Da mehren sich die Rufe nach
einer Änderung des Grundgesetzes mit dem Ziel, die Macht des
Bundesverfassungsgerichts einzudämmen. Es wird von politischen Entscheidungen
gesprochen, von einer juristisch ummäntelten politischen Einflussnahme und einer
Verachtung einiger Richter für Politik.
Nichts neues. Schon Friedrich der
Große haderte mit den Juristen. Unterlag er doch vor dem Reichskammergericht
einem Müller, dem er – im wahrsten Sinne des Wortes – das Wasser abschneiden
wollte. Friedrich zog die Konsequenzen und ließ das ALR (Allgemeine Preußische
Landrecht) niederschreiben. Damit wollte er mögliche Auslegungen durch ein
Gericht verhindern, da dieses Gesetz stets alles definierte.
Es ist für den jeweils Unterlegenen
eines Rechtsstreits häufig nicht einsichtig, weshalb er unterlag. Dies
insbesondere dann, wenn das Obsiegen oder Unterliegen nicht lediglich an Fakten
geknüpft ist, sondern an einer juristischen Bewertung, der Interpretation von
Normen. So ist es auch im Verfassungsrecht. Die dortigen abstrakten Normen
müssen mit Leben gefüllt werden. Alleine ein Gesetzesvorbehalt in einer Norm
rechtfertigt nicht, diese quasi auszuhöhlen; der Kernbereich ist festzustellen
und daran gemessen eine Abwägung vorzunehmen.
Damit aber muss das
Verfassungsrecht notgedrungen in die politische Kompetenz des Gesetzgebers
eingreifen, da anders die Kontrolle nicht wirksam ausgeübt werden kann. Über
die Art und Weise der Ausübung der Kontrolle durch das Verfassungsgericht
ärgern sich aber letztlich nicht nur die Politiker. Man denke an die
Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht zwar die
Verfassungswidrigkeit von Normen feststellt, aber hier nicht die Norm sofort
aufhebt, sondern dem Gesetzgeber eine (meist längere) Frist gewährt,
nachzubessern (auf die Rechtsprechung zur Vermögensteuer wird beispielsweise
verwiesen). Es verwundert schon, dass selbst verfassungswidrige Gesetze nicht
mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden, sondern teilweise noch längere Zeit
angewandt werden dürfen, weshalb sich insoweit schon die Frage aufdrängt, ob
nicht eine derartige Entscheidung selbst verfassungswidrig ist.
Ärgert sich hier aber der
machtlose Bürger über solche Entscheidungen des Verfassungsgerichts, setzt der
Kern des Angriffs durch die Parlamentarier bereits vorher an. Diese kritisieren
letztlich bereits die Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Kontrolle.
Benannt werden z.B. das Wahlrecht (das Kippen der 5%-Hürde) [1] und die
Entscheidung zum Kopftuchverbot für Lehrkräfte [2]. Zuzugeben ist hier sicherlich,
dass die Entscheidungen zu politisch brisanten Themen ergingen und dass man
hier politisch verschiedener Ansicht sein kann. Zuzugeben ist auch, dass die
Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht notwendig rechtlich als
überzeugend angesehen werden müssen(wie auch Minderheitsvoten von beteiligten
Verfassungsrichtern bezeugen [2]).
Aber nun die Autonomie des
Bundesverfassungsgerichts in Frage zu stellen und diesem Beschränkungen
aufzuerlegen, zeugt von einem fehlenden Rechtsstaatsverständnis. Wenn die
Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts eingedämmt wird, bedeutet dies auch,
dass die gesetzgeberische Kompetenz ohne jegliche verfassungsrechtliche Prüfung
bliebe. Das aber würde die Verfassung (hier das Grundgesetz) letztlich zu einer
lesenswerten, aber unbedeutenden Bettlektüre degradieren. Ihre notwendige
Beachtung durch den Gesetzgeber wäre nicht mehr gegeben.
Dass das Verfassungsgericht
letztlich mittels seiner Urteile auch Politik macht, liegt auf der Hand und
lässt sich nicht vermeiden. Einen faden Beigeschmack hat dies allenfalls im
Hinblick auf die Berufung von Verfassungsrichtern. Immer wieder gibt es ein
politisches Gerangel, ist ein Parteienproporz einzuhalten und werden Vorschläge
zu Personen gemacht, die regelmäßig aus einer Partei kommen, dort sich eventuell
auch bereits verdient gemacht haben und denen mit diesem „Job“ ein Dankeschön
gesagt werden soll. Die politische Prägung ist also systemimmanent, wird auch
von diesen Parlamentariern, die nun die Kompetenz des Gerichts einschränken
wollen, gerne gesehen. Der „eigene Mann“ (oder die „eigene Frau“) soll mithin
im Gremium die Interessen der sie benennenden Partei vertreten.
Nicht die Kompetenz des Gerichts
ist einzuschränken, sondern die Berufung von Verfassungsrichtern auf ein
parteiunabhängiges, wertneutrales Modell umzustellen. Die Einschränkung der
Rechte des Gerichts im Hinblick auf gesetzgeberische Aktionen würde nicht dem
(Verfassungs-) Recht förderlich sein, sondern zu dessen Aushöhlung führen.
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