Demokratie hat bei uns -
aber auch in Italien - Verfassungsrang.
Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, Art. 20 Abs. 2 GG. Es entscheidet in freien Wahlen, hier zum Bundestag. Der
Bundestag ist die Legislative, auf deren Grundlage die Bundesregierung als
Exekutive ihre Tätigkeit ausrichten muss.
An diesem System der parlamentarischen Demokratie, welches auch
für Italien gilt, will Monti rütteln. Dies angeblich um den Euro und damit
Europa zu retten. Plumper lässt sich der (weitere) Rückzug demokratischer
Grundsätze nicht begründen. Ist der demokratische Parlamentarismus ohnehin
schon durch Normgebungen der EU jedenfalls angekratzt, insoweit der Bundestag
(und alle Parlamente der EU) letztlich nur noch die Gebote der EU abnicken
dürfen und müssen, ohne selbst Einfluss nehmen zu können, soll nunmehr nach der
Vorstellung von Monti ein Teilbereich der gerade jüngst vom
Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigten Entscheidungsbefugnis des
Parlaments diesem zugunsten einer eigenständigen Handlung durch eine Regierung
entzogen werden.
Art. 23 GG regelt die Mitwirkung der BRD bei der Entwicklung der
Europäischen Union. Die Entwicklung muss nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG „demokratischen,
rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der
Subsidiarität“ entsprechen und zudem dem
Grundrechtsschutz der deutschen Verfassung entsprechen. Gerade dieser
Grundrechtsschutz und das politische System werden aber mit der Vorstellung von
Monti ad absurdum geführt.
Es mag, gerade für hilfsbedürftige Länder wie jenes des
Ministerpräsidenten Montis Italien, erschwerend sein, dass nicht die
Regierungen alleine unter Ausschluss der Volksvertreter (Parlament) entscheiden
können, wächst doch zunehmend nicht nur in Deutschland als Hauptgeber der
Hilfsaktionen der Widerstand gegen ein Erhalten „koste es was es wolle“. Eine
Europäische Union, die unter Aufgabe grundlegender demokratischer Prinzipien
gekittet wird, wird weder eine notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung haben
noch für sich das Prädikat Demokratie in Anspruch nehmen können.
Es mehren sich gerade auch in Ansehung der Schieflage bei der
Europäischen Union die Stimmen, die für Urabstimmungen plädieren, also für eine
direkte Demokratie. Eine entsprechende Änderung
des Grundgesetzes würde sicherlich ein Mehr an Demokratie bedeuten, keinen von
Monti angedachten Demokratieabbau. Unbeschadet eines Für und Wider der Urabstimmung
durch die Wähler gilt aber auch in Bezug auf Montis Überlegung: Wehret den
Anfängen. Es wurden schon viele Kompetenzen auf die Europäische Union
verlagert, die dort einem demokratischen Prozess nicht mehr unterliegen. Wenn
nunmehr unabhängig davon weitere Kompetenzen der Legislative an die Exekutive übertragen werden, muss man
sich die Frage stellen, wann ein solcher Trend enden soll. Weshalb nur in Bezug
auf Entscheidungen über den Euro, über Europa ? Ausnahmegesetze, mit denen in
die demokratische Grundordnung eingegriffen wird, sollten ein Tabuthema sein.
Politiker, die sich dafür einsetzen, verlassen die demokratische Grundordnung.
Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
Die europäische Idee ist vom Grundsatz her positiv. Sie bedeutet
aber nicht, dass sie mit allen Mitteln durchgesetzt werden muss. Es ist ein
Prozess, der sich entwickelt. Und für diesen Prozess ist das Volk mit
einzubeziehen. Dass mit der Einführung des Euro ohne Sicherstellung einer europäischen
Finanz- und Wirtschaftspolitik ein Fehler gemacht wurde, liegt heute auf der
Hand. Der Dämon ist hier nicht im dĕmos zu suchen, sondern in einer eklatanten
Fehlentscheidung der Politik. Dies lässt sich nicht dadurch korrigieren, dass
das Volk ausgeklammert, die qua Verfassung vorgesehenen Entscheidungsgremien in
ihren Rechten beschnitten werden. Ein Raus aus dem Euro, sogar ein Ende der EU
wäre allemal besser als die Aufgabe der demokratischen Prinzipien der
Gewaltenteilung. Wenn es Monti tatsächlich nur um den Euro, um Europa gehen
würde, müsste er dies auch selbst erkennen. Ein vernünftiger Aufbau der EU mit
demokratischer Grundordnung, wie sie auch in Art. 23 GG angesprochen ist, lässt
sich verwirklichen, wenn auch derzeit nicht mit allen jetzigen Mitgliedsstaaten.
[Ralf Niehus]
[Ralf Niehus]
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