Sonntag, 5. August 2012

Montis Dämon

Demokratie setzt sich aus den griechischen Wörtern dĕmos für Volk und kratia für Herrschaft zusammen. Monti  scheint dies wohl anders zu übersetzen und nimmt statt dĕmos Demon (aus dem englischen für Dämon) und denkt dabei wohl an ein übernatürliches Wesen im Sinne von Hoblits Film „Trau keiner Seele“. Anders jedenfalls lässt sich sein Wunsch, die Regierungen unabhängiger von den nationalen Parlamenten zu machen (Focus-online vom 5.8.2012) nicht erklären.

Demokratie hat bei uns  - aber auch in Italien -  Verfassungsrang. Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, Art. 20 Abs. 2 GG. Es entscheidet  in freien Wahlen, hier zum Bundestag. Der Bundestag ist die Legislative, auf deren Grundlage die Bundesregierung als Exekutive ihre Tätigkeit ausrichten muss.
An diesem System der parlamentarischen Demokratie, welches auch für Italien gilt, will Monti rütteln. Dies angeblich um den Euro und damit Europa zu retten. Plumper lässt sich der (weitere) Rückzug demokratischer Grundsätze nicht begründen. Ist der demokratische Parlamentarismus ohnehin schon durch Normgebungen der EU jedenfalls angekratzt, insoweit der Bundestag (und alle Parlamente der EU) letztlich nur noch die Gebote der EU abnicken dürfen und müssen, ohne selbst Einfluss nehmen zu können, soll nunmehr nach der Vorstellung von Monti ein Teilbereich der gerade jüngst vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigten Entscheidungsbefugnis des Parlaments diesem zugunsten einer eigenständigen Handlung durch eine Regierung entzogen werden.
Art. 23 GG regelt die Mitwirkung der BRD bei der Entwicklung der Europäischen Union. Die Entwicklung muss nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG „demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität“  entsprechen und zudem dem Grundrechtsschutz der deutschen Verfassung entsprechen. Gerade dieser Grundrechtsschutz und das politische System werden aber mit der Vorstellung von Monti ad absurdum geführt.
Es mag, gerade für hilfsbedürftige Länder wie jenes des Ministerpräsidenten Montis Italien, erschwerend sein, dass nicht die Regierungen alleine unter Ausschluss der Volksvertreter (Parlament) entscheiden können, wächst doch zunehmend nicht nur in Deutschland als Hauptgeber der Hilfsaktionen der Widerstand gegen ein Erhalten „koste es was es wolle“. Eine Europäische Union, die unter Aufgabe grundlegender demokratischer Prinzipien gekittet wird, wird weder eine notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung haben noch für sich das Prädikat Demokratie in Anspruch nehmen können.
Es mehren sich gerade auch in Ansehung der Schieflage bei der Europäischen Union die Stimmen, die für Urabstimmungen plädieren, also für eine direkte Demokratie.  Eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes würde sicherlich ein Mehr an Demokratie bedeuten, keinen von Monti angedachten Demokratieabbau. Unbeschadet eines Für und Wider der Urabstimmung durch die Wähler gilt aber auch in Bezug auf Montis Überlegung: Wehret den Anfängen. Es wurden schon viele Kompetenzen auf die Europäische Union verlagert, die dort einem demokratischen Prozess nicht mehr unterliegen. Wenn nunmehr unabhängig davon weitere Kompetenzen der Legislative an  die Exekutive übertragen werden, muss man sich die Frage stellen, wann ein solcher Trend enden soll. Weshalb nur in Bezug auf Entscheidungen über den Euro, über Europa ? Ausnahmegesetze, mit denen in die demokratische Grundordnung eingegriffen wird, sollten ein Tabuthema sein. Politiker, die sich dafür einsetzen, verlassen die demokratische Grundordnung. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
Die europäische Idee ist vom Grundsatz her positiv. Sie bedeutet aber nicht, dass sie mit allen Mitteln durchgesetzt werden muss. Es ist ein Prozess, der sich entwickelt. Und für diesen Prozess ist das Volk mit einzubeziehen. Dass mit der Einführung des Euro ohne Sicherstellung einer europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik ein Fehler gemacht wurde, liegt heute auf der Hand. Der Dämon ist hier nicht im dĕmos zu suchen, sondern in einer eklatanten Fehlentscheidung der Politik. Dies lässt sich nicht dadurch korrigieren, dass das Volk ausgeklammert, die qua Verfassung vorgesehenen Entscheidungsgremien in ihren Rechten beschnitten werden. Ein Raus aus dem Euro, sogar ein Ende der EU wäre allemal besser als die Aufgabe der demokratischen Prinzipien der Gewaltenteilung. Wenn es Monti tatsächlich nur um den Euro, um Europa gehen würde, müsste er dies auch selbst erkennen. Ein vernünftiger Aufbau der EU mit demokratischer Grundordnung, wie sie auch in Art. 23 GG angesprochen ist, lässt sich verwirklichen, wenn auch derzeit  nicht mit allen jetzigen Mitgliedsstaaten.

[Ralf Niehus]

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