Mittwoch, 21. Januar 2015

Kirche und Gedanken-/Redefreiheit (am Beispiel des Bistums Münster)

Nur eine kleine Presseerklärung des Bistums Münster vom 20.01.2015 lässt die Frage nach der geistigen Freiheit  in Verbindung mit Religion aufkommen:

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Presseerklärung auf der Homepage des Bistums Münster
Bischof Genn entzieht
Pfarrer Spätling die Predigtbefugnis
Herr Pfarrer Paul Spätling, Emmerich, hat am 19. Januar 2015 an der Pegida-Demonstration in Duisburg teilgenommen.
Auf der Bühne hat er sich kritisch über das Ausschalten der Lichter am Kölner Dom bei der jüngsten Pegida-Demonstration dort geäußert.
Zudem ist er auf das Verhältnis von Christentum und Islam in der europäischen Geschichte eingegangen und hat die Bundeskanzlerin wegen ihrer Aussage kritisiert, der Islam gehöre zu Deutschland.
Wir weisen die Aussagen von Herrn Pfarrer Spätling entschieden zurück. Wir distanzieren uns mit Nachdruck von seinem völlig verzerrten Bild von Geschichte und Gegenwart. Herr Pfarrer Spätling bedient mit seinen Äußerungen undifferenzierte Klischees gegenüber dem Islam. Er schürt mit seinen Aussagen eine Feindlichkeit gegen „den Islam“, die wir für gefährlich erachten. Mit solchen Äußerungen – für die Herr Pfarrer Spätling, indem er äußerlich sichtbar als katholischer Priester auftritt, auch noch seine Autorität als Pfarrer und Priester missbraucht – legt er die Grundlagen für rechte Ideologien, für Fremdenfeindlichkeit und für ein Gegeneinander der Religionen, die in der katholischen Kirche keinen Platz haben. 
Die christliche Botschaft ist keine der Ausgrenzung, des Hasses und der Gewalt, sondern eine der Liebe und der Menschenfreundlichkeit. Wir sind dankbar dafür, wie viele Menschen in diesen Tagen auf die Straßen gehen und genau in diesem Sinne ein Zeichen setzen – darunter sind auch ganz viele Christinnen und Christen. Uns droht in Deutschland ganz sicher keine Islamisierung. Als Christen steht es uns gut an, den Menschen, die Zuflucht bei uns suchen, zu helfen und für sie da zu sein. Das geschieht auf ganz vielfältige Art und Weise. Zudem sind wir auf unterschiedliche Weise und auf vielen Ebenen mit muslimischen Vertretern im Gespräch und werden dies auch bleiben.
Der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, hat Herrn Pfarrer Spätling, der im Bistum Münster ohnehin schon nahezu keine priesterlichen Dienste mehr wahrnimmt, am 20. Januar 2015 mitgeteilt, dass er solche Reden wie die gestrige nicht „dulden kann und will“. In Bezug auf Canon 764 des Kirchenrechtes hat Bischof Genn Herrn Pfarrer Spätling heute die Predigtbefugnis entzogen und ihm damit verboten, innerhalb und außerhalb von Kirchen öffentlich im Namen der Kirche zu sprechen.
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle@bistum-muenster.de


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Es soll hier die Presseerklärung nicht im Hinblick auf ihren konkreten Inhalt und deren Berechtigung abgehandelt werden, nicht unter dem Blickwinkel moralischer Vorstellungen und auch nicht unter dem Blickwinkel, ob ein derartiges Vorgehen mit der sogen. christlichen Nächstenliebe, die dort benannt ist, selbst vereinbar ist. Es geht darum, dass sich ein Pfarrer auf einer Kundgebung einer Gruppe geäußert hat, die von der Kirche (zumindest offiziell) abgelehnt wird. Und dieses Verhalten des Pfarrers wird mit einem Predigtverbot sanktioniert. Damit aber verdeutlicht die Kirche, dass jedenfalls ihre Amtsträger sich nicht frei äußern dürfen, sondern dem kirchlichen Diktat unterstehen.

Nicht ersichtlich und ausgeführt wird, dass die Äußerungen des Pfarrers kirchliche Lehrsätze bezweifeln würden. Sicherlich, wenn der Berufsträger die Doktrinen seines Arbeitgebers öffentlich in Zweifel ziehen würde, ließe sich an eine Sanktion denken, wäre diese (vielleicht) jedenfalls nachvollziehbar. Das aber war hier offenbar nicht der Fall. Nur da der Pfarrer den Satz der Bundeskanzlerin „Der Islam gehört zu Deutschland“ kritisierte und auf das Verhältnis zwischen Christentum und Islam in der europäischen Geschichte einging, wurde das Predigtverbot und damit verhangen.

Damit aber hat das Bistum eine Intoleranz geübt, die liberalen Grundsätzen und der Freiheit des Individuums ebenso entgegensteht, wie auch der von dem Bistum selbst benannten christlichen Botschaft.

Die europäische Geschichte ist nicht geprägt von Nächstenliebe zwischen Islam und Christentum. Deutlich wird dies an den zwei Türkenkriegen und der Belagerung Wiens 1529 und 1683. Und es lässt sich auch nicht erkennen, welcher Hintergrund für die Annahme sprechen sollte, der Islam gehöre zu Deutschland. Schon die kulturelle Grundeinstellung, geprägt durch eine frühzeitige (wenn auch teilweise gewaltsame [vgl. die Sachsenkriege Karl d.Gr.) Christianisierung, macht den kulturellen Unterschied deutlich, ebenso und noch deutlicher der Umstand, dass durch die Aufklärung in Europa und die damit einhergehende Säkularisierung sowie der Anerkennung der Gleichberechtigung der Geschlechter. Es gibt gerade keine grundlegende kulturelle Gemeinsamkeit zwischen dem Islam und der hiesigen westlichen Kultur, weshalb es für die gegenteilige Aussage schon einer Begründung bedürfte, sollte es nicht lediglich ein leeres Pamphlet der Rhetorik sein.

Da aber auch die katholische Kirche, deren Grundsätze doch wohl vom Bistum Münster vertreten werden, die christliche Anschauung im Sinne des Neuen Testaments vertreten dürfte (sollte ?), liegt schon insoweit auch eine kirchliche Abgrenzung vom Islam vor. Mohammed war kein Jünger Jesus und wird auch von der katholischen (wie auch evangelischen) Kirche nicht als ein Prophet anerkannt.
Damit aber hätte der Pfarrer nach der Presseerklärung des Bistums Wahrheiten verbreitet, die dem christlich-katholischen Glauben entsprechen. Wurde er also abgestraft dafür, dass er diesen vertritt ? Oder wurde er dafür abgestraft, dass er diesen im Rahmen einer Veranstaltung vertritt, von der sich das Bistum aus politischen Gründen distanzieren will ? Immerhin erfolgt die Begründung mit dem Argument, die christliche Botschaft kenne keine Ausgrenzung, Hass oder Gewalt. Nun soll nicht unbedingt an die teilweise gewaltsame Christianisierung erinnert werden, auch nicht daran, dass vor noch nicht allzu langer Zeit sogar von der christlichen Kirche Kriegswaffen gesegnet wurden. Auch der christlichen Kirche soll unterstellt werden, dass sie sich in Ansehung der Aussagen im Neuen Testament (welches im Islam nicht anerkannt ist) diese Kirche zwischenzeitlich eines Besseren besonnen hat. Doch wird nicht gerade eine Ausgrenzung vorgenommen, wenn der Pfarrer, der sachlich (so die Presseerklärung) nichts fehlerhaftes erklärt hätte, sanktioniert wird ?


Gedanken- und in der Folge Redefreiheit sind grundlegende Elemente der freiheitlichen Ordnung. Diese aber ist die (katholische) Kirche, jedenfalls nach der Veröffentlichung der Presseerklärung des Bistums Münster, nicht bereit zu gewähren. Die Doktrin (jedenfalls im Bistum Münster) lautet, es darf nur das erklärt werden und auch nur dort erklärt werden, was und wo es der Kirche genehm ist. Der individuelle Wille, das individuelle auch geistige Entfalten wird untersagt. Der Berufsträger der Kirche wird degradiert zum willfährigen, meinungslosen Träger fremder Gedanken. Er ist nicht mehr Individuum sondern letztlich nur Werkzeug. 

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