Es gab Zeiten, da schien es ein
gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und
der Türkei zu geben. Dies aber
ist lange her. So verbanden das osmanische Reich und das deutsche Kaiserreich
viele Jahre enge wirtschaftliche Beziehungen; 1914 kam es dann zur „Waffenbrüderschaft“
und nach dem Ende des Krieges zum Zerfall beider reiche.
Aber damit hat es an sich schon
sein Bewenden. Auch mit dem Jahre 1961, als die ersten türkischen Gastarbeiter
einreisten, führte dies nicht zu einem tief-freundschaftlichen Verhältnis. Der
eine wollte in Deutschland befristet arbeiten, da er hier besser als im
Heimatland Verdienste, der andere wollte sich die ausländischen (und auch
türkischen) Arbeitskräfte in Ansehung eines beginnenden Arbeitskräftemangel
(gerade in bestimmten Berufszweigen) nutzbar machen. Es war vom Grundsatz her
eine auf Zeit angelegte Zweckgemeinschaft zwischen Deutschen und Türken. Nicht
eingeplant war sicherlich, dass sich türkische Staatsangehörige letztlich
dauerhaft in Deutschland niederlassen. Beitrittsverhandlungen zwischen der EU
und der Türkei ziehen sich wie ein Kaugummi; mit verschiedensten Gründen wird
(mehr hinter vorgehaltener Hand) argumentiert, weshalb die Türkei nicht (Voll-)
Mitglied werden dürfe; seit de. 1.1.-1996 ist sie der europäischen Zollunion
innerhalb der EU angeschlossen.
Nun wird in der Türkei das
Regiment von einer Person geführt, dessen demokratische Gesinnung - formuliert man
es vorsichtig - erhebliche Zweifel
aufkommen lässt und dessen Menschenbild,
auch in Bezug auf Frauen, geprägt ist von der islamischen Welt. Nachdem er durch ein von ihm initiiertes Referendum, über welches
auch von Türken (auch Türken mit doppelter Staatsangehörigkeit) in den Ländern
der EU abgestimmt werden durfte, die Mehrheit für sein angestrebtes präsidiales
System unter weitgehender Ausschaltung parlamentarischer Kontrolle erreicht
hat, wurde die Frage laut, weshalb zum Beispiel auch die Mehrheit der Türken in
Deutschland für dieses demokratiefeindliches System stimmten. Und musste man
sich da nicht die Augen reiben („wach ich oder träum ich“) wenn aus bestimmten
politischen Zirkeln ernsthaft ertönte, Schuld sei die fehlende Integration der
Türken in Deutschland, an der gearbeitet werden müsste.
Da leben viele dieser Türken
bereits ihr ganzes Leben in Deutschland, haben sogar die doppelte
Staatsangehörigkeit. Sie nutzen das deutsche Sozialsystem, beteiligen sich (so
sie die doppelte Staatsangehörigkeit haben) an Wahlen hier und dort, pflegen
ihre türkische Sprache, wohnen eng beieinander pp. und kennen sich teilweise bei Sozialleistungen
besser aus als mancher deutscher. Sie besuchen die öffentliche Schulen, wobei
allerdings in Gegenden mit extrem hoher türkischer Bevölkerungsdichte die
Schulen entsprechend hohe Quoten von türkischen Kindern aufweisen. Da viele der
Türken, auch wenn sie bereits jahrelang in Deutschland wohnen, nicht die deutsche
Sprache beherrschen, sind diese Schulen vor einem nicht lösbaren Problem: Sie
müssen zunächst die deutsche Sprache vermitteln, weshalb der Unterricht nicht
entsprechend dem Lehrplan fortschreiten kann und zur Benachteiligungen auch der dortigen deutschen Schüler gegenüber
Schülern an Schulen mit einem nicht so hohen Ausländeranteil führt.
Es fehlt nicht an einer fehlenden
Integration, sondern an einem fehlenden Integrationswillen der in Deutschland
lebenden Türken. Wär ein Integrationswille vorhanden, würde auch die Sprache
gelernt und beherrscht; bei denjenigen Türken, die tatsächlich integriert sind,
lässt sich dies an ihren Deutschkenntnissen und ihre Sozialisation in der
Umgebung auch ohne weiteres feststellen.
Aber was hat die Frage der
Abstimmung für ein demokratiefeindliches Präsidialsystem in der Türkei mit
einer Integration in Deutschland zu tun ? Viel. Denn mit einem
Abstimmungsverhalten pro Präsidialsystem in der Türkei hat diese Mehrheit der
in Deutschland lebenden Türken klar zu erkennen gegeben, was sie von
demokratischen Werten und einem Rechtsstaatssystem hält. Nicht eine fehlende
Integration in Deutschland kann dies bewirken, da es zunächst keine
Auswirkungen auf Deutschland hat: Ursächlich sind politische Werte und
Grundeinstellungen, die nicht mit den mitteleuropäischen Werten gleichgestellt
werden können. Es handelt sich um verschiedene Kulturzonen. Zwar gab es hier
einmal tendenziell eine Annäherung. Nachdem in Westeuropa durch das Zeitalter
der Aufklärung (beginnend mit 1700) der Einfluss der Kirche immer weiter
zurückgedrängt wurde, hatte zwar Atatürk mit seinen Reformen 1923ff einen
Anschluss versucht, ist dieser aber spätestens seit dem Auftreten von Erdogan
auf der nationalen politischen Bühne in der Türkei vorbei. Und wie brüchig der
versucht Atatürks war, Staat und Kirche zu trennen, zeigt der Umstand, wie
schnell Erdogan alle zurückdrehen konnte, bis hin zur Wiedereinführung der
(Voll-) Verschleierung pp. Dies ist jene soziale und politische Welt, in der
auch in Deutschland lebende Türken nach wie vor beheimatet sind. Es fehlt der
Wille, die westlichen Werte zu übernehmen und damit folgerichtig der Wille und
die Möglichkeit der Integration. Wer die Staatsräson über das Prinzip Demokratie,
die Unterwerfung der Frau unter das Prinzip der Gleichberechtigung stellt, ist
nicht bereit, sich integrieren zu lassen.
Wird also das
Abstimmungsverhalten der in Deutschland lebenden Türken auf eine fehlende
Integration zurückgeführt, wie es linke Gruppierungen gerne tun, verdrängen sie
wesentliche Faktoren. Noch schlimmer: Ihre plakative Ausdrucksweise lässt gar
die Mutmaßung zu, Integration würde von ihnen so verstanden, dass sich die deutsche
Bevölkerung ihnen anzupassen habe. Dann aber wäre auch das Ergebnis der
Abstimmung nicht zu verhindern gewesen, sondern ebenfalls folgerichtig.
Wenn nun gar vor dem Hintergrund
des Ergebnisses solcher Abstimmungen zur Integration gefordert wird, den Türken
resp. allen in Deutschland lebenden Ausländern (einschl. der geduldeten Asylbewerber)
ein Stimmrecht bei Wahlen in Deutschland zu geben, überschwenglich sogar noch
gefordert wird, dass den Eltern von minderjährigen Kindern ein Stimmrecht auch
für jedes ihrer Kinder gewährt werden sollte, so wird daraus nichts als blanke Angst vor dem eigenen
politischen Aus deutlich, welches man wohl noch durch eine unverständliche und
in der Sache nicht begründbare Flucht in eine Ausweitung des Wahlrechts hofft
aufhalten zu können. Die dies fordernden Parteien (für Migranten die Grünen und
SPD, für das Wahlrecht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder SPD) denken
nicht an Demokratieprinzipien (weshalb soll eine Familie mit vielen Kindern auf
die Personen der Eltern eine Vielzahl von Stimmen vereinigen können, kann sich
doch ein kleines Kind sicherlich nicht sachkundig artikulieren und ist doch das
Mehrstimmrecht alter Zeit (dort auch qua Bildung, Einkommen pp.) zu Recht verpönt.
Der Stimmenfang um mögliche Wählerstimmen lässt groteske Züge erkennen. Er
dient aber jedenfalls nicht einer demokratischen Bewegung.
Damit lässt sich wohl nur
festhalten, dass die Türkei und die in Deutschland anwesenden Türken für die Politik
nichts anderes sind als eine zu politischen Zwecken einsetzbare Masse.
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