Nach Spiegel-Online vom
2.6.2012 soll der Insolvenzverwalter, RA Geiwitz, (auch) der FDP die Schuld
daran gegeben haben, dass es zum Endgültigen Aus für die Drogeriemarktkette
kam. Er verweist dabei auf deren Nein für eine sogenannte Transfergesellschaft.
Es soll hier auf sich
beruhen, ob dies von dem Insolvenzverwalter ernst gemeint war. Denn was soll
die Transfergesellschaft leisten ? Statt dass Kündigungen ausgesprochen werden,
die zur Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter führen (und damit die Zuständigkeit
der Arbeitsagenturen begründen, die aus Geldern der Arbeitnehmer und
Arbeitgeber gespeist werden), sollten diese geschont werden und die Mitarbeiter
auf ein Jahr in eine Transfergesellschaft überführt werden, deren Kosten der
Steuerzahler (und damit wiederum Arbeitnehmer und Arbeitgeber) übernehmen
sollten; käme es innerhalb des Jahres nicht zur Vermittlung, wären die
Schlecker-Mitarbeiter doch arbeitslos und würde die Zuständigkeit der Arbeitsagenturen
begründet.
Es ist schon deshalb
nicht ersichtlich, weshalb hier ein Nein zur Transfergesellschaft das
endgültige Aus für die Drogeriemarktkette gefördert haben sollte. Immerhin wurden doch
rund 50% der Ladengeschäfte geschlossen, Mitarbeiter entlassen. Und gleichwohl
blieb es bei monatlichen Verlusten, wie sich aus der weiteren Angabe des
Insolvenzverwalters ergibt, die Familie Schlecker sei nicht bereit oder in der
Lage gewesen, eine Verlustfinanzierung für Juni von 7 bis 9 Mio. Euro zu
übernehmen. Diese Situation hätte sich doch durch die Transfergesellschaft
nicht geändert.
Dass der
Insolvenzverwalter es nicht erreicht hat, das Unternehmen zu sanieren resp.
einen Übernehmer zu finden, ist sicherlich bedauerlich. Aber man muss wohl in
einer Marktwirtschaft hinnehmen, das Missmanagement nicht von Dritten
übernommen wird. Und der Drogeriemarkt ist reichlich bestückt, weshalb die (ehemalige)
Konkurrenz von Schlecker zur (geplanten, wirtschaftlich vernünftigen) Expansion
sich nicht mit entsprechenden Altlasten beladen muss. Dass eine Sanierung nicht
glückte, der Insolvenzverwalter selbst nach Spiegel-Online auch von einer
Überforderung des Managements sprach, ist vielsagend.
Das Aus für Schlecker
ist das Resultat von Missmanagement. Das Unternehmen wurde auf Schulden
aufgebaut. Die Schulden waren der Grund für die Expansion. Mit neuen Ladengeschäften
konnten neue Schulden aufgenommen werden. Die Expansion von Schlecker war nicht
wirtschaftlich auf „gesunden Füßen“ aufgestellt, sondern Folge einer
betriebswirtschaftlich nicht durchdachten Firmenführung. Die Verantwortlichkeit
trifft das Management.
Die
Verantwortlichkeit trifft nicht die Politik. Zwar mögen arbeitsrechtliche,
sozialrechtliche und steuerrechtliche Aspekte mit verantwortlich gewesen sein
(die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen von Schlecker konnten in der
Presse immer wieder nachgelesen werden); doch es handelt sich hier um Umstände,
die bekannt waren und bei der Führung des Unternehmens hätten berücksichtigt
werden können und müssen. Es handelt sich nicht um plötzliche Eingriffe des Gesetzgebers,
auf die der Unternehmer im Hinblick auf seine Planungen nicht mehr hätte
reagieren können. Es kann also hier jedenfalls auf sich beruhen, ob bei einer
anderen Gesetzgebung, insbes. einem anderen Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht
die Drogeriemarktkette Überlebenschancen gehabt hätte (was im konkreten Fall
sogar bezweifelt werden darf), da die tatsächlichen Umstände berücksichtigt
werden konnten.
Der Insolvenzverwalter
wirft auch der Politik - namentlich der
FDP - nicht vor, vor der Insolvenz durch
politische / gesetzgeberische Maßnahmen diese gefördert zu haben, sondern nach
der Insolvenz nicht tätig geworden zu sein. Damit aber verkennt der
Insolvenzverwalter seine eigene Funktion. § 1 InsO lautet:
„Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines
Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners
verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende
Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen
Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen
Verbindlichkeiten zu befreien.“
Der Gesetzgeber hat
nicht vorgesehen, Unternehmen in der Krise, gar nach Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens, durch staatliche Hilfe (und damit mit Geldern des
Steuerzahlers) zu stützen und / oder mit Mitteln des Steuerzahlers eine
Insolvenz zu einem für alle Beteiligten zufriedenstellenden Abschluss zu
bringen (Schuldenbereinigung, Sicherung der Arbeitsplätze pp.). Dies würde auch
den marktwirtschaftlichen Prinzipien widersprechen. Ein Unternehmer, der in Harakiri-Art
versucht, seine Konkurrenz zu verdrängen, müsste ansonsten stets vom Staat und
damit vom Steuerzahler belohnt werden
- und wirtschaftlich an sich
gesunde Unternehmen, die wegen dessen Methoden notleidend werden, wohl
ebenfalls. Damit aber wäre der Staat letztlich für das Überleben aller
Unternehmen verantwortlich.
Die Wirtschaft muss
sich selbst regulieren. Für den betroffenen Arbeitnehmer ist der Gang in die
Arbeitslosigkeit qua Insolvenz seines Arbeitgebers schwer. Dies aber nicht nur
für Arbeitnehmer der Drogeriemarktkette Schlecker oder sonstigen „großen“
Arbeitgebern, sondern für auch für jene Arbeitnehmer, die vielleicht einziger
Arbeitnehmer eines insolventen Unternehmers sind. Weshalb also hier eine
Sonderlösung für die Mitarbeiter der Drogeriemarktkette suchen ? Sollten
Mitarbeiter von „großen“ Arbeitgebern Sonderrechte erhalten, dürfte keiner mehr
bei „kleinen“ tätig werden. Die verfassungswidrige Ungleichbehandlung wird
deutlich. Das Veto der FDP kam zur rechten Zeit. Es sei denn, man will einen
Verfassungsbruch.
Der Abgang der
Drogeriemarktkette Schlecker von der wirtschaftlichen Bühne ist also nicht der
Politik vorzuwerfen. Es ist ein wirtschaftliches Phänomen, dem fast jeder
Arbeitnehmer ausgeliefert ist. Fast: Beamte, Richter und Angestellte der öffentlichen
Verwaltung scheinen hiervon ausgenommen. Mangels Insolvenzfähigkeit bestimmter
Einrichtungen. Aber auch dies ist ein Phänomen, welches von der Struktur her
überdacht werden müsste, aber nichts daran ändert, dass in einer
Marktwirtschaft grundsätzlich jeder (Unternehmer) für sich selbst und sein
Unternehmen verantwortlich ist.
Dass bei der
Drogeriemarktkette Schlecker endgültig die Lichter ausgehen, auch Reste nicht
auf Dritte übergehen, liegt also nicht in der Verantwortlichkeit der Politik.
Und die Mitarbeiter ?
Managementfehler sind diesen sicherlich nicht vorzuhalten, soweit sich nicht zum
Management gehörten. Sie büßen tatsächlich für Fehler eines Dritten, ihres
Arbeitgebers. Hätte dieser die Fehler -
hier der Expansion - nicht begangen,
wären sie dort auch wohl überwiegend nie Mitarbeiter geworden, da keine
eingestellt worden wären. Aber auch die (verbliebenen) Mitarbeiter scheinen
kein Vertrauen in die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens zu haben, da
sie es nicht - quasi kostenfrei - aus der Insolvenz selbst übernommen haben. So
haben z.B. bei der Endlosdruckerei W. Vahle in Rietburg-Neuenkirchen dessen
Mitarbeiter das in Schieflage geratene Unternehmen übernommen (vgl.
Druck&Medien vom 8.2.2012). Auch das ist Marktwirtschaft. Insolvenz
bedeutet also nicht notwendig die Vernichtung der Arbeitsplätze. Sehen die
Mitarbeiter eine Zukunftsperspektive für das Unternehmen, könnten sie es selber
betreiben. Davon ist hier bei Schlecker nichts bekannt. Eine Sonderlösung für
die bei der Drogeriemarktkette betroffenen Mitarbeiter dahingehend, dass der
Staat zusätzlich - d.h. nicht nur im
Rahmen der Arbeitslosigkeit - eingreift,
ist nicht gerechtfertigt. Denn dies würde, wie oben dargelegt, eine unzulässige Bevorzugung darstellen und dem
Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes widersprechen, aber auch der
marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung.
Resümee: Der Schlussstrich
unter das Kapitel Schlecker ist wirtschaftlich als auch politisch gerechtfertigt.
Ein Eingreifen der Politik, in welcher Art auch immer, wäre wirtschaftlich
sinnlos und rechtlich verfehlt.
[Ralf Niehus]
[Ralf Niehus]
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