Es gibt Themenbereiche, denen sich ein Verfasser nur sehr vorsichtig
nähert. Denn die Behandlung führt schnell ins Abseits. Klarer ausgedrückt: Meinungsfreiheit wird
geduldet, aber nur in eine Richtung. Interessant ist dabei der Umstand, dass
diejenigen, die hier den öffentlichen Meinungsraum mit ihrer Verurteilung „Andersdenkender“
besetzen, nach Umfragen nicht repräsentativ sind. Es sei hier beispielsweise an Thilo Sarrazin
erinnert, seine Darlegungen zu Einwanderungen und seine öffentliche Kritik an
der Einwanderungspolitik.
Als Stichwort sei „Salafisten“
benannt. Der Salafismus gilt als eine
ultrakonservative Strömung innerhalb des Islam.
Er ist auch in Deutschland verbreitet und wird mit Gewalttätigkeiten in
Zusammenhang gebracht (vgl. z.B. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/nordrhein-westfalen-erneut-ausschreitungen-bei-aktionen-von-salafisten-und-islam-gegnern/6595310.html).
Die Frage, die hier zu stellen ist, lautet, wie viel „Multikulti“ sich ein Staat erlauben kann und darf, und wann er sich
wehren muss. Und: wenn er sich wehren muss, wie er sich wehren kann.
Zu Zeiten des sogen. „Kalten
Krieges“ war alles noch in etwa klar
geordnet. Da gab es die verschiedenen Sphären, die wechselseitig zu
berücksichtigen waren und auf deren Achtung die Weltmächte USA, UdSSR und auch
China achteten. Mit dem Zerfall der UdSSR, der von Gorbatschow eingeleiteten
Perestroika, kam der Wandel zur Globalisierung. Die Grenzen öffneten sich,
nicht nur für den Warenaustausch, sondern auch für den persönlichen Austausch.
Multimediagesellschaft und Grenzöffnung schafften innerhalb kürzester Zeit ein
gesellschaftliches Phänomen einer Neugestaltung. Nicht nur traten neue
Konflikte weltweit auf, die nunmehr unabhängig von den früheren geographischen
Sphären global - und insbesondere für
die bisherige westliche Staatengemeinschaft -
eine Herausforderung darstellten; auch national kam (und kommt) es zu
einem Aufbruch.
Die Anzahl der Islamisten in Deutschland wird auf 1.8 Mio. (Stand
2008, http://de.wikipedia.org/wiki/Islam_in_Deutschland)
geschätzt, also rund 5% der hiesigen Bevölkerung. War ihr Ursprung früher
vornehmlich die Türkei, aus der sie als Gastarbeiter kamen, hat sich dies auf Länder wie z.B. Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Iran, Marokko,
Afghanistan,
Libanon,
Pakistan,
Syrien
und Tunesien
erstreckt. Von Migranten ist die Rede, von Integration.
Die multikulturelle Gesellschaft hat sicherlich ihren Charme. Gedacht
ist an ein friedliches Zusammenleben, unbeschadet nationaler, ethnischer oder
religiöser Herkunft. Gedacht ist aber nicht daran, bestimmte fanatische Ideen im
Rahmen multikultureller Öffnung zu akzeptieren, gar zu fördern. Hiergegen muss
sich eine Gesellschaft zur Wehr setzen. Ein System zu nutzen um es aus sich
selbst auszuhöhlen, daran lässt sich bei Vorgehensweisen von Salafisten u.a.
denken.
Die streitbare und wehrhafte Demokratie (BVerfGE 28, 36, 48) muss sich
im Selbsterhaltungswillen gegen jede Art der (gar gewalttätig unterstützen)
Versuche wehren, das vorhandene System zu verändern. Leider wird aber hier
nicht restriktiv vorgegangen. Dies führt zur Ausweitung gewalttätiger Aktionen
gegen das geltende System.
Im Staatsangehörigkeitsgesetz ist geregelt, wer unter welchen
Voraussetzungen Deutscher ist oder die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen
kann. Die Kriterien sind sehr lax, ihre Anwendung noch mehr. Schon hier wäre
nachzubessern. Weshalb in § 8 StAG nicht gefordert wird, dass der einbürgerungswillige
Ausländer (zumindest) auch die deutsche Sprache (in Schrift, wenigstens Wort)
beherrscht, ist unerfindlich. Die Voraussetzung wird zwar für den Fall des § 10
StAG aufgestellt, aber offenbar in der Praxis (wie man unschwer feststellen
kann) nicht weiter beachtet. Unverständlich ist auch, dass selbst im Falle von
§ 10 StAG, bei dem für den Einbürgerungswilligen deutsche Sprachkenntnisse
gefordert werden, dies nicht für seinen Ehegatten resp. seine Kinder gelten
soll, wenn diese sich ebenfalls (dem die Voraussetzungen des § 10 StAG
erfüllenden) Einbürgerungswilligen anschließen.
Diese Umstände eines nicht ausgereiften Einbürgerungsrechts mögen wohl
soziologisch Einfluss auf die Entwicklung haben, sollen hier aber nicht weiter
beleuchtet werden. Zu fragen ist vielmehr, welche Maßnahmen zur Unterbindung
von Ausschreitungen möglich sind, deren Ursache gerade auch in religiösen
und/oder ethnischen Ursachen zu suchen sind.
Auch hier hilft - an sich - das Einbürgungs- und Aufenthaltsrecht weiter.
Straftaten stehen der Einbürgerung entgegen, vgl. §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1
Nr. 5 StAG. Das AufenthG regelt die Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von
Ausländern, § 1 Abs. 1 AufenthG. Allerdings wird unter Verweis auf Art. 6 GG
bereits in § 27 AufenthG (Familiennachzug) eine Durchlöcherung allgemeiner
Voraussetzungen vorgenommen. Ebenso bedenklich ist die Vorrangstellung
EU-rechtlicher Bestimmungen (Gültigkeit von im EU-Ausland erstellter
Aufenthaltsgenehmigungen) , wie auch die Regelung über eine Daueraufenthaltserlaubnis
ohne Möglichkeit des Widerrufs und der Ausweisung im Falle einer rechtswidrigen
Tat, wie auch die fehlende Regelung im StAG über den Widerruf der Zuerkennung
der deutsche Staatsangehörigkeit im Falle einer rechtswidrigen Tat.
Zum Einen wäre es erforderlich, im Falle gewalttätiger
Auseinandersetzungen ohne weiteres diese strafrechtlich zu prüfen und - soweit bereits bzw. noch nach den gesetzlichen
Regelungen möglich - eine Ausweisung
vorzunehmen. Unverhältnismäßig ist hier die Regelung in § 53 AufenthG, wonach
eine Ausweisung zwingend nur geboten ist, wenn eine Verurteilung „von mindestens drei Jahren verurteilt worden
ist oder wegen vorsätzlicher Straftaten innerhalb von fünf Jahren zu mehreren
Freiheits- oder Jugendstrafen von zusammen mindestens drei Jahren rechtskräftig
verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung
Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist“, § 53 Nr. 1 AufenthG sowie in
ähnlichen Fällen (Landfriedensbruch pp.).
Derartiges hindert keine Gewalttaten, wie sie zwischenzeitlich zusehends
im Zusammenhang mit den Salafisten festzustellen sind, da dem
ausländerrechtlich kaum entgegengewirkt wird. § 54 AufenthG sieht bei
Freiheitsentzug von mindestens zwei Jahren nur noch eine Regelausweisung vor,
erlaubt also hier - unverständlich
- eine Abweichung.
Gewalt im Zusammenhang mit politisch-religiöser Motivation (wobei wohl
häufig Religiosität nicht vorgespiegelt wird) ist keine Seltenheit mehr. Es
wäre aber bei einer ordnungsgemäßen und die wehrhafte Demokratie bekräftigende
und unterstützende Gesetzgebung und Verwaltung möglich, diese einzudämmen. Dass
dies nicht konsequent umgesetzt wird, statt dessen von Integration/Migration
gesprochen wird, dürfe ein Problem der durch Angst begründeten
Handlungsunfähigkeit der Politik sein. Angst davor, von jenen Kräften öffentlich
diffamiert zu werden, gegen die sich letztlich die Maßnahmen richten würden:
Fanatiker, die sich das System für ihre Agitation nutzbar gemacht haben.
Vielleicht kommt aber doch noch rechtzeitig Einsicht bei den
demokratischen Parteien, um in einem gemeinsamen Konsens die notwendigen
Schritte zur Wahrung des Rechtsfriedens und damit auch der freiheitlichen
Grundordnung aufrechtzuerhalten, bevor dem Extremismus der einen der
Extremismus der anderen Seite entgegengesetzt wird.
[Ralf Niehus]
[Ralf Niehus]
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