztlich ist Geld damit ein Hilfstauschmittel geworden.  Um einen gesicherten Wert für das Tauschmittel Geld zu erhalten, wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts der Goldstandard eingeführt, der dann in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts durch eine von den Notenbanken zu schaffende Preisniveaustabilität zu schaffende geldpolitische Maßnahme abgelöst wurde, weshalb Gold nur noch als Deckelung anzusehen war. Die durch Gold zunächst „verbriefte“ Sicherheit ging verloren. Gleichwohl blieb es bei diesem Tauschmittel.

Geld soll zwar nicht als solches abgeschafft werden. Aber das Bargeld wurde teilweise schon abgeschafft bzw. der Umgang mit Bargeld drastisch eingeschränkt; bisher nicht in Deutschland. Doch es ist eine Frage der Zeit, bis endgültig das Bargeld (überall) der Vergangenheit angehört. Gezahlt werden soll zwar weiterhin mit Geld aber dem sogenannten Buchgeld. Es sind die Guthaben (bzw. auch Überziehungsmöglichkeiten) auf Konten via Überweisung oder Kreditkarten. Dies erfordert bei den Kreditinstituten nicht das Vorhalten von auszahlbaren Beträgen (Bargeld), da “nur“ Buchgeld betroffen ist. Der Beitrag von Andreas Popp (vgl. Video auf http://youtu.be/AQPQPZbrFi0) verdeutlicht dies anschaulich.

Natürlich müssen auch Banken leben. Sie können also nicht nur die Einzahlungen bei sich horten. Wollen sie verdienen, müssen sie mit dem Geld arbeiten. D.h. auch, dass sie z.B. Kredite gewähren, die aus den Einzahlungen getätigt werden. Je weniger sie aber an Bargeld auszahlen müssen, umso mehr können sie die eingelegten Gelder selbst verwenden. Nicht nur zu Kreditvergaben, auch für (eigene) Spekulationen. Sie sind Gewinner, wenn Bargeld angeschafft wird. Denn über Buchgeld, mittels dessen sie Überweisungen und/oder Kreditkarten bedienen können, verfügen sie bilanziell immer noch  - bis zur Überschuldung und damit zum Crash. Dann müsste der Hilfsfonds einspringen, resp. nach der neuen Überlegung der EU, die in Deutschland umgesetzt wird, der Kunde selbst (evtl. erst ab einer Einlage auf allen Konten von über € 100.000,00).

Was aber hat der Staat davon ? Ist er nur Getriebener der Lobbyisten der Banken und Sparkassen ? Nein. Der Staat denkt hier auch an sich. Er denkt daran, Schwarzgelder aufzudecken bzw. das Schwarzgeldgeschäft zu verhindern. Wie soll, wenn kein Bargeld mehr existiert, die Putzfrau, der das Geld „zugesteckt“ wird, bezahlt werden ?  Wie soll der Gastronom, der kein Bargeld annehmen kann, Schwarzgelder gerieren ? Sicherlich stichhaltige Überlegungen, die dazu führen, dass das Brötchen von € 0,20 künftig mit Kreditkarte erworben wird.

Häufig wird argumentiert, es ginge um Terrorbekämpfung oder der Vorbeugung vor Terror, es ginge um die Geldwäsche. Das ist verfehlt. Die sogenannte Geldwäsche wird nicht über Bargeld ausgeführt. Es ist ein komplexes System., bei dem das Geld qua Überweisungen und Einschaltung Dritter und fingierter Leistungen transferiert wird. Nur das „kleine Schwarzgeld“ geht über die Barzahlung. Aber der Staat will diese „Schlupflöcher“ schließen. Wenn alles bargeldlos gezahlt wird / werden muss, hat er die Kontrolle. Er kann prüfen und über die Geldverkehrskonten der Banken und Sparklassen Querprüfungen vornehmen.

Während es den Banken und Sparkassen um die Vermehrung des Buchgeldes geht, um so mehr Liquidität für andere Geschäfte zu schaffen, geht es den Staat einzig um die Kontrolle, um mehr Steuereinnahmen zu generieren. Darüber hinaus schafft der Staat auch durch den Zwang, nur noch (jedenfalls bei größeren Zahlungen) per Überweisung oder Kreditkarte zu zahlen, den Zwang, dass das Geld bei den Banken / Sparkassen angelegt wird, und so  - bei deren Insolvenz -  auch als Haftungsmasse zur Verfügung steht.

Dem Moloch Staat wird sich keiner entziehen können. Aber die Frage ist, ob es letztlich bei einer staatlichen Währung verbleibt. Ursprung war der Tauschhandel. Dieser lässt sich wiederbeleben. Soweit hier Zahlungsmittel in Form von Geld notwendig sind, kann es auch zur Parallelwährung kommen, die nicht von Staat kontrolliert wird. Dann muss er erneut aktiv werden und sein wahres Gesicht zeigen.   Und die Banken / Sparkassen: Sie hatten früher um die Eröffnung von Girokonten gebuhlt, verlangen heute (mit Ausnahmen) hohe Gebühren; sie können sich über den Zwangszufluss zusätzlich freuen und ihre Gebühren (nach oben) anpassen.

Mittwoch, 13. November 2013

Moloch EU – das ungeliebte Überkind bestätigt die Europakritiker


Deutschland hat Exportüberschüsse. Dadurch glänzt Deutschland gegenüber den anderen Staaten in der EU. Und dadurch kann die EU überhaupt finanziert werden, bedenkt man, dass Deutschland der größte Nettozahler der EU ist und auch am Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht nur mit der höchsten Bürgschaft sondern auch der höchsten Barzahlung beteiligt ist. Und nun will diese EU, unter Führung seines portugiesischem Kommissionsprädidenten  José Manuel Durão Barroso prüfen, ob nicht gegen Deutschland ein Bußgeldverfahren im Hinblick auf den Leistungsbilanzüberschuss eingeleitet werden muss.
Soll nur der Ast abgesägt werden, auf dem doch die EU wesentlich ruht ? Oder soll Deutschland ob seiner Stärke abgestraft werden, damit es sich ebenso in eine wirtschaftlich verfehlt verhält wie andere Staaten der Gemeinschaft, um so eher dem europäischen Armenhaus statt der Vorreiterstellung zugeordnet zu werden ?
Auch der Präsident der EZB, der Franzose Mario Draghi, hat erkannt, dass es ein Fehler wäre, Deutschland zu schwächen. Die Ökonomen halten letztlich unisono die Vorgehensweise von Brüssel für verfehlt. Soll also Deutschland nur geschwächt werden ? Anders kann es wohl kaum verstanden werden. Während in Deutschland seit der Einführung des Euro gespart wurde, eine gemäßigte Lohnpolitik betrieben wurde, wurde in anderen Staaten das Leben in vollen Zügen genossen, koste es was es wolle. Die Rechnung wollen diese Staaten aber nicht zahlen, sondern Hilfe der anderen erhalten, namentlich aus Deutschland. Eine Hilfe, die nur erfolgen kann dank der Enthaltsamkeit in Deutschland.
Die EU wird ohnehin als Moloch gesehen. Ein Gebilde unbekannten Ausmaßes, welches nur sehr bedingt einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt. EU-Regelungen, deren Sinnhaftigkeit häufig nur im Selbstzweck der Beschäftigung der EU-Bürokratie erkannt wird, nehmen Überhand; nationale (demokratisch legitimierte) Parlamente, die letztlich den Willen dieser Bürokratie umsetzen müssen und damit keine Entscheidungskraft mehr haben. Ein EU-Parlament, dessen wesentlicher Einfluss nur über das Haushaltswesen ausgeübt werden kann, welches von der EU-Bürokratie schlicht durch Verlagerung der Kosten auf die EU-Staaten umgangen werden kann.
Es mag richtig sein, dass dort, wo ein Gewinner ist, auch Verlierer sind (nicht sein müssen). Es mag auch richtig sein, dass die Sparpolitik in Deutschland nicht dazu geeignet ist, ein Konsumklima anzuheizen. Es wird immer wieder gefordert, Deutschland solle Investitionen und Konsum stärken, etwa durch Mindestlohn und niedrigere Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dies wird auch in Deutschland thematisiert. Allerdings wird auch die wirtschaftliche Stabilität geachtet. Dass aber wäre  - folgt man Barroso -  zu vernachlässigen.
Die korrekte Forderung Barrosos hätte sich an andere Staaten der EU richten müssen: Mehr für die eigene Wirtschaftskraft zu tun. Nicht übermäßig Löhne zu erhöhen und zu konsumieren und investieren, bis die Wirtschaft am Boden liegt. Nicht Deutschland handelt verfehlt, es sind jene Staaten, die gerade das perfekt praktizieren, was nun von Deutschland gefordert wird. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, niedergelegt in Art 126 AEU-Vertrag und dem dem Vertrag beigefügten Protokoll Nr. 12, sind die Grundlagen der EU und der Währungsunion. Hier wird im wesentlichen gefordert, dass  im Zusammenhang mit dem Euro die Mitgliedsstaaten in wirtschaftlich normalen Zeiten einen annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt sowie eine Begrenzung ihrer öffentlichen Verschuldung beachten. Es mögen derzeit keine „normalen Zeiten“ sein; dies hindert aber doch nicht die Beachtung des Ziels, gar vor dem Hintergrund, dass andere Staaten diese Zielsetzung ersichtlich völlig aus den Augen verloren haben.
Damit lässt sich der Vorstoß Barrosos nur so verstehen, dass Deutschland  - koste es was es wolle -  geschwächt wird. Deutschland droht ein Bußgeld in Höhe von 0,1% des Wirtschaftswachstums, also rund 2,7 Milliarden Euro.
Die Montanunion, gegründet 1951 und in Kraft getreten 1952, war ein deutsch-französisches Kind unter Beteiligung von Italien und den Benelux-Staaten. Aus ihr entstand die heutige EU, die sich zum Überkind, einem kaum noch beherrschbaren Moloch mit mehr als fragwürdiger demokratischer Legitimation entwickelt hat. Verständlich, dass viele Europäer neidisch auf das vermeintlich so reiche Deutschland schauen (obwohl es gar nicht so reich ist, wie andere Staaten der EU). Der Neid wird durch stabile Wirtschaftskraft von Deutschland gespeist. Eine Wirtschaftskraft, die in anderen Staaten wegen der dortigen verfehlten Wirtschaftspolitik fehlt. Also eine Strafe für Deutschland für vernünftiges Verhalten ? Der Vernünftige soll sich dem Unvernünftigen beugen. Ein groteskes Verlangen.
Die AfD trat in den Bundestagswahlen als Gegner dieser europäischen Politik an und verfehlte nur knapp den Einzug in den Bundestag. Ihr Erfolg bei knapp unter 5% macht aber deutlich, dass die Euro- und Europaskeptiker nicht vereinzelt sind. Ein Verfahren, wie es hier nun gegen Deutschland eingeleitet werden soll, wird wohl von einigen Staaten mit Wohlwollen gesehen und eventuell diese gar noch in ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik bestärken. In Deutschland wird es aber eher die Euroskeptiker bestätigen und die Anzahl der Europa-Gegner steigern.
Es würde Barroso und der EU-Bürokratie gut tun, wenn sie den ernsthaften Versuch unternehmen würden, die Schuldenstaaten Europas aus ihren Trümmern zu holen und zu veranlassen, diesbezüglich eigene Initiativen zu ergreifen. Dies kann nicht dadurch erfolgen, dass eine intakte Wirtschaft ebenfalls lahm gelegt wird. Dies würde weder Deutschland noch der EU irgendwie helfen.

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Demokratie im Widerspruch zwischen Sinngehalt und Wirklichkeit


1. Staatsphilosophien  gibt es ihrer viele. Je nach Zeit wird der Versuch unternommen, das bestehende Staatsgebilde zu rechtfertigen oder neue zu entwerfen. Teilweise gepaart mit merkantilen Gedankengängen. Doch der Pragmatismus steht über der Philosophie. Bestärkt die Philosophie den Pragmatiker, nimmt er sich gerne dessen an.  

Platon (aus Wikipedia)
Philosophie als Bestärkung des Bestehenden oder als Entwurf des Besseren ? In beiden Fällen dient der Philosoph nur als Bestärkung für denjenigen, der vorgibt, die Idee zu leben, zu verwirklichen. Der Philosoph ist selten selbst der Revolutionär, der seine philosophischen Gedanken umsetzt. Bestärkt er eine Seite mit seinen Ideen, ist er allenfalls Werkzeug. Ohne Einfluss auf Art und Weise der Umsetzung und Verwirklichung.  

Der philosophische Kraftakt ist die Entwicklung eines Wertesystems, an der er denn sein Staatschema aufbaut. Das Wertesystem als Grundlage der Überlegung eines Staatssystems. Damit aber sind die Wertesysteme absolute Systeme, Grundanker der borgestellten staatlichen Verfassung. Wird das Wertesystem verändert, wird ein wesentliches Element der Vorstellung geändert und berührt damit die darauf basierende Verfassung. Derjenige, der die Veränderung vornimmt, mag pragmatische Gesichtspunkte benennen können, die die Veränderung notwendig machen. Doch alleine diese Gesichtspunkte haben auf das Resultat Einfluss. Moleküle können ohne Beeinträchtigung des Ergebnisses nicht beliebig verändert werden; jede Veränderung eines Moleküls einer Gesamtheit hat Auswirkungen auf den Gesamtzustand. Dabei ist der Umfang des Eingriffs beliebig. Die Vorgabe, man wolle so nur das Ergebnis bestärken, rechtfertigt den Eingriff nicht. Denn nicht das Ergebnis wird bestärkt, sondern gerade eine neues willentlich erzeugt. Wir durch Veränderung der Molekularbasis eine Gegenstand verhärtet und resistent gegen bestimmte Einflüsse gemacht, entspricht dieser nicht mehr dem vorherigen Gegenstand, da dieser gerade nicht resistent war. Auch wenn äußerlich der Eindruck der Gleichheit erweckt wird, ist es nicht der Fall. Damit ist aber auch in Frage zu stellen, ob mit der Veränderung der Grundlagen trotz oberflächlich betrachteter Gleichheit eine solche besteht.  

Anders als bei naturwissenschaftlichen Prozessen ist der philosophische Staatsaufbau auf seine Kernaussagen zurückzuführen und lebt von diesen. Er ist auf diese zurückzuführen. Eine Veränderung dort führt also immer zur Veränderung des Ergebnisses.


Hegel (aus Wikipedia)
2. Die Herrschaft des Volkes eines Staates über diesen ist ein komplexes Werk. Es vereinigt notgedrungen die Vermengung verschiedenartiger Interessen, Denkweisen, Vorstellungen und auch Handlungsweisen. Anders als in einer autoritären Staatsform, bei dem eine bestimmte Person oder (schon schwieriger) Personengruppe die Entscheidungsgewalt haben soll, wird sie hier abgegeben an  die Bewohner des Staates selbst. Gemeinhin wird diese Form der Herrschaft als Demokratie bezeichnet. Auch hier gibt es bereits verschiedene Grundsysteme, die (mehr oder weniger deutlich) ausgelebt werden. Zum einen z.B. die parlamentarische Demokratie (so in Deutschland, bei der die Bewohner die Parlamente wählen, die ihrerseits die Regierungen wählen und über Gesetze beschließen), zum anderen z.B. Mischsysteme wie in der Schweiz (wo vieles qua Volksabstimmung bestätigt werden muss).  

2.1. Es ist vorliegend nicht der Raum, sich hier mit der Effizienz und Praktikabilität der Systeme näher auseinanderzusetzen und zu untersuchen, ob und inwieweit sie dem jeweiligen Grundgedanken der Demokratisierung entsprechen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Systeme ist jedenfalls die Entscheidungsbefugnis der Bevölkerung. Diese geht in einem System lediglich dahin zu bestimmen, wer von verschiedenen Gruppierungen nach der Mehrheitsmeinung in einem überschaubaren Zeitraum von regelmäßig vier oder fünf Jahren die Entscheidungsbefugnis über die Geschicke der Bevölkerung haben soll, im anderen (zusätzlich) darum, welche Maßnahme getroffen werden soll. Beides setzt Wissen voraus. 

Wissen ist subjektiv  wie auch objektiv zu definieren. Subjektiv ist dabei der Wille, sich Erkenntnisse zu verschaffen, die es einem ermöglichen, eine Entscheidung zu treffen. Erkenntnis ist dabei nicht eine rein subjektive, bar jeder objektiver Befunde aufkommende Meinung. Es verlangt eine Auseinandersetzung. Das Befassen mit der Thematik. Die Erkundung dessen, was alles Grundlage für eine Entscheidung ist und wie sie (und von wem sie) verwirklicht wird.  Nur wer dieses Wissen hat, kann tatsächlich, wenn auch sicherlich geprägt von seinen eigenen Interessen, eine Entscheidung treffen. Wissen ist hier nicht die Kenntnis von Parolen oder Antiparolen; es setzt Kenntnis über die tatschlichen Umstände und  - bei Wahl von Parlamenten – Kenntnis von dem voraus, was die einzelnen Gruppen wollen. Die Demokratie als Ausdruck des Willens der Mehrheit der Bevölkerung kann von ihrem gedanklichen Ursprung her nur leben, wenn auch aktive Demokratie in Form der Kenntniserlangung zur Willensbildung betrieben wird.  

2.2. Ist dies im Hinblick auf die Komplexibilität schon schwierig, wird es aber zudem noch weiter erschwert, letztlich unmöglich gemacht. 

Kant (aus Wikipedia)
2.2.1. Es fängt an mit den Gruppierungen (Parteien), die sich zur Wahl für die Parlamente stellen. Selbst bei Kenntnis ihrer Wahlprogramme lässt sich nicht borhersagen, dass diese auch eingehalten werden. Wahlprogramme und –aussagen haben mehr den Charakter von Werbung für Reinigungsmittel: Der Schmutz verschwindet spurlos, mühelos. Die Anwendung durch den Verbraucher lässt Zweifel am eigenen Ich aufkommen. Wahlaussage als reines Werbespektakel oder tiefer Bedeutung ? Damit wird das Volk irregeführt und die Herrschaft durch das Volk ausgehöhlt. Nun werden die Protagonisten dieser Gruppen einwenden, die Verwirklichung scheitere an Koalitionen mit anderen und/oder  den aktuellen Tagesthemen. In beiden Fällen ändert sich nichts daran, dass die Wahlprogramme falsch und damit irreführend sind, da sie nicht umgesetzt werden. Der Wähler, der nur durch seine Stimmabgabe an der Herrschaft beteiligt wird, wurde getäuscht. 

Die Täuschungshandlung kann nicht mit der Angabe beseitigt werden, es hätte eine Kompromiss im Rahmen einer Koalition mit einer anderen Gruppe gefunden werden müssen. Schon vor der Wahl wäre es möglich gewesen sich auf diese Möglichkeit einzustellen und mithin mitzuteilen, welche programmierten Ziele man bereit sei zu streichen oder in gewisser Art und Weise zu revidieren.  

Schwieriger mag dies bei den sogen. Tagesthemen sein. Es müsste sich dabei um Ereignisse handeln, die so nicht vorhersehbar waren. Politische und wirtschaftliche Umstände, mit denen faktisch die regierende Gruppe förmlich überrascht wurde. Bedenkt man, dass von Wirtschaftsunternehmen verlangt wird, auch für außergewöhnliche Ereignisse  (wie z.B. Ausfall der gesamten Belegschaft) Vorsorge bilanziell (wenn auch nicht in der Steuerbilanz) darzustellen, wäre auch hier sicherlich eine Möglichkeit gegeben, für außergewöhnliche Ereignisse eine mögliche Änderung der programmatischen Daten darzustellen. Das erfolgt aber nicht.  

2.2.2. Noch problematischer ist aber die allgemeine Kenntniserlangung. Unabhängig von programmatischen Aussagen der Gruppen ist die Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Dies setzt nicht nur eine Beschäftigung der staatstragenden Bevölkerung mit diesen voraus, sondern auch deren Kenntnis. Kenntnis ist das Wissen um alle Faktoren, die für die Bestimmung eines Ergebnisses von Relevanz sind. Viele Informationen werden aber nicht erteilt, oder zumindest nicht offen erteilt. Informationen werden verschlüsselt oder gar nicht erst weitergegeben, oder auch falsch weitergegeben. Ob nun wirtschaftliche Daten, die ob der Art statistischer Ermittlung bzw. Behandlung unverständlich sind oder sogar ein falsche Bild tatsächlicher Umstände abgeben (man denke an die Angaben über die Inflation, die dank eines nicht den Lebensumständen der breiten Bevölkerungsmasse angepassten Warenkorbes nicht der gefühlten (realen) Inflation entspricht, an Arbeitslosenstatistiken, die bereinigt sind um Sonderprogramme für Arbeitssuchende pp., oder aber (teilweise offiziell mit Staatsschutzgründen begründete) Nicht-Mitteilungen über politische Vorgänge betroffen sind, ebenso Negierungen von Umständen bis zum Beweis des Gegenteils  -  immer handelt es sich um Faktoren, die für die notwendige Meinungsbildung und Entscheidungsfindung (mit) entscheidend sind.

Erfolgt aber eine bereinigte Information der staatstragenden Bevölkerung kann diese ihre Funktion in dem Modell Demokratie nicht  - schon gar nicht verantwortungsvoll -  wahrnehmen.    Weitergehend ist sogar ob derartiger geschönter Information fraglich, ob die gewählten Vertreter der Gruppen, die letztlich die staatstragende Bevölkerung repräsentieren sollen, in der Lage sind, Entscheidungen verantwortungsbewusst zu treffen, unabhängig davon, dass ihre Entscheidung ohne Legitimation der staatstragenden Bevölkerung  - die wegen fehlender Information ihre Rolle nicht wahrnehmen kann -  erfolgt. 

Sieht man von einer Verschleierung durch Auswahl von Datenmaterialien ab, was sich nicht mit staatstragenden Gründen rechtfertigen lässt, bliebe allenfalls zu prüfen, ob eine Staatssicherheit der Information entgegengesetzt werden kann. Hier bedarf es der Abwägung der Rechtsgüter. Unabhängig davon, dass nicht unbedingt die Staatssicherheit als solche tangiert sein muss, wenn aus diesem Grund Informationen vorenthalten werden, sondern auch ein gefestigter Machtapparat geschützt werden kann / soll, lässt sich die Geheimhaltung ohnehin im Hinblick auf die strukturelle Anlegung des Systems nicht rechtfertigen. Staatssicherheit ist gleichermaßen ein Phänomen, über welches derjenige informiert werden muss, der als  erster berufen ist, über die staatlichen Geschicke zu entscheiden. Ist aber als Souverän nicht ein mit absoluter Machtbefugnis ausgestatteter Herrscher entsprechend dem monarchischen Gedanken vorgesehen, sondern die Bevölkerung selbst, dann muss sie auch direkt informiert werden. Die Gefahr der Verbreitung von Informationen, deren öffentliche Kenntnis selbst eine Gefährdung erst herbeiführen kann, die dann nicht mehr beherrschbar oder abwehrbar sein könnte, ist als systemimmanent hinzunehmen. Wollte man dies abweichend beurteilen um den Souverän zu schützen, würde letztlich ein Dritter (nämlich der Informationsträger)  an Stelle des Souverän auch Entscheidungen treffen.  Dies entwurzelt die systembezogenen Grundlagen und lässt nur noch ein Fragment bestehen, welches auch deshalb bereits fragwürdig ist, da der eigentliche Souverän nicht einmal sicher sein kann, dass die vorenthaltene Information tatsächlich die Sicherheit des Staates als solchen und nicht nur die Sicherheit der freien Handlung derjenigen betrifft, die an sich nur Werkzeug bzw. Vollzugsorgan  der Willensentscheidung der staatstragenden Bevölkerung sein sollen.  

Nationalversammlung in der Paulskirche 1848 (aus: Wikipedia)
3. Das Modell der Selbstbestimmung der Bevölkerung im Rahmen einer parlamentarischen oder auch direkten Demokratie ist gescheitert, wenn es zum  einen von denen, die hier zur Mitbestimmung berufen sind, nicht genutzt wird, zum anderen, wenn es mangels umfassender und korrekter Informationen nicht genutzt werden kann.   

Der Weg zur Demokratisierung ist mithin noch lange nicht vorbei, sondern befindet sich in seinen Anfängen. Solange eine Regierung und der ihr unterstellte Beamtenapparat als auch ein Parlament meint, Entscheidungen treffen zu können, die nicht dem Informationsstand des Souverän entsprechen, ist der Souverän nur Beiwerk und nicht tragend im System. Dies gilt um so mehr dann, wenn die Entscheidungen auf Kontrollen des Souverän gerichtet sind, da diese Kontrollen wiederum einen Machtapparat stärken, der so dem Prinzip der Selbstbestimmung der Bevölkerung widerspricht.

Montag, 23. September 2013

Linke und SPD in Hessen -- Machtwillen oder demokratische Entscheidung ?

Die Geschichte der Linken ist bewegt. 1946 entstand aus einer Zwangsfusion der KPF mit der SPD in der sowjetischen Besetzungszone die SED, die staatstragende und diktatorisch herrschende Partei in der DDR. Ihr Ende war an sich mit der Grenzöffnung 1989 besiegelt. Doch Totgesagte leben länger.  Im Dezember 1989 benannte sich die SED um in SED-PDS  (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus). Im Februar 1990 blieb dann nur noch der Name PDS. Nachdem sich 2004 die WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative) aus abtrünnigen Mitgliedern der SPD gebildet hatte, erfolgte im Juni 2007 der Zusammenschluss von PDS und WASG zur Partei Die Linke.

 

Eine dem Totalitarismus abstammende Partei wie die SED will nun unter der Bezeichnung Die Linke demokratisch legitimiert den Sozialismus predigen und durchsetzen, der zu Zeiten der DDR diese in den wirtschaftlichen Ruin führte und letztlich  - dank der Politik des Glasnost (Offenheit) des damaligen Sowjetführer Gorbatschow -  zum gewaltlosen Umsturz und damit zur Wiedervereinigung von Deutschland führte.  Man könnte meinen, es sei alles vergessen. Die Zeiten der DDR, in denen es um die Überwachung und Bespitzelung der eigenen Bürger zwecks Erhaltung des obrigkeitlichen Regimes ging, in denen ein freie Reise(gar Auswanderung)  ins Ausland ebenso wie die Bekundung von eigenen, regimekritischen oder das Regime gar in Frage stellenden Gedanken verboten war, in denen Mangelwirtschaft die Regelwirtschaft war, scheint einer fernen, längst  vergessenen Vergangenheit anzugehören. Obwohl in dieser Partei Die Linken immer noch Leute das Sagen haben, die auch zu Zeiten der SED in der DDR deren Mitglied war. Zuletzt war er in der DDR mitverantwortlich bei der Ausarbeitung eines Reisegesetzes, mit dem die damalige SED-Führung versuchte, die Abwanderungsbewegung und den Zerfall der DDR zu verhindern.

Eine dem Totalitarismus abstammende Partei wie die SED will nun unter der Bezeichnung Die Linke demokratisch legitimiert den Sozialismus predigen und durchsetzen, der zu Zeiten der DDR diese in den wirtschaftlichen Ruin führte und letztlich  - dank der Politik des Glasnost (Offenheit) des damaligen Sowjetführer Gorbatschow -  zum gewaltlosen Umsturz und damit zur Wiedervereinigung von Deutschland führte.  Man könnte meinen, es sei alles vergessen. Die Zeiten der DDR, in denen es um die Überwachung und Bespitzelung der eigenen Bürger zwecks Erhaltung des obrigkeitlichen Regimes ging, in denen ein freie Reise(gar Auswanderung)  ins Ausland ebenso wie die Bekundung von eigenen, regimekritischen oder das Regime gar in Frage stellenden Gedanken verboten war, in denen Mangelwirtschaft die Regelwirtschaft war, scheint einer fernen, längst vergessenen Vergangenheit anzugehören. Obwohl in dieser Partei Die Linken immer noch Leute das Sagen haben, die auch zu Zeiten der SED in der DDR deren Mitglied war. Zuletzt war er in der DDR mitverantwortlich bei der Ausarbeitung eines Reisegesetzes, mit dem die damalige SED-Führung versuchte, die Abwanderungsbewegung und den Zerfall der DDR zu verhindern.
 
Vom Saulus zum Paulus ? Die von der letzten Regierung der DDR unter Lothar de Maiziere ins Leben gerufene Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR  (UKPC) [1] war ihm Verschleierung des SED-Parteivermögens vor und auch, dass er versucht habe, Gelder ins Ausland zu verschieben um sie so dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Auch der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gab 1998 an, dass Gysi zum Verbleib des Parteivermögens ebenso wie weitere Funktionäre der ehemaligen SED  (zu dieser Zeit PDS) geschwiegen hätten und damit den Ausschuss behindert hätten [2]. Verwunderlich ? 1989 schon unterstützte Gysi den Fortbestand der SED (unter neuen Namen) mit der Begründung, ansonsten gäbe es juristische Auseinandersetzungen im Hinblick auf das Parteivermögen der SED [3]. 
Die Kurzatmigkeit historischen Denkens lässt sich wohl nur mit einem Verdrängungswillen erklären. Eine Partei wie Die Linke, mit ihrem bewegten, die Demokratie verachtenden Lebenslauf, als eine regierungsfähige und damit staatstragende Partei anzusehen, kommt wohl  einem Pardoxon gleich.
Es mag sein, dass ein Schäfer-Gümbel als Spitzenkandidat der SPD im hessischen Landtagswahlkampf, kein Vergnügen darin sieht, mit der stärksten hessischen Partei, der CDU, zu koalieren. Es mag auch sein, dass es zu viele Gegensätze zwischen Grünen und CDU gibt, die einer Koalition dieser zwei Parteien entgegenstehen.  Aber der Machtwille der SPD, nun den Gedanken zu fassen eine Koalition mit Grünen und der Linken einzugehen lässt doch die Frage aufkeimen, welches Geschichtsbewusstsein und welche Annahme demokratischer Legitimation die SPD hat. Schon einmal, nach den Landtagswahlen 2008, war die Frage der SPD nach einer Unterstützung durch die Linken (damals angedacht als „Duldung“ durch die Linken) gestellt worden, aber durch Abgeordnete der SPD verhindert (mit der Folge von Neuwahlen, bei denen CDU und FDP obsiegten). Ebenso wie zu Zeiten, als die NPD in Landtagen Einzug hielt, es als „Out“ galt, mit dieser Partei zu koalieren oder sich von ihr dulden zu lassen, kann doch auch schon aus der geschichtlichen Entwicklung der Linken heraus eine Duldung oder gar Koalition mit dieser nur „Out“ sein.
Steinbrück, Spitzenkandidat der SPD bei den Bundestagswahlen am 22.09.2013, gab am Wahlabend  - zumindest verbal -  an, eine Koalition mit der Linken würde es nicht geben. Dies wird aber wohl von der hessischen SPD anders gesehen. Hier scheint man mehr auf ein „koste es was es wolle“ zu setzen, um an die Regierungsmacht zu kommen. Eine Koalition mit einer Partei, die über vierzig Jahre diktatorische Machtherrschaft ausübte, wird dabei auch ins Auge gefasst [4].
Es ist zwar traurig, wenn sich demokratische Parteien, zumal wenn sie sich als Volksparteien deklarieren, nicht in der Lage sind einen gemeinsamen Konsens zu finden. Die Alternative kann aber nicht sein, mit einer Partei zu koalieren oder in sonstiger Art zusammenzugehen, die in ihrer Geschichte eindeutig antidemokratische Verhalten zur Tagesordnung gemacht hatte. Dann bliebe nur der Weg der Neuwahlen.
Letztlich wird der Bürger irgendwann wohl entscheiden müssen. Und er wird auch beachten müssen, welche Koalitionen eine bestimmte Partei eventuell eingeht.
  

Bundestagswahl 2013: Alles Verlierer

Es gab zwei Parteien , die gegenüber den vorherigen Bundestagswahlen prozentmäßig zulegten: die CDU an erster Stelle mit plus 7,7%, die SPD mit plus 2,7%. Während die CDU ihr bestes Ergebnis seit 1994 „einfuhr“, ist es doch bei der SPD das zweit schlechteste Ergebnis. Trotz der Stimmengewinne dieser zwei Parteien gehören beide doch auch zu den Verlierern der Wahl.

Die FDP ist Wahlverlierer, fiel sie doch mit einem Verlust von 9,8% auf 4,8% und scheiterte ihr Wiedereinzug in den Bundestag damit an der 5%-Hürde.  Die Grünen gehören aber auch zu den Verlierern der Wahl,  sind sie zwar mit 8,4% wieder in den Bundestag eingezogen, haben aber gegenüber 2009 doch 2,3% verloren. Ebenso Die Linke: Auch wenn sie im derzeitigen Parteienspektrum die Nummer 3 ist, vermag sie nicht zu verbergen, dass sie mit jetzt noch 8,6% immerhin gegenüber 2009 3,3% verloren hat.

Aber auch CDU und SPD sind Wahlverlierer.

Die SPD hat nicht erreicht was sie wollte: Einen deutlichen Auftrieb und die Möglichkeit, mit den Grünen (alleine) zu koalieren. Die SPD und/oder deren Kandidat Steinbrück, der im Wahlkampf kein Fettnäpfchen am Rande ungenutzt stehen ließ, dann, nachdem er bei dem Kandidatenduell im Fernsehen Punkte machte, doch diese wieder verblassen lies durch einen dritten Finger an der Hand, sind ersichtlich Verlierer.

Und die CDU ? Sie legte zwar kräftig zu, sieht sich nun aber vor dem Problem, ihren bisherigen Koalitionspartner verloren zu haben und ferner vor dem Problem, dass die eventuell in Betracht kommende Parteien SPD und Grüne an sich nicht mit dem Brautwerber CDU gehen wollen. Denn dieser Brautwerber ist dafür bekannt, dass er die Braut ausnimmt, wenn von ihr nichts mehr zu sehen ist, fallen lässt. Fürsorge für den Koalitionspartner kennt die CDU nicht. Unter Merkel hat die CDU erstmals in der Regierung mit der SPD bis 2009 gezeigt, wie man den Koalitionspartner ausnutzen kann. Die SPD erzielte in der nachfolgenden Wahl ihr schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der BRD. Und jetzt die FDP: Hatte sie noch 2009 ein Allzeithoch, wurde sie in der Koalition mit der Merkelschen CDU letztlich kaltgestellt, verkam zur Bedeutungslosigkeit. Was also hat die CDU von ihren Zugewinn, kann sie doch nicht (mit der Schwester CSU) alleine regieren und hat nun Schwierigkeiten, einen Koalitionspartner zu finden.  

So könnte das bravouröse Ergebnis der CDU für deren Vorsitzende und Bundeskanzlerin Merkel zu einem Waterloo werden. Wird sie jetzt für eine Koalition geopfert oder muss sie sich dem möglichen künftigen Koalitionspartner unterwerfen ? Oder kommt es zu keiner Koalition sondern zu Neuwahlen ?

Montag, 22. Juli 2013

Gedanken- und Meinugsfreiheit - Gedanken zu NSA und BND


Die Gedanken sind frei.  Eine Aussage, die erstmals 1780 auf Flugblättern erschienen sein soll; die heute bekannte Melodie kam Anfang des 19. Jahrhundert hinzu. 1842 waren es Hoffmann von Fallerleben und Ernst Richter, die das Lied veröffentlichten.  Die ersten Zeilen dazu gab es schon bei Freidank (13. Jh.) und Walther von der Vogelweide  (12. Jh.).

Aber was sind Gedanken ? Nur das tatsächlich Gedachte, nicht Ausgesprochene ? Oder der zum Ausdruck gebrachte Gedanke ? Ist mithin die Gedankenfreiheit mit der Meinungsfreiheit, die auf öffentliche Artikulation abstellt, gleichzustellen ?

 Epochal gesehen muss die Gedankenfreiheit die Vorstufe der Meinungsfreiheit sein. Denn die Äußerung des Gedankens im 12./13. Jh. wie auch im 19. Jh. war jedenfalls von (staatlichen) Repressionen begleitet. Es konnte und durfte nicht die Obrigkeit in Frage gestellt werden, keine Gotteslästerung erfolgen pp. Wenn also die Meinungsfreiheit, wie sie in Art. 5 als Grundrecht statuiert ist, die öffentliche Kundgebung bedeutet, wäre es eine Fortentwicklung der Gedankenfreiheit.  Mit dem Hinweis auf die Gedankenfreiheit wurde die  übergreifende, staatlich-kirchliche Repression abschüttelnde Grenze zum individuellen Bewusstsein gezeigt; das Individuum in seiner ureigensten Existenz wider der staatlich-kirchlichen Gewalt. Ein innerer, nicht äußerlich (gar offen) durch Wort oder Schrift zu Tage tretender Widerstand. Ein Widerstand, der durch eine Meinungsfreiheit artikuliert werden kann, der Willensbildung aber auch –beeinflussung dient.

Meinungsfreiheit als Exhibitionismus der eigenen Gedankenwelt.  Einer Gedankenwelt, die jeder mitlesen und –verfolgen kann. Zumindest derjenige, dem diese Gedankenwelt offenbart wird. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist keine Grundpflicht. Die Äußerung des Gedankens ist also freigestellt. Damit ist aber auch das Recht freigestellt, seine Gedanken nur einem bestimmten Kreis mitzuteilen. Diese sich schon aus dem Sinn der Meinungsfreiheit ergebende Einschränkung der Teilöffentlichkeit wird verletzt, wenn Dritte, für die die Äußerung nicht bestimmt war, diese (bewusst und nicht nur als zufälliger Zuhörer am Stammtisch) zur Kenntnis nehmen, gar speichern und auswerten. Die Meinungsfreiheit wird damit als verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht ad absurdum geführt und der Bürger wieder auf die Gedankenfreiheit verwiesen. Mit dem bewussten Eingriff in die Meinungsfreiheit wird mithin wird auch der Sinn derselben angetastet, letztlich zerstört.

Die freie Äußerung zu kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Fragen wird heute als Selbstverständlichkeit angesehen. Eine Selbstverständlichkeit, die es nicht gibt. Die Geschichte hat mannigfach gezeigt, wie der Umgang mit der Meinungsäußerung geahndet wird.

1. Beleget den Fuß
 Mit Banden und mit Ketten
 Daß von Verdruß
 Er sich kann nicht retten,
 So wirken die Sinnen,
 Die dennoch durchdringen.
 Es bleibet dabei:
 Die Gedanken sind frei.
(Fassung 1800)

Der hoheitliche Staat kann (noch) nicht in die Gedankenwelt eindringen. Er kann nur auf die Meinungsäußerung Einfluss nehmen. Und er nimmt dank moderner Technik Einfluss. Er liest nicht nur in öffentlichen Publikationen mit, er liest auch in Mails mit, die (sicherlich) nicht primäres Mittel der allgemeinen Bekanntgabe von zum Ausdruck gebrachten Gedanken sind. Die garantierte Meinungsfreiheit wird damit Instrumentalisiert zur Ausforschung. Die freie Meinungsäußerung wird zur Personenschau, Einordnung in Kategorien und Werte. Wer dann z.B. in den öffentlichen Dienst drängt, kann damit  - ohne es zu wissen -  konfrontiert sein. Ebenso wenn durch die Meinungsäußerung ein bestimmtes gruppenmäßiges Bild erfasst wird, gegen welches der hoheitliche Staat meint zur Staatssicherung vorgehen zu müssen.

Die fotografische Erfassung von Demonstranten, das Mitlesen von E-Mailverkehr und das Fotografieren von Briefumschlägen in Bezug auf Absender und Empfänger stellen bewusste Eingriffe in die Meinungsfreiheit dar. Mit Ihnen verkommt das Grundrecht und wird letztlich als hoheitliches Machtinstrument missbraucht.

Die Befürworter der Überwachung der Meinungsfreiheit argumentieren mit dem übergeordneten Staatsschutz und der Sicherung des Rechtsstaates. Sicherung des Rechtsstaates durch Rechtsbruch ? Die Demokratie, deren Grundelement die Meinungsfreiheit ist, soll wehrhaft sein. Wehrhaftigkeit der Demokratie durch einen Eingriff in die freiheitlichen Grundrechte zu schaffen ist ein Paradoxum. Der herzkranke Patient wird auch nicht durch Entfernen vom Herz geheilt. Das Nutzen der Meinungsfreiheit zur angeblichen Sicherung des Staates zerstört den Glauben an die Meinungsfreiheit und damit nicht nur die Möglichkeit der Nutzung, sondern auch die Grundprinzipien demokratischer Ordnung.

Es mag sein, dass durch die Überwachungen Anschläge verhindert wurden. Die Frage lautet aber, wieviel Eingriff die rechtsstaatliche Ordnung im Sinne einer demokratischen Gesellschaft verträgt, bevor die Sicherung dieses Systems durch die entsprechende Maßnahme selbst das System zum Kollaps führt. Die umfassende Überwachung, wie sie Teil von Systemen wie NSA und wohl auch BND ist, begründet den Verfall von Grundwerten, die Einsicht in die fehlende Mitwirkung bei staatlichen Prozessen und letztlich die Notwendigkeit zum Schweigen.

6. Ja fesselt man mich
 Im finsteren Kerker,
 So sind doch das nur
 Vergebliche Werke.
 Denn meine Gedanken
 Zerreißen die Schranken
 Und Mauern entzwei:
 Die Gedanken sind frei.
(Fassung 1800)

Wir können uns noch unsere Gedanken machen. Nutzen wir dies. So fing alles einmal an.

Freitag, 7. Juni 2013

Der Sultan von Ankara - Islamistische Revolution oder die westliche Wiedergeburt ?


Atatürk war Begründer der modernen Republik Türkei. Der Staat selbst, im Spanungsfeld des Ost-West-Konflikts belegen, hatte stets Schwierigkeiten mit demokratischen Strukturen, wie auch die drei Militärputsche dokumentieren.  Nachdem Atatürk religiöse Formen aus dem öffentlichen leben heraushalten wollte, sogar ein Kopftuchverbot verordnete, kam mit Erdogan 2003 ein Ministerpräsident an die Macht, der islamische Traditionen befürwortete und fördert. Unter ihm nahm das Land immer weiter Abstand vom Westen hin zu einem islamistischen Staat. Nun aber zeigt sich Widerspruch.  Dieser formierte sich zunächst an der Absicht, die Rodung des einzigen größeren, mit Bäumen bepflanzten Platzes in Istanbul verhindern zu wollen, hat sich aber zu einer Bewgung entwickelt, die ihren Unmut über zehn Jahre Regierung Erdogans zum Ausdruck bringt. Doch der Staat in Gestalt der konservativen Staatsführung um Erdogan wehrt sich. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass sich der Protest gegen die Ismalisierung als solche wendet und den in der Verfassung von 1937 formulierten Laizismus fordert.
 

Leitbild Atatürks war die laizistische Republik. Es war der Übergang vom osmanischen Reich, auch unter Abschaffung des Kalifenamtes, zur Demokratie in der 1923 von Atatürk ausgerufenen Republik. In der 1937 verkündeten Verfassung heißt es:
„Das Türkische Reich ist republikanisch, nationalistisch, volksverbunden, interventionistisch, laizistisch und revolutionär.“
In der Verfassung von 1961 blieb der Verweis auf die Laizismus, ebenso in der nach dem Militärputsch 1980 in 1982 in Kraft getretenen Verfassung, in der auch die Demokratie als Grundprinzip verankert wurde.  Aber schon zu Zeiten Atatürks regte sich Widerstand. Mitstreiter von ihm haben eine Oppositionsbewegung (mit Duldung von ihm) aufgebaut, die das Alte bewahren wollte. Gleichwohl wurden die Säkuralisierung durch Atatürk nach westlichen Vorbild vorangetrieben, wozu u.a. das Verbot der Religionsschulen gehörte, die (wesentlich)  Übernahme des schweizerischen Zivilrechts, des italienischen Strafrechts und Handelsrechts pp. Religiöse Gerichte wurden abgeschafft. Das Recht der Frau an der Teilhabe am wirtschaftlichen, solzialen und politischen Leben wurde verankert. Durchsetzen konnte dies Atatürk durch die Unterstützung des Militärs, aus dem er selbst kam.
Mit den späteren Militärputschen wurde auch stets verdeutlicht, dass die westliche Prägung des Staates erhalten bleiben soll. Doch mehrten sich konservative Kräfte, die dem Islam anhingen und dessen Einfluss auch auf das gesellschaftliche Leben fördern wollten. Zu ihnen gehört Recep Tayyip Erdoğan, der in 2002 die Wahlen gewann und seit 2003 Ministerpräsident ist. Es ist nicht verwunderlich, dass seine Frau und seine zwei Töchter das Kopftuch tragen. Schon als Oberbürgermeister von Istanbul (gewählt 1994) richtete er seine Politik nach dem religiös-konservativen Milieu aus. In dieser Zeit als Oberbürgermeister erklärte er auf einer Pressekonferenz, Laizistisch und gleichzeitig ein Moslem zu sein, sei nicht möglich (Hem laik hem Müslüman olunmaz) und bezeichnete sich selbst in einem Interview als Anhänger der Scharia. Geschaffen wurden gesonderte Badezonen für Frauen und Männer, gesonderte Schulbusse für Mädchen und Jungen.
Die Ausrichtung seiner Politik war mithin von Anbeginn an deutlich. Als die von ihm (mit-) gegründete AKP schließlich in 2003 die Wahlen gewann und er so Ministerpräsident wurde, wird man dies wohl auch als eine Folge der zunehmenden Islamisierung der Bevölkerung anzusehen haben.
Vor Gründung der AKP gehörte Erdogan der Wohlfahrtspartei an, die 1998 vom Verfassungsgericht wegen Sympathien zum Dschihad und zur Scharia verboten wurde. Dies widerspräche des verfassungsrechtlichen Laizismus.  Die Tugendpartei, der er danach angehörte, wurde aus den gleichen Gründen 2001 verboten. Die neugegründete AKP gewann zwar die Mehrheit, doch wegen eines gerichtlichen Politikverbots (aus den o.g. Gründen) konnte Erdogan erst nach einer entsprechenden Verfassungsänderung in 2003 Ministerpräsident werden.
Damit war nun die Grundlage geschaffen, die stattliche Umbildung Atatürks durch strakte Trennung von Staat und Kirche nach westlichen Vorbild rückgängig zu machen.
Errungenschaften, wie die Möglichkeit der Abtreibung und die Pressefreiheit, sollen bzw. wurden eingeschränkt. Das Alkoholverbot wurde ausgeweitet.
Das Land bewegt sich nun zwischen Beibehaltung westlicher Freiheiten und Islamismus. Die Proteste gingen vom Taksim-Platz in Istanbul aus, den Erdogan umgestalten wollte. Dort befindet sich der Gezi-Park,  ein Park mit ca. 70 Jahre alten Bäumen. Es handelt sich um den letzten größeren Platz der Stadt, auf dem Bäume stehen. Nach der Vorstellung von Erdogan sollen sie gefällt werden und einem Einkaufszentrum weichen. Die Demonstrationen, die zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei führten, haben sich auf andere Städte ausgeweitet und gehen über die Frage des Fällens der Bäume: Es geht um den Unmut über die als despotisch empfundene Politik Erdogans.
Die Stellung des Militärs ist derzeit unklar. Allerdings ist die Polizei auch paramilitärisch ausgerüstet. Ob die Nachgabe Erdogans in der Frage der Rodung, wie von vielen Parteifunktionären der AKP und auch Imanen gefordert, eine Befriedigung bewirkt, dürfte nach der Ausuferung der Demonstrationen auch in anderen Städten zweifelhaft sein. Unklar aber bleibt ohnehin, ob die Türkei wieder zurück zum Lazismus findet und damit die Trennung des Islam vom Staat sowie die Freiheit der Bevölkerung von islamischen Riten schafft. Eines aber wird deutlich: Ein Imanstaat, wie Iran, wird wohl nicht akzeptiert. Es fragt sich nur, wer sich durchsetzt.

Dienstag, 23. April 2013

Ist die Alternative für Deutschland eine Alternative ?


Alternative für Deutschland. Ist der Name dieser neuen, im Februar 2013 gegründeten Partei eine echte Alternative ?  Ist sie notwendig und hat sie Chancen.
 
Markantes Markenzeichen dieser Partei ist ihre Anti-Euro-Haltung. So ist es nicht verwunderlich, dass sie in Erscheinung tritt zu einem Zeitpunkt, in dem der Euro nicht nur Schwierigkeiten in etlichen Mitgliedsstaaten verursacht und andere Staaten finanziell einspringen müssen. Sie tritt in Erscheinung in einer Zeit, in der die Schieflage des Euro regelrecht Strategie-Blüten in der Politik treibt. 

Wir erinnern uns: Eingeführt wurde der Euro am 1.1.1999 und als Bargeld am 1.1.2002, womit er die nationalen Währungen endgültig ersetzte. Es gab viele Stimmen, die sich gegen die Einführung aussprachen. So wurde aus Reihen von Volkswirtschaftlern insbesondere auch geltend gemacht, dass es sich um eine reine politische Währung handelt, da keine gleichzeitige Verknüpfung der Finanz- und Wirtschaftspolitik im Euro-Raum erfolgt.  Diesen Stimmen wurde damals aus politischen Opportunismus nicht Rechnung getragen; eine einheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik für den europäischen Raum war nicht möglich. Damit entstand eine Währung, deren Hüter in Form der EZB auf die verschiedenen wirtschafts- und finanzpolitischen Richtungen der einzelnen Staaten im Wirtschaftsraum Rücksicht nehmen und dem Rechnung tragen mussten / sollten. Ein vom Grundsatz unmögliches Unterfangen, bedenkt man auch, dass viele Mitglieder des Euro-Verbundes letztlich auch mit geschönten Zahlen ihren Zutritt erhielten. Die heutige Eurokrise ist die notwendige Folge der verfehlten Einbindung von Währungspolitik in die Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Ist die Konsequenz der Austritt der Staaten aus dem Euro, die (noch) relativ wirtschaftlich stabil sind ? Es ist eine Frage, die nicht leichthin mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Der europäische Wirtschaftsraum ist eng verwoben, auch in Bezug auf den Euro. Der Austritt aus dem Euroverbund würde auch nicht von bereits eingegangenen Belastungen befreien können, da diese ihre Grundlage in völkerrechtlichen Verträgen haben. Aber nach dem Motto „Ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende“ könnte man dass vielleicht hinwegdenken (mit der Folge von Milliardenforderungen durch Bürgschaften für Griechenland). Kann aber der Austritt der wirtschaftlich starken Staaten aus dem Euro (und der stärkste ist wohl derzeit noch Deutschland) ohne Auswirkungen auf den europäischen Wirtschaftsraum, hier die Europäische Union (EU) sein ? Es sind zwar nicht alle Staaten der EU im Verbund des Euro. Namhaft ist hier Großbritannien zu nennen. Aber selbst Großbritannien ist vom Euro abhängig, finanziert es sich doch durch billige Kredite bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Ausscheren Deutschlands aus dem Euro und die Rückkehr zu DM führt wirtschaftlich zum Floating (Schwankung der Wechselkurse) des Euro zur DM; der Warenexport Deutschlands in die übrigen EU-Staaten dürfte sich verteuern, da davon auszugehen ist, dass die DM gegenüber dem Euro aufwertet.  Aber nicht nur dies wäre zu berücksichtigen. Ist schon jetzt Deutschland im Hinblick auf seine „kleinliche Haltung“ gegenüber „notleidenden Staaten“ in Verruf gekommen, so würde dies durch die Abkehr vom Euro noch gefördert. Dies im Sinne der verstärkten Ausbildung nationalstaatlicher Abgrenzungen. Letztlich wäre damit wohl auch das Ende der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR).

Offenbar wird dies aber auch von der Alternative für Deutschland so gesehen, ist doch der Ausstieg als solcher nur eine ultima ratio. Eine Verschlankung wäre an denkbar. Als „starke“ Staaten der EU die eine gemeinsame Währung haben.

Leider ist aber eine programmatische Zielaussage nicht zu finden. Diese kann nicht mit einem „Dagegen“ ersetzt werden. Es fehlt eine klare Definition, wie die Wirtschaft, sei es ohne Euro oder im Verbund des Euro mit wenigen Staaten, auf dem globalen Markt funktionieren soll. Es fehlen sowohl strategische als auch programmatische Überlegungen der weiteren Gestaltung, um auch Deutschland ohne Euro (oder im Verbund des Euro mit wenigen Staaten) konkurrenzfähig zu halten. Dass aber wäre zu erwarten, da die DM als neue-alte Währung derzeit mit einer starken Aufwertung gegenüber dem „Rest-Euro“ zu rechnen hätte. Die wirtschaftliche Expansion Deutschlands war und ist auch dem Euro zuzuschreiben: Länder, die bisher von ihrer Inflation lebten und in denen von daher nur teuer exportiert werden konnten, konnten nun preiswert beliefert werden.  Dank des festen Kurses.

Liest man die Internetpräsens der Alternative für Deutschland fällt auf, dass auf europäischer Ebene das nationale Budgetrecht hervorgehoben wird. Gerade hier aber ist der Krankheitskeim des Euro zu sehen: Keine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Der Abbau der EU-Bürokratie, der als Programmpunkt angedacht wird, ist zwar vom Grundsatz her lobenswert, aber auch populistisch. Denn Bürokratieabbau wäre nicht nur auf EU-Ebene angezeigt, auch auf nationaler Ebene. Wie der Abbau erfolgen soll, welche Kriterien für die Verwaltung gelten sollen, wird nicht mitgeteilt.

Letzteres gilt letztlich für alle weiteren Programmpunkte, von Energie bis Bildung. Lediglich bei der Einwanderung wird unter Bezugnahme auf das Kanada ein Hinweis angebracht, was angedacht wird.

Vielleicht ist es zu viel verlangt von einer gerade gegründeten Partei zu erwarten, dass ein ausgefeiltes Konzept vorliegt. Da aber diese Partei bei den Bundestagswahlen in diesem Jahr antreten will, hat sie sich auch zu erklären, wenn sie ernst genommen werden will. Populistische „Wie wollen“- Parolen sind nicht geeignet, programmatische und inhaltliche Aussagen zu ersetzen.

Der Schwerpunkt der Aussage  - raus aus dem Euro -  ist sicherlich in einer Zeit, in der die Regierungen und „staatstragenden“  Parteien (seien sie an der Regierung oder in der Opposition) mehr einen Schlingerkurs zu fahren scheinen, eine dankbar aufgenommene Forderung. Denn niemand sieht derzeit ein klares Konzept bei der Bewältigung der Probleme. Verschärft wird dies noch durch Gedankenspiele auf höchster politischer Ebene, die auf eine direkte finanzielle Bürgerbeteiligung bei der Krisenbewältigung abzielen (vgl. Zypern,  der von der Bundesregierung und SPD / Grünen nicht zurückgewiesenen EU-Überlegung der Beteiligung der Kunden von Banken bei Notlage derselben). Alleine diese Forderung ist aber für sich nicht alternativ zur Krisenbewältigung zu sehen, solange es an einem wirtschaftlich durchdachten Fundament ohne Euro fehlt.

Die Alternative für Deutschland ist mithin keine echte Alternative, da sie nicht aufzeigt, was sie wie verwirklichen will. Vom Regen in die Traufe (Redensart aus dem 17. Jh.) wäre nicht alternativ im positiven Sinne, sondern ein Auswechseln eines unhaltbaren Zustandes.  Ähnlich den Piraten stellt ssie sich (bisher) nur als reine Protestwahlpartei dar.

Montag, 8. April 2013

Das Dilemma der Strafverfolgung und seine negative Wirkung


0.       Verfahren können von der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt werden. Dies dann, wenn die Schuld des Täters gering ist und ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht vorliegt. Häufig wird diese Einstellungsvariante aus Praktikabilitätsgründen gewählt, nur um die Arbeitsbelastung der Staatsanwaltschaft und der Gerichte zu schonen. Ein Verhalten, welches nicht dazu geeignet ist, Vertrauen in den Rechtsstaat zu fassen und auch nicht dazu geeignet ist, die rechtsstaatliche Ordnung zu sichern. 

1.       Was soll der redliche Bürger davon halten, dass er  - aufgehalten durch lange Schlangen an der Kasse beim Einkauf -  erbarmungslos ein „Knöllchen“ an seinem Fahrzeug vorfindet,  und niemand, weder der Ordnungshüter, noch das Ordnungsamt oder auch, lässt er es darauf ankommen, das Gericht bereit ist, die „Augen noch einmal zuzudrücken“ und das Verfahren einzustellen. Er muss zahlen.  Dies in Kenntnis des Umstandes, dass schwere Verstöße nicht geahndet werden. 

2.       Ein Anzeigenverlag hatte eine Anzeige eines Inserenten, entgegengenommen und veröffentlicht. Dieser zahlte dann nicht. Es handelte sich um eine juristische Person in Form der GmbH. Eine Klage konnte gegen die Gesellschaft nicht mehr durchgeführt werden, da sie zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht. Wurde. Grund war, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse abgewiesen wurde. In dem Insolvenzgutachten wurde aufgezeigt, dass bereits zum Zeitpunkt der Auftragserteilung Insolvenzreife bestand. Der Verlag erstattete nunmehr gegen den Geschäftsführer der GmbH, der selbst den Auftrag für die GmbH erteilt hatte, Strafanzeige wegen Eingehungsbetruges. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (StA Darmstadt 700 Js 10927/13). 

3.       Es ist hier dem Verlag nicht zu vermitteln, weshalb es zur Einstellung kam. Die Rechtsnorm wird zwar als solche verstanden, nicht aber, dass trotz des eindeutigen Verstoßes gegen Strafrechtsnormen (hier: § 263 StGB, im übrigen Insolvenzverschleppung) das Verfahren nicht betrieben wird. Letztlich fühlt sich der Verlag zu Recht getäuscht, da er bei Auftragserteilung von einer (zumindest zu diesem Zeitpunkt) solventen Gesellschaft ausgehen durfte. Ist es hinnehmbar, dass jedenfalls mit bedingten Vorsatz (davon ausgehend, dass Zahlung nicht geleistet werden könnte und dies billigend in Kauf nehmend) Dritte geschädigt werden ?  Und: Ist nicht jedenfalls dann, wenn wie vorliegend dies bei dem Täter auch kein Einzelfall war, ein öffentliches Interesse anzunehmen ? Liegt nicht letztlich das öffentliche Interesse schon darin, dass unter Nutzung einer betragsmäßig haftungsbeschränkten Gesellschaft trotz Überschuldung und (kumulativ) Zahlungsunfähigkeit weiterhin Aufträge erteilt werden, in Kauf nehmend, dass diese nicht bezahlt werden können ? Im Strafrecht ist häufig die Rede von der generalpräventiven Wirkung (Abschreckung).    Wie aber kann diese angenommen werden, besteht doch selbst bei Betrugs- und Insolvenzstraftaten die nicht nur vage Möglichkeit einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO. Ein solches Verhalten der Strafverfolgungsbehörden kann wohl weniger als Abschreckung denn als Aufforderung zur Straftat verstanden werden.  

4.       Und wie fühlt sich in dieser Situation der oben genannte Parksünder, der mit allen Mitteln des Rechtsstaates zur Rechenschaft gezogen wird ? Liegt ein öffentliches Interesse im Hinblick auf den Verkehrsraum oder nur deshalb vor, da es sich um Einnahmen der öffentlichen Hand handelt, die so evtl. bei dem Straftäter nicht zu erreichen wären ?

Mittwoch, 20. März 2013

Die Lust am Widerspruch im Falle des Frankfurter Flughafens

oder:Weshalb bekämpfe ich heute, was ich morgen will  ?
 
 
Mal ehrlich: Wollten Sie nicht auch schon einmal etwas, was sie  - nachdem Sie es erreicht hatten -  keinesfalls mehr wollten, ja sogar eine Umkehrung herbei sehnten ? Dies scheint ein allgemeines Verlangen zu sein, welches fatale Folgen insbesondere im politischen Bereich hat. Aus einem „Ami - go home !“ wurden Proteste gegen den Rückzug der amerikanischen Soldaten aus bestimmten (gar strukturarmen) Gebieten. Und was wird aus einem Ruf nach einem (Nacht-) Flugverbot, nach einer Einschränkung der Starts und Landungen auf Frankfurt/Main ? Es kann als sicher vorhergesagt werden, dass im Falle einer Verwirklichung sich dagegen die Proteste ebenfalls richten.

Einige werden sich noch erinnern. Der Ruf „Ami – go home !“, bzw. leicht abgewandelt „Yankee – go home!“ war ein in europäischen und östlichen Ländern verbreitetes Schlagwort, welches zunächst in 1950 von den Kommunistischen Parteien [1], in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von der sogen. Außerparlamentarischen Opposition als Reaktion auf den Vietnam-Krieg [2] und auch noch in der Zeit der Friedensbewegung in den 70er Jahren aktuell blieb [3]. Ziel war der Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus (West-) Deutschland. Der dann tatsächlich eingeleitete Truppenabbau [4] stieß dann aber nicht auf den zu erwartenden Jubel. War das „Ami – go home !“ ohne Gegenoffensive geblieben, wurde der Ruf zum Verbleiben in Deutschland immer lauter, um näher der Tag des Abzugs kam und umso mehr Streitkräfte abgezogen wurden. Plötzlich wurde den Regionen die Wirtschaftskraft von Standorten bewusst, klar, dass mit den Soldaten die jeweilige Region lebte und verdiente. Truppenabzug bedeutet auch Stellenabbau in Deutschland. Nicht nur betroffen ist deutsches Personal bei den stationierten ausländischen Truppen, betroffen sind auch die jedenfalls regionalen Wirtschaftsbetriebe, die im Hinblick auf den Umsatzrückgang Personal abbauen müssen. Und dieser Zustand des Abkommens vom Ruf „Ami – go home !“ hält bis heute an[5].

Was aber für ausländische Truppen gilt, gilt letztlich auch für die eigenen deutschen Streitkräfte. Wurde die Wiedereinführung einer Wehrmacht  in Deutschland 1955 stark kritisiert, insbesondere aus dem linken Lager, wurde auch die langsame Auflösung derselben und damit das Schließen von Standorten jeweils mit Enttäuschung und Protesten versehen [6] .

Es ist wohl die Ironie des Schicksals, dass sich alles wiederholen muss, wenn auch auf verschiedenen Ebenen bzw. in verschiedenen Bereichen. Thema ist der Frankfurter Flughafen. Seit der Eröffnung der neuen Landebahn anhaltende Proteste. Diese haben in einem Gerichtsverfahren zu einem teilweisen Sieg der Ausbaugegner im Hinblick auf ein Nachtflugverbot geführt. Aber die Ausbaugegner, die sich lautstark immer wieder melden, wollen mehr. Letztlich eine Einstellung des Flugbetriebs. Und selbst wenn es nur die Reduzierung des Flugverkehrs im wesentlichen Umfang sein sollte, würde dies auch ein Aus für den Flughafen Frankfurt bedeuten. Die Ausbaugegner sind teilweise Mitläufer aus Deutschland, immer dabei und bei Protesten zur Stelle. Teilweise vom Fluglärm betroffene Bürger, die im wesentlichen in Kenntnis des Flughafens und der Ausweitung sowie Lärmentwicklung in den  betroffenen Bereichen bauten. Und es sind Kommunen (sprich ihre organschaftlichen politischen Vertreter) der Region, die den Wahleffekt einer Gegnerschaft sehen.

Sicherlich: Sachliche Argumente gegen den Flugbetrieb sind Lärmentwicklung und Schadstoffausstoß. Dies nun zunächst unabhängig davon, dass die meisten Betroffenen in den Problemzonen bauten oder dort hinzogen,  als die Entwicklung und Problematik bereits bekannt war. Aber dafür  waren auch die Preise dort für die Region insgesamt noch relativ niedrig.

Auf der anderen Seite ist die erhebliche wirtschaftliche Kraft des Flughafens zu berücksichtigen. Dies kommt ebenso wenig bei der Diskussion um den Flugbetrieb zum Ausdruck wie der Umstand, dass die meisten Betroffenen in Kenntnis der Umstände und im Hinblick auf die dortigen Preise hingezogen sind.

Das Frachtaufkommen auf dem Flugplatz hat von 3.652 t in 1950 auf über 2 Mio. t in 2012 zugenommen, das Fluggastaufkommen von 195.330 auf über 57.000 [7]. Das hat natürlich Einfluss auf den Stellenmarkt, handelt es sich doch bei dem Flughafen Frankfurt auch um ein sogen. Internationales Drehkreuz [8]. Über 71.000 Personen sind direkt am und im Flughafen tätig [9]. Damit ist der Flughafen ein Jobmotor in der Region [10].  Zu diesen Arbeitsplätzen direkt am Flughafen kommen Arbeitsplätze im Umfeld, bei Zulieferern, Speditionen pp.

Zwar wird kritisiert, der Flughafen würde nicht die zugesagten Beschäftigungszahlen bringen [11]. Aber die Betrachtung muss umgekehrt angestellt werden, da die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht nur illusionäre Zukunftsmusik ist, sondern die Arbeitsplätze real bestehen. Mit der Einschränkung des Flugbetriebes sind diese Arbeitsplätze in Gefahr. Denn die Einschränkung des Flugbetriebes ist gleichbedeutend mit weniger Umschlag, weniger Passagieraufkommen. Dies bedingt, dass weniger Mitarbeiter benötigt werden, die Infrastruktur nicht mehr ausgelastet ist…

Also wieder das Katergefühl nach einer durchzechten Nacht: „Ami – go home !“ war als politisches Spektakel einer nicht die Folgen bedenkenden Bewegung wahr geworden und weckte nun Katergefühle. Nicht mewhr „Ami – go home !“ war gewünscht, sondern „Ami  - stand by me“.  Und der Flughafen Frankfurt ? Wird wahr was mit der Protestbewegung gewollt ist, ist auch hier im Ergebnis Katerstimmung angesagt. Dabei muss sich die Region bewusst sein, dass der Flughafen nicht nur selbst eine Arbeitsmaschine ist, sondern die Anziehungskraft des nahen Flughafens hier auch die zentrale Stellung der Stadt und der Region fördert.  All dies soll aufgegeben werden ?

Der Flughafen bietet betroffenen Eigentümern den Kauf deren Häuser an . Das wird meistens abgelehnt. Man erhofft sich höhere Preise für den Fall, dass der Flughafen einen provinzialen Charakter erhält. Richtig ist dann sicherlich, dass Lärm- und Emissionen nachlassen würden. Aber der Wert der Grundstücke würde nicht steigen sondern fallen, da die Region nicht mehr gefragt ist, in anderen Regionen eine Arbeit gesucht werden muss.

Ich wohne und arbeite in Frankfurt. Auch wenn ich nicht direkt in dem stark betroffenen Bereich der Flugschneisen wohne, sind doch die Flugzeuge deutlich zu hören. Aber ich wohne hier, da ich hier arbeite. Und auf Grund der Bevölkerung und angesiedelten Betriebe kann ich hier arbeiten. Indirekt bin damit auch ich vom einer „Jobmaschine“ Flughafen mit abhängig. Warum sollte ich also den Ast absägen, auf dem ich sitze ?