Montag, 15. Mai 2017

Türkei und Deutschland - ein erbärmliches Trauerspiel deutscher Politik

Es gab Zeiten, da schien es ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und  der Türkei zu geben.  Dies aber ist lange her. So verbanden das osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich viele Jahre enge wirtschaftliche Beziehungen; 1914 kam es dann zur „Waffenbrüderschaft“ und nach dem Ende des Krieges zum Zerfall beider reiche.


Aber damit hat es an sich schon sein Bewenden. Auch mit dem Jahre 1961, als die ersten türkischen Gastarbeiter einreisten, führte dies nicht zu einem tief-freundschaftlichen Verhältnis. Der eine wollte in Deutschland befristet arbeiten, da er hier besser als im Heimatland Verdienste, der andere wollte sich die ausländischen (und auch türkischen) Arbeitskräfte in Ansehung eines beginnenden Arbeitskräftemangel (gerade in bestimmten Berufszweigen) nutzbar machen. Es war vom Grundsatz her eine auf Zeit angelegte Zweckgemeinschaft zwischen Deutschen und Türken. Nicht eingeplant war sicherlich, dass sich türkische Staatsangehörige letztlich dauerhaft in Deutschland niederlassen. Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei ziehen sich wie ein Kaugummi; mit verschiedensten Gründen wird (mehr hinter vorgehaltener Hand) argumentiert, weshalb die Türkei nicht (Voll-) Mitglied werden dürfe; seit de. 1.1.-1996 ist sie der europäischen Zollunion innerhalb der EU angeschlossen.

Nun wird in der Türkei das Regiment von einer Person geführt, dessen demokratische Gesinnung - formuliert man es vorsichtig -  erhebliche Zweifel aufkommen lässt und  dessen Menschenbild, auch in Bezug auf Frauen, geprägt ist von der islamischen Welt.  Nachdem er durch ein  von ihm initiiertes Referendum, über welches auch von Türken (auch Türken mit doppelter Staatsangehörigkeit) in den Ländern der EU abgestimmt werden durfte, die Mehrheit für sein angestrebtes präsidiales System unter weitgehender Ausschaltung parlamentarischer Kontrolle erreicht hat, wurde die Frage laut, weshalb zum Beispiel auch die Mehrheit der Türken in Deutschland für dieses demokratiefeindliches System stimmten. Und musste man sich da nicht die Augen reiben („wach ich oder träum ich“) wenn aus bestimmten politischen Zirkeln ernsthaft ertönte, Schuld sei die fehlende Integration der Türken in Deutschland, an der gearbeitet werden müsste.

Da leben viele dieser Türken bereits ihr ganzes Leben in Deutschland, haben sogar die doppelte Staatsangehörigkeit. Sie nutzen das deutsche Sozialsystem, beteiligen sich (so sie die doppelte Staatsangehörigkeit haben) an Wahlen hier und dort, pflegen ihre türkische Sprache, wohnen eng beieinander pp.  und kennen sich teilweise bei Sozialleistungen besser aus als mancher deutscher. Sie besuchen die öffentliche Schulen, wobei allerdings in Gegenden mit extrem hoher türkischer Bevölkerungsdichte die Schulen entsprechend hohe Quoten von türkischen Kindern aufweisen. Da viele der Türken, auch wenn sie bereits jahrelang in Deutschland wohnen, nicht die deutsche Sprache beherrschen, sind diese Schulen vor einem nicht lösbaren Problem: Sie müssen zunächst die deutsche Sprache vermitteln, weshalb der Unterricht nicht entsprechend dem Lehrplan fortschreiten kann und zur Benachteiligungen  auch der dortigen deutschen Schüler gegenüber Schülern an Schulen mit einem nicht so hohen Ausländeranteil führt.  

Es fehlt nicht an einer fehlenden Integration, sondern an einem fehlenden Integrationswillen der in Deutschland lebenden Türken. Wär ein Integrationswille vorhanden, würde auch die Sprache gelernt und beherrscht; bei denjenigen Türken, die tatsächlich integriert sind, lässt sich dies an ihren Deutschkenntnissen und ihre Sozialisation in der Umgebung auch ohne weiteres feststellen.

Aber was hat die Frage der Abstimmung für ein demokratiefeindliches Präsidialsystem in der Türkei mit einer Integration in Deutschland zu tun ? Viel. Denn mit einem Abstimmungsverhalten pro Präsidialsystem in der Türkei hat diese Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken klar zu erkennen gegeben, was sie von demokratischen Werten und einem Rechtsstaatssystem hält. Nicht eine fehlende Integration in Deutschland kann dies bewirken, da es zunächst keine Auswirkungen auf Deutschland hat: Ursächlich sind politische Werte und Grundeinstellungen, die nicht mit den mitteleuropäischen Werten gleichgestellt werden können. Es handelt sich um verschiedene Kulturzonen. Zwar gab es hier einmal tendenziell eine Annäherung. Nachdem in Westeuropa durch das Zeitalter der Aufklärung (beginnend mit 1700) der Einfluss der Kirche immer weiter zurückgedrängt wurde, hatte zwar Atatürk mit seinen Reformen 1923ff einen Anschluss versucht, ist dieser aber spätestens seit dem Auftreten von Erdogan auf der nationalen politischen Bühne in der Türkei vorbei. Und wie brüchig der versucht Atatürks war, Staat und Kirche zu trennen, zeigt der Umstand, wie schnell Erdogan alle zurückdrehen konnte, bis hin zur Wiedereinführung der (Voll-) Verschleierung pp. Dies ist jene soziale und politische Welt, in der auch in Deutschland lebende Türken nach wie vor beheimatet sind. Es fehlt der Wille, die westlichen Werte zu übernehmen und damit folgerichtig der Wille und die Möglichkeit der Integration. Wer die Staatsräson über das Prinzip Demokratie, die Unterwerfung der Frau unter das Prinzip der Gleichberechtigung stellt, ist nicht bereit, sich integrieren zu lassen.

Wird also das Abstimmungsverhalten der in Deutschland lebenden Türken auf eine fehlende Integration zurückgeführt, wie es linke Gruppierungen gerne tun, verdrängen sie wesentliche Faktoren. Noch schlimmer: Ihre plakative Ausdrucksweise lässt gar die Mutmaßung zu, Integration würde von ihnen so verstanden, dass sich die deutsche Bevölkerung ihnen anzupassen habe. Dann aber wäre auch das Ergebnis der Abstimmung nicht zu verhindern gewesen, sondern ebenfalls folgerichtig.

Wenn nun gar vor dem Hintergrund des Ergebnisses solcher Abstimmungen zur Integration gefordert wird, den Türken resp. allen in Deutschland lebenden Ausländern (einschl. der geduldeten Asylbewerber) ein Stimmrecht bei Wahlen in Deutschland zu geben, überschwenglich sogar noch gefordert wird, dass den Eltern von minderjährigen Kindern ein Stimmrecht auch für jedes ihrer Kinder gewährt werden sollte, so wird daraus  nichts als blanke Angst vor dem eigenen politischen Aus deutlich, welches man wohl noch durch eine unverständliche und in der Sache nicht begründbare Flucht in eine Ausweitung des Wahlrechts hofft aufhalten zu können. Die dies fordernden Parteien (für Migranten die Grünen und SPD, für das Wahlrecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder SPD) denken nicht an Demokratieprinzipien (weshalb soll eine Familie mit vielen Kindern auf die Personen der Eltern eine Vielzahl von Stimmen vereinigen können, kann sich doch ein kleines Kind sicherlich nicht sachkundig artikulieren und ist doch das Mehrstimmrecht alter Zeit (dort auch qua Bildung, Einkommen pp.) zu Recht verpönt. Der Stimmenfang um mögliche Wählerstimmen lässt groteske Züge erkennen. Er dient aber jedenfalls nicht einer demokratischen Bewegung.

Damit lässt sich wohl nur festhalten, dass die Türkei und die in Deutschland anwesenden Türken für die Politik nichts anderes sind als eine zu politischen Zwecken einsetzbare Masse. 




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