Mittwoch, 9. Mai 2012

Geht der Euro oder geht Griechenland aus dem Euro ?

                                                     Neubau der EZB in Frankfurter Ostend



Noch wird an dem EZB-Neubau im Frankfurter Ostend gebaut. Dieser Bau und die von der EZB zu hütende Währung Euro stehen in einem dialektischem Paradoxon. Da wird ein Neubau (dessen Notwendigkeit ohnehin nicht nachvollziehbar erklärt werden kann) in futuristischer, architektonisch und statisch aufwendiger und damit kostspieliger Weise errichtet,  in einer Leichtigkeit, als sei Geld keinerlei Problem, während auf der anderen Seite die Verantwortlichen hierfür, ihres Zeichens Währungshüter, Dritten eine drastische Sparbremse verordnen. Wie kann ein derartig aufwendiges Bauwerk gerechtfertigt werden, wenn der Bauherr anderen die Kosten- und Ausgabenbremse aufzwingt, die zu Auswirkungen auf die Lebensweise ganzer Nationen führt ? Das Bauwerk wird Kosten von über 1,4 Milliarden Euro verursachen, also rund 15% des Betrages, den Griechenland (Stand 2010) einsparen sollte.  

Aber auch ohne diese Dialektik, der sich wohl die Währungshüter nicht bewusst sind, stellt sich die Frage, ob bei Fertigstellung dieses ambitionierten Bauwerks noch eine Verwendung dafür besteht. Griechenland hat gewählt. Es hat „links“ gewählt und damit die Regierenden, die den Sparaufforderungen der Troika aus IWF, Europäischer Kommission und EZB (wenn auch widerwillig) folgten, abgestraft. Ob nun die Regierenden in Griechenland wegen Korruption, Misswirtschaft u.a. bei den Wahlen abgestraft wurden, mag  im Ergebnis auf sich beruhen. Die Hilfen waren von Bedingungen abhängig gemacht worden, die die nunmehrige Wahlsiegerin nicht anerkennen will. Sie hofft wohl darauf, dass die Troika in der Regel in der Vergangenheit Positionen aufgab, Hilfe auch gab, wenn Versprechungen nicht eingehalten wurden.

Aber es kann ernsthaft nicht davon ausgegangen werden, dass ein derartiges Wohlverhalten anhält. Auch in den anderen europäischen Staaten gibt es Wahlen, auch dort Bürger, die mit der Politik ihrer Regierungen unzufrieden sind und auch darüber unzufrieden sind, dass bei hoher Steuerbelastung und angekündigter bzw. zu erwartender weiterer Steuerbelastung Gelder in Staaten wie Griechenland fließen. Dabei möge der Geldfluss Namen und Bezeichnungen wie auch immer haben: Im Ernstfall ist Zahlung zu leisten, in den beabsichtigten Fiskalpakt ohnehin. D.h. Liquidität wird nicht nur blockiert, es wird Liquidität genommen, die auch in den einzelnen Staaten benötigt wird.

Sicherlich haben die Regierungen und die sie tragenden Parteien einen Spagat zu machen. Zum einen wollen sie den Euro retten, zum anderen aber auch Wahlen gewinnen. Der Spagat kann aber nur gelingen, wenn dem Wähler plausibel gemacht wird, dass die Rettung des Euro notwendig ist und insbesondere, dass für die Rettung des Euro diese Aufwendungen erforderlich sind. Aber schon an der Notwendigkeit einer Rettung scheiden sich die Geister. Dies unabhängig von vordergründigen politischen Diskussionen, die lediglich der Stimmungsmacht und eigenen Profilierung gelten. Sicherlich ist zu berücksichtigen, dass der Euro in der Vergangenheit Deutschland erhebliche Vorteile brachte, Vorteile, die bei seiner Einführung (insbesondere von den europäischen Nachbarländern) nicht erwartet wurden. Plötzlich ließen sich Waren in die Euro-Länder ohne jegliches Währungsrisiko verkaufen und  - da die Inflation in Deutschland im Gegensatz zu seinen Nachbarländern gering war -  aufgrund einer Preisstabilität letztlich immer günstiger im Verhältnis zu heimischen Produkten der Empfängerstatten. Mit einem Wiederaufleben nationaler Währungen anstelle der Einheitswährung wäre dieser Vorteil vorbei. Allerdings kann der Vorteil nicht bedeuten, dass nunmehr Deutschland für seine geübte Sparsamkeit, bei der es sich wiederum von seinen Nachbarländern unterschied, faktisch die Reservezahlungen in europäische Haushalte vornimmt und damit Drittstaaten finanziert. Denn dies muss zwangsläufig zu erheblichen Steuererhöhungen in Deutschland führen und damit im Ergebnis seine Wettbewerbsfähigkeit tangieren. Das Szenario würde bedeuten, dass selbst (noch) relativ starke Staaten mit in den dann letztlich unaufhaltsamen Strudel des wirtschaftlichen Staatsruins gezogen würden.

Damit würde eine weitere Hilfeleistung für Griechenland, folgt es nicht den Sparvorstellungen der Troika, nicht zu vertreten sein. Die SPD verzögert bereits  - wohl vornehmlich aus wahltaktischen Gründen -  den europäischen Fiskalpakt. Dabei ist ihre Haltung sogar verständlich, wenn sie das förderale System Deutschlands hervorhebt, welches dadurch tangiert würde. Es wäre auch wirtschaftlich verständlich, hat sich doch Großbritannien quasi ausgeklingt; zwar gehört das Königreich nicht der Euro-Währungszone an, ist aber doch darauf wegen der auch von ihm in Anspruch genommenen billigen Gelder der EZB angewiesen, ohne die es selbst wirtschaftlich ins Strudeln geriete. Auch wird man mit Interesse beobachten, ob Frankreich nach dem Wahlsieg Hollandes hier weiter mitwirkt.

Der Euro ohne Griechenland. Das wäre die wohl notwendige Folge, wenn Hilfeleistungen eingestellt werden. Aber nur ohne Griechenland ? Würde die entsprechende Reaktion der Troika sich dergestalt auf die weiteren „Wackelkandidaten“ (namentlich Italien, Spanien und Portugal) auswirken, dass diese ihre Sparbemühungen und damit Bemühungen um eine Konsolidierung (verstärkt) fortsetzen ? Diese Annahme von Finanzpolitikern dürfte wohl eher eine vage Hoffnung sein denn Realität. Die Realität schreiben Wahlen. Und bei Wahlen wird jede Regierung mit schlechten Einträgen in ihrer Bilanz ins Rennen gehen, die ihrer Bevölkerung einen rigorosen Sparkurs aufzwingt. Die Wahlen in Frankreich und Griechenland sind dafür ein beredtes Beispiel, mögen auch andere Faktoren jeweils noch hinzu kommen.

Warum also diese Bemühungen um Griechenland, wenn Griechenland selbst nicht mitwirkt ? Die Europäische Union ist ebenso wenig wie die Euro-Zone ein Mildtätigkeitsverein, dessen generöser Selbstzweck die Hilfe notleidender Mitglieder ist, unabhängig von einem eigenen (Staats-) Verschulden und unabhängig davon, ob die Krise auch mit eigenen Mitteln mittel- oder langfristig bereinigt werden könnte. Damit aber stellt sich nicht die Frage nach der weiteren Existenzberechtigung der EU bzw. des Euro. Es wird lediglich zunächst deutlich, dass  - im übertragenen Sinne -  das Pferd von hinten aufgezäumt wurde. Keine Währung (außer dem Euro) existiert, bei dem die Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht zentral geführt wird. Indem in der Europäischen Union jeder Staat seine eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik als ureigenste Dömäne betrachtet und behandelt, eine EU-einheitliche Bewältigung nicht erfolgt, ist auch der Einfluss der Währungspolitik (durch die Zentralbank, hier EZB) gering, kann sie letztlich ihrer Zielsetzung nicht gerecht werden. Sie hat nach den Verträgen die Aufgabe, eine Preisniveaustabilität zu erreichen. Durch die unterschiedliche Wirtschafts- und Finanzpolitik in den einzelnen Staaten der Währungsunion wären aber hier unterschiedliche Ansätze geboten, was zentral nicht möglich ist. Es kann nicht zeitgleich Geldverknappung (durch hohe Zinsen) und dessen Gegenteil (durch niedrige Zinsen) das Ziel in allen Staaten erreicht werden.

Die derzeitige Krise verlangt wirtschaftliche und politische Vernunft. Das aber bedeutet, dass der Euro und letztlich auch die Europäische Union (die in einem atemberaubenden Tempo immer weitere Staaten aufgenommen hat, deren wirtschaftliche Kraft von vornherein nicht mit anderen vorhandenen Staaten mithalten konnte) in ihrer jetzigen Konstellation verändert und neu ausgerichtet werden müssen. Es kann nur von einem Kern von Staaten ausgegangen werden, die bereit sind, sich  wirtschafts- und finanzpolitisch zusammen zu tun du auf dieser Basis eine eigene Währung gemeinsam haben. Der Ausschluss von Staaten wie Griechenland würde dem entgegenkommen, wenn konsequent andere Staaten, die den Vorgaben nicht entsprechen, auch ausgeschlossen würden. Vielleicht kann dann ein Rest an Staaten dort ansetzen, wo zu Beginn hätte angesetzt werden müssen:  bei der gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Vielleicht braucht man dann noch ein Gebäude für eine EZB.

[Ralf Niehus]

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