1. Staatsphilosophien gibt es ihrer viele. Je nach Zeit wird der
Versuch unternommen, das bestehende Staatsgebilde zu rechtfertigen oder neue zu
entwerfen. Teilweise gepaart mit merkantilen Gedankengängen. Doch der Pragmatismus
steht über der Philosophie. Bestärkt die Philosophie den Pragmatiker, nimmt er
sich gerne dessen an.
Platon (aus Wikipedia) |
Der philosophische
Kraftakt ist die Entwicklung eines Wertesystems, an der er denn sein
Staatschema aufbaut. Das Wertesystem als Grundlage der Überlegung eines
Staatssystems. Damit aber sind die Wertesysteme absolute Systeme, Grundanker
der borgestellten staatlichen Verfassung. Wird das Wertesystem verändert, wird
ein wesentliches Element der Vorstellung geändert und berührt damit die darauf
basierende Verfassung. Derjenige, der die Veränderung vornimmt, mag
pragmatische Gesichtspunkte benennen können, die die Veränderung notwendig
machen. Doch alleine diese Gesichtspunkte haben auf das Resultat Einfluss.
Moleküle können ohne Beeinträchtigung des Ergebnisses nicht beliebig verändert
werden; jede Veränderung eines Moleküls einer Gesamtheit hat Auswirkungen auf
den Gesamtzustand. Dabei ist der Umfang des Eingriffs beliebig. Die Vorgabe,
man wolle so nur das Ergebnis bestärken, rechtfertigt den Eingriff nicht. Denn
nicht das Ergebnis wird bestärkt, sondern gerade eine neues willentlich
erzeugt. Wir durch Veränderung der Molekularbasis eine Gegenstand verhärtet und
resistent gegen bestimmte Einflüsse gemacht, entspricht dieser nicht mehr dem
vorherigen Gegenstand, da dieser gerade nicht resistent war. Auch wenn
äußerlich der Eindruck der Gleichheit erweckt wird, ist es nicht der Fall.
Damit ist aber auch in Frage zu stellen, ob mit der Veränderung der Grundlagen
trotz oberflächlich betrachteter Gleichheit eine solche besteht.
Anders als bei
naturwissenschaftlichen Prozessen ist der philosophische Staatsaufbau auf seine
Kernaussagen zurückzuführen und lebt von diesen. Er ist auf diese
zurückzuführen. Eine Veränderung dort führt also immer zur Veränderung des
Ergebnisses.
2. Die
Herrschaft des Volkes eines Staates über diesen ist ein komplexes Werk. Es
vereinigt notgedrungen die Vermengung verschiedenartiger Interessen,
Denkweisen, Vorstellungen und auch Handlungsweisen. Anders als in einer
autoritären Staatsform, bei dem eine bestimmte Person oder (schon schwieriger)
Personengruppe die Entscheidungsgewalt haben soll, wird sie hier abgegeben
an die Bewohner des Staates selbst.
Gemeinhin wird diese Form der Herrschaft als Demokratie bezeichnet. Auch hier
gibt es bereits verschiedene Grundsysteme, die (mehr oder weniger deutlich)
ausgelebt werden. Zum einen z.B. die parlamentarische Demokratie (so in
Deutschland, bei der die Bewohner die Parlamente wählen, die ihrerseits die
Regierungen wählen und über Gesetze beschließen), zum anderen z.B. Mischsysteme
wie in der Schweiz (wo vieles qua Volksabstimmung bestätigt werden muss).
Hegel (aus Wikipedia) |
2.1. Es ist
vorliegend nicht der Raum, sich hier mit der Effizienz und Praktikabilität der
Systeme näher auseinanderzusetzen und zu untersuchen, ob und inwieweit sie dem
jeweiligen Grundgedanken der Demokratisierung entsprechen. Ein wesentlicher
Bestandteil dieser Systeme ist jedenfalls die Entscheidungsbefugnis der
Bevölkerung. Diese geht in einem System lediglich dahin zu bestimmen, wer von
verschiedenen Gruppierungen nach der Mehrheitsmeinung in einem überschaubaren
Zeitraum von regelmäßig vier oder fünf Jahren die Entscheidungsbefugnis über
die Geschicke der Bevölkerung haben soll, im anderen (zusätzlich) darum, welche
Maßnahme getroffen werden soll. Beides setzt Wissen voraus.
Wissen ist
subjektiv wie auch objektiv zu
definieren. Subjektiv ist dabei der Wille, sich Erkenntnisse zu verschaffen,
die es einem ermöglichen, eine Entscheidung zu treffen. Erkenntnis ist dabei
nicht eine rein subjektive, bar jeder objektiver Befunde aufkommende Meinung.
Es verlangt eine Auseinandersetzung. Das Befassen mit der Thematik. Die
Erkundung dessen, was alles Grundlage für eine Entscheidung ist und wie sie
(und von wem sie) verwirklicht wird. Nur
wer dieses Wissen hat, kann tatsächlich, wenn auch sicherlich geprägt von
seinen eigenen Interessen, eine Entscheidung treffen. Wissen ist hier nicht die
Kenntnis von Parolen oder Antiparolen; es setzt Kenntnis über die tatschlichen
Umstände und - bei Wahl von Parlamenten
– Kenntnis von dem voraus, was die einzelnen Gruppen wollen. Die Demokratie als
Ausdruck des Willens der Mehrheit der Bevölkerung kann von ihrem gedanklichen
Ursprung her nur leben, wenn auch aktive Demokratie in Form der
Kenntniserlangung zur Willensbildung betrieben wird.
2.2. Ist
dies im Hinblick auf die Komplexibilität schon schwierig, wird es aber zudem
noch weiter erschwert, letztlich unmöglich gemacht.
Kant (aus Wikipedia) |
Die
Täuschungshandlung kann nicht mit der Angabe beseitigt werden, es hätte eine
Kompromiss im Rahmen einer Koalition mit einer anderen Gruppe gefunden werden
müssen. Schon vor der Wahl wäre es möglich gewesen sich auf diese Möglichkeit
einzustellen und mithin mitzuteilen, welche programmierten Ziele man bereit sei
zu streichen oder in gewisser Art und Weise zu revidieren.
Schwieriger mag dies
bei den sogen. Tagesthemen sein. Es müsste sich dabei um Ereignisse handeln,
die so nicht vorhersehbar waren. Politische und wirtschaftliche Umstände, mit denen
faktisch die regierende Gruppe förmlich überrascht wurde. Bedenkt man, dass von
Wirtschaftsunternehmen verlangt wird, auch für außergewöhnliche Ereignisse (wie z.B. Ausfall der gesamten Belegschaft)
Vorsorge bilanziell (wenn auch nicht in der Steuerbilanz) darzustellen, wäre
auch hier sicherlich eine Möglichkeit gegeben, für außergewöhnliche Ereignisse
eine mögliche Änderung der programmatischen Daten darzustellen. Das erfolgt
aber nicht.
2.2.2. Noch
problematischer ist aber die allgemeine Kenntniserlangung. Unabhängig von
programmatischen Aussagen der Gruppen ist die Kenntnis der tatsächlichen
Umstände. Dies setzt nicht nur eine Beschäftigung der staatstragenden
Bevölkerung mit diesen voraus, sondern auch deren Kenntnis. Kenntnis ist das
Wissen um alle Faktoren, die für die Bestimmung eines Ergebnisses von Relevanz
sind. Viele Informationen werden aber nicht erteilt, oder zumindest nicht offen
erteilt. Informationen werden verschlüsselt oder gar nicht erst weitergegeben,
oder auch falsch weitergegeben. Ob nun wirtschaftliche Daten, die ob der Art
statistischer Ermittlung bzw. Behandlung unverständlich sind oder sogar ein
falsche Bild tatsächlicher Umstände abgeben (man denke an die Angaben über die
Inflation, die dank eines nicht den Lebensumständen der breiten
Bevölkerungsmasse angepassten Warenkorbes nicht der gefühlten (realen)
Inflation entspricht, an Arbeitslosenstatistiken, die bereinigt sind um
Sonderprogramme für Arbeitssuchende pp., oder aber (teilweise offiziell mit
Staatsschutzgründen begründete) Nicht-Mitteilungen über politische Vorgänge
betroffen sind, ebenso Negierungen von Umständen bis zum Beweis des
Gegenteils - immer handelt es sich um Faktoren, die für die
notwendige Meinungsbildung und Entscheidungsfindung (mit) entscheidend sind.
Erfolgt aber eine
bereinigte Information der staatstragenden Bevölkerung kann diese ihre Funktion
in dem Modell Demokratie nicht - schon
gar nicht verantwortungsvoll - wahrnehmen. Weitergehend ist sogar ob derartiger
geschönter Information fraglich, ob die gewählten Vertreter der Gruppen, die
letztlich die staatstragende Bevölkerung repräsentieren sollen, in der Lage
sind, Entscheidungen verantwortungsbewusst zu treffen, unabhängig davon, dass
ihre Entscheidung ohne Legitimation der staatstragenden Bevölkerung - die wegen fehlender Information ihre Rolle
nicht wahrnehmen kann - erfolgt.
Sieht man von einer
Verschleierung durch Auswahl von Datenmaterialien ab, was sich nicht mit
staatstragenden Gründen rechtfertigen lässt, bliebe allenfalls zu prüfen, ob
eine Staatssicherheit der Information entgegengesetzt werden kann. Hier bedarf
es der Abwägung der Rechtsgüter. Unabhängig davon, dass nicht unbedingt die
Staatssicherheit als solche tangiert sein muss, wenn aus diesem Grund
Informationen vorenthalten werden, sondern auch ein gefestigter Machtapparat
geschützt werden kann / soll, lässt sich die Geheimhaltung ohnehin im Hinblick
auf die strukturelle Anlegung des Systems nicht rechtfertigen. Staatssicherheit
ist gleichermaßen ein Phänomen, über welches derjenige informiert werden muss,
der als erster berufen ist, über die
staatlichen Geschicke zu entscheiden. Ist aber als Souverän nicht ein mit
absoluter Machtbefugnis ausgestatteter Herrscher entsprechend dem monarchischen
Gedanken vorgesehen, sondern die Bevölkerung selbst, dann muss sie auch direkt
informiert werden. Die Gefahr der Verbreitung von Informationen, deren öffentliche
Kenntnis selbst eine Gefährdung erst herbeiführen kann, die dann nicht mehr
beherrschbar oder abwehrbar sein könnte, ist als systemimmanent hinzunehmen.
Wollte man dies abweichend beurteilen um den Souverän zu schützen, würde
letztlich ein Dritter (nämlich der Informationsträger) an Stelle des Souverän auch Entscheidungen
treffen. Dies entwurzelt die
systembezogenen Grundlagen und lässt nur noch ein Fragment bestehen, welches
auch deshalb bereits fragwürdig ist, da der eigentliche Souverän nicht einmal
sicher sein kann, dass die vorenthaltene Information tatsächlich die Sicherheit
des Staates als solchen und nicht nur die Sicherheit der freien Handlung
derjenigen betrifft, die an sich nur Werkzeug bzw. Vollzugsorgan der Willensentscheidung der staatstragenden
Bevölkerung sein sollen.
Nationalversammlung in der Paulskirche 1848 (aus: Wikipedia) |
3. Das
Modell der Selbstbestimmung der Bevölkerung im Rahmen einer parlamentarischen
oder auch direkten Demokratie ist gescheitert, wenn es zum einen von denen, die hier zur Mitbestimmung
berufen sind, nicht genutzt wird, zum anderen, wenn es mangels umfassender und
korrekter Informationen nicht genutzt werden kann.
Der Weg zur Demokratisierung
ist mithin noch lange nicht vorbei, sondern befindet sich in seinen Anfängen.
Solange eine Regierung und der ihr unterstellte Beamtenapparat als auch ein
Parlament meint, Entscheidungen treffen zu können, die nicht dem
Informationsstand des Souverän entsprechen, ist der Souverän nur Beiwerk und
nicht tragend im System. Dies gilt um so mehr dann, wenn die Entscheidungen auf
Kontrollen des Souverän gerichtet sind, da diese Kontrollen wiederum einen
Machtapparat stärken, der so dem Prinzip der Selbstbestimmung der Bevölkerung
widerspricht.
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