Da wird
darüber berichtet, dass in Indien ständig Frauen vergewaltigt werden. Es geht
ein Raunen der Entrüstung durch den Blätterwald der Social Media. Es wird ein
konkreter Fall benannt, bei dem der Vergewaltiger einiger Frauen mit einer
Bewährungsstrafe davonkommt: Keine Reaktion.
Da wird über
den (Bürger-) Krieg in Syrien berichtet und die damit verbundenen Greultaten.
Wieder ein Aufschrei auf Social Media. Es wird vor der Gefahr eines Krieges in,
um und wegen der Ukraine gewarnt. Stille.
Da greift
Israel Palästinenser an und wird in den Social Media verurteilt. Es werden jugendliche
Israelis von Palästinensern entführt und hingerichtet; ein Schweigen der
Gemeinde in Social Media.
Da wird über
das Flüchtlingselend berichtet und ihre unzureichende Unterbringung in
Deutschland; ein Günter Grass fordert unter zustimmenden Gemurmel auf Social
Media die Unterbringung in privaten Haushalten. Realität: Selbst ein Günter
Grass hat niemanden aufgenommen.
Die Liste
könnte bedenkenlos fortgesetzt werden. Lauthals die Kritik, eine oft rein
verunglimpfende, jede Sachlichkeit verlierende Kritik. Aber geht es um einen
konkreten Einzelfall, gar das eigene persönliche Engagement, verstummt alles.
Niemand meldet sich mehr. Ein Like gegen Vergewaltigung von Frauen in Indien;
keine Reaktion bei der Bewährungsstrafe für einen Serienvergewaltiger. Ein Like
für die Forderung der Aufnahme von Asylanten in privaten Haushalten; aber
keiner tut etwas (will dies persönlich). Ein Like gegen Greultaten im Krieg in
Syrien, aber keine Ablehnung von Drohgebärden und Aufheizung des (militärischen)
Klimas in Bezug auf die Ukraine. Israel wird verurteilt, Attentate auf Israel
ignoriert.
Social Media
als Welt der Scheinheiligen ? Als die Welt der Entrüster wird man das Medium
wohl kaum ansehen können. Zwar entrüsten sich die Teilnehmer, aber nur selektiv
und zudem ohne entsprechendes Engagement. Ich gebe zu: Bei mir wohnt auch kein
Asylant und ich habe auch nicht vor, jemanden aufzunehmen. Aber ich käme auch nicht
auf die Idee, entsprechend einem beifallhaschenden Günter Grass derartiges (von
anderen) zu fordern. Ich frage mich, wie man mit Asylanten, mit dem immensen
Strom von Asylanten umgehen soll. Asyl bedeutet die Schaffung eines
Zufluchtsortes vor Verfolgung. Aber es geht nicht nur um Asyl, Asylanten, es
geht um die weitverbreitete Mentalität Doktrinen aufzubauen und andere zu diffamieren. Wer der Doktrin
nicht folgt ist schlicht rechts, wobei rechts stets für Nazi steht. Das hat
schon beinahe komische Züge, als derjenige, der Verständnis für Russland bzw.
die Politik von Putin äußert, ebenso der rechten Szene zugeordnet wird, wie
derjenige, der Mitglied der NPD ist. Ebenso, dass derjenige, der Verständnis
für die Juden in Israel aufbringt, als rechts gebrandmarkt wird wie jener, der die
Judenverfolgung rechtfertigen oder negieren will (oder gilt etwa Letzerer jetzt
nicht mehr als rechts ?).
Verfolgt man
die Beiträge auf Social Media fällt auf, dass hier nur dem Mainstream gefolgt
wird. Anpassung ist gefragt, nicht Individualität, nicht Gedanken- und
Redefreiheit. Jeder, der sich diesem Mainstream verschließt, der (sich wagt)
eigene Gedanken/Ansichten zu äußern, die dem nicht entsprechen, ist ausgestoßen.
Und da es häufig an Argumenten fehlt, ist er eben rechts. Längst sollte klar
sein, dass Mainstream im wesentlichen geprägt wird durch die Presse. Sie ist
nicht auf sachliche Berichterstattung und Übermittlung von Nachrichten in
sachlicher (d.h. unkommentierter) Form ausgerichtet, sondern auf subtile
Übermittlung bestimmter Nachrichten. Wer sich der Mühe unterzieht, z.B. auch
ausländische (wie z.B. schweizerische) Medien zu lesen, wird feststellen, dass
dort Nachrichten erfolgen, die hier nicht benannt werden. Aber nicht nur die
Selektion der Nachrichten ist zu erwähnen, sondern auch die Art der
(kommentierenden) Aufbereitung. Ein mündiger Bürger benötigt Fakten, nicht eine
(kommentierende) Selektion daraus. Ist aber der unmündige Bürger gefragt, reicht
letztlich der Hinweis, was der Bürger zu denken und zu vertreten hat. Und genau
dem entspricht die im Internet anzutreffende verbreitete Auffassung zu
verschiedenen Themenbereichen. Vergewaltigungen nein, aber die Bewährungsstrafe
für den Mehrfachvergewaltiger kann nicht angegriffen werden, da die
Resozialisierung im Blickfeld steht (nicht der Schutz der Opfer und potentiell
künftigen Opfer), ungeachtet dessen, das das Opfer nur kurz im Spektrum ist,
danach vergessen wird und sein Leben lang unter dem Eindruck des Erlittenen
psychische Probleme hat.
Es ist - mit Verlaub deutlich formuliert –
Verlogenheit, die hier auf Social Media von jenen verbreitet wird, die dem
Andersdenkenden meinen mit einer Parole „rechts“ die vermeintliche
Unrichtigkeit seiner Auffassung klarmachen zu können. Kann es rechts sein, wenn
man gegen Krieg ist und auf die mögliche Kriegsgefahr betreffend der Ukraine
hinzuweisen ? Schlimmer noch wird es in Bezug auf Pegida getrieben: Wer dort liked
soll identifiziert werden (im Internet ist ein entsprechender Link zur Suche
nach „Freunden“ auf facebook eingestellt, die geliked haben). Die Süddeutsche
Zeitung hat korrekt bereits darauf hingewiesen, dass ein like nicht
gleichbedeutend ist mit Akzeptanz, da es auch der Nachverfolgung dient. Wenn
die Macher des Links nicht völlig unerfahren sind, wollen sie also auch die
Information verhindern und verstießen damit willentlich gegen das Grundrecht
auf Informationsvielfalt. Aber selbst wenn das liken als Akzeptanz aufgefasst
würde, wäre es lediglich Ausdruck der persönlichen Befindlichkeit und damit der
eigenen Meinungsfreiheit. Diese würde wiederum entgegen dem
verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 5 GG mit dem Link versucht auszuhebeln.
Ist nun rechts derjenige, der von seinem Recht nach Art. 5 GG Gebrauch macht,
oder derjenige, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mittel dies zu verhindern
sucht ?
Das Internet
und die Social Media wurden und werden häufig als eine Scheinwelt bezeichnet.
Dem kann wohl nicht zugestimmt werden. Gerade die Social Media sind ein
Instrument für die Meinungsvielfalt und damit Ausdruck einer pluralistisch
ausgerichteten Gesellschaft. Wird dies aber missbraucht, um einer bestimmten
Ansicht die (absolute) Vorherrschaft zu sichern, indem „Abweichler“
diskriminiert werden, wird die positive Funktion umgekehrt. Das Internet,
insbesondere die Social Media verkommen zu einer lediglich die Mainstream
wiederspiegelnden, der Meinungsvielfalt entgegenstehen Sphäre.
Eine
Diskussion zeichnet sich durch Rede und Widerrede aus. Die
Diskussionsteilnehmer argumentieren dabei, und beschränken sich nicht auf Plattitüde
wie rechts oder links (wenn dies ob der Unbestimmtheit dieser Termini überhaupt
ein Argument ein sollte). Bekannt für Diskussionsführung sind geschichtlich die
alten Griechen; die Diskussion unter Darlegung von Sachargumenten soll den
jeweils anderen überzeugen. Diese Art der Diskussionsführung ist mit der in
Social Media verbreiteten Art der reinen Diffamierung nicht zu vergleichen.
Und die
Argumentation der Mainstream ist auch scheinheilig. Denn wohl keiner der
Befürworter der Mainstream kann davon überzeugt sein. Es werden (Günter Grass)
keine Asylanten in der eigenen Wohnung aufgenommen; keine Frau will vergewaltigt werden und ihr
Leben lang psychisch (und alleingelassen) darunter leiden, während die
Gesellschaft unbehelflich versucht (häufig ohne Erfolg und mit neuen Taten
verbunden) den Täter (kostenträchtig) zu resozialisieren; niemand will in einen
Krieg ziehen oder in sonstiger Weise daran beteiligt sein (es sei denn, e wählt
es aus und meldet sich z.B. bei der IS als Kämpfer). Wieso also wird in Social
Media derart viel Wert auf Mainstream gelegt, statt - bei entsprechender Überzeugung – den Diskurs
zu suchen ?
Es ist
scheinheilig, mit dem Mainstream eine bessere Welt vorstellen zu wollen. Die
Widersprüchlichkeit ist zu groß. Die Teilnehmer am Social Media sollten doch
lieber wieder auf die Grundlagen der pluralistischen Gesellschaft zurückkehren
und auch Argumente der jeweiligen Gegenseite würdigen. Sie müssen dem nicht
zustimmen, aber sie müssen sie anhören (lesen) und eventuell dagegen sachlich
argumentieren. Hier haben die Nutzer des Internets noch viel zu lernen,
insbesondere über demokratische Grundprinzipien.
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