Jean-Claude Juncker greift in einem recht ungünstigen Zeitpunkt die
Forderung auf, die von den Euro-Skeptikern bei deren Einführung als notwendige
Grundlage für eine gemeinsame Währung gesehen wurde: Die Haushaltsgewalt,
sprich ein gesamteuropäisches Finanzministerium. Die Skeptiker hatten damals
zutreffend argumentiert, ohne eine gesamteuropäische Finanz- und
Wirtschaftspolitik hat der Euro keine Zukunftsaussicht.
Was die Skeptiker damals befürchteten
und ihnen als unbegründete Schwarzmalerei vorgeworfen wurde, hat sich
zwischenzeitlich verwirklicht. Nicht nur Griechenland, auch andere Staaten wie
Portugal und Spanien, aber auch Italien und Frankreich stehen unter schweren
Druck und können ihre Haushaltslasten nicht mehr oder fast nicht mehr
bewältigen. Ursächlich ist der Gesamtrahmen: Wenn das Bruttosozialprodukt
niedriger liegt als die Ausgaben (wie z.B. im Fall von Griechenland), liegt
eine Überschuldung vor, die sich ohne gravierende Eingriffe in die Finanz- und
Wirtschaftspolitik nicht beseitigen lässt. Dass es soweit kommt, liegt an der
Handlung der verantwortlichen Parlamente und Regierungen. Wer über seinen
Verhältnissen lebt, muss eben damit rechnen, dass er nicht mehr als
kreditwürdig angesehen wird. Hilfsmaßnahmen von außen sind letztlich auch keine
Lösung, solange nicht im Inneren eine Bereinigung des ungesunden Zustandes
herbeigeführt wird.
Wenn Juncker also nunmehr für
eine europäische Haushaltsgewalt plädiert, hat er aus (nicht notwendigen, da
vorhersehbaren) Lehren gelernt. Um allerdings das nachzuholen, was zur Zeit der
Einführung des Euro verabsäumt wurde, bedarf es einer grundlegenden Änderung
(Ergänzung) der Staatsverträge, die den EU-Verbund und den Euro betreffen. Es
bedeutet, wie Juncker weiß, einen Eingriff in nationale Hoheiten. Ob er für
seine Idee eine Mehrheit findet, muss fraglich erscheinen.
Zwar werden ihm Experten sicherlich Recht
geben. Sie werden letztlich auch fordern, dass (notwendig) auch die
Wirtschaftspolitik auf die EU verlagert wird. Letztlich muss sich die EU zu
einem Staatenbund entwickeln, ähnlich den USA. Aber wie soll dies bei der
derzeitigen Situation geschehen ?
Man wird wohl nicht davon
ausgehen können, dass Länder wie Griechenland in der jetzigen Situation ihre
Souveränität zu Gunsten der EU aufgeben werden. Letztlich machte und macht die
neue griechische Regierung doch bereits deutlich, dass sie eine Bevormundung,
wie sie im Zusammenhang mit den Schuldenmoratorien erfolgt, ablehnt. Sie will
Gelder der EU und selbst weiter über ihren Haushalt befinden können (ohne
allerdings hier entscheidende Schritte zur wirtschaftlichen Stabilität zu
unternehmen). Die Aufgabe der
Haushaltssouveränität würde gleichzeitig dazu führen, dass von Brüssel aus die
haushaltstechnischen Maßnahmen vollzogen werden, deren sich derzeit die
griechische Regierung unter Beanspruchung ihrer Souveränität erwehrt.
Aber auch wenn man das Blickfeld
nicht auf die Frage der Interessen einzelner Staaten der EU lenkt, gibt es doch
Vorbehalte gegen eine entsprechende Regelung. Man denke an die Staatsverträge
zur Europäischen Zentralbank. Danach ist dieser eine direkte oder indirekte
Staatsfinanzierung untersagt. Aber gerade durch die jetzt anlaufende Maßnahme
des Ankaufs von Staatsanleihen erfolgt diese Staatsfinanzierung. Denn der
Ankauf letztlich wertloser Anleihen erfolgt zum Ausgabepreis und führt den
Staaten wieder Liquidität zu. Von daher ist auch verständlich, dass sich die
EZB gegenüber Griechenland, welches in Bezug auf eine Haushaltsanierung nicht
kooperieren will, sondern sogar weiter Anleihen auflegen will, die ihre Banken
dann direkt an die EZB verkaufen, abwehrend verhält mit der Begründung, dieser
Ankauf wäre illegal (wobei wohl nicht
nur dieser Ankauf illegal wäre).
Wird aber in der faktischen
Umsetzung der Staatsverträge letztlich der Inhalt derselben nicht eingehalten,
kann kein Vertrauen auf eine rechtsstaatliche Haushaltsführung aufkommen. Aber
nicht nur die rechtsstaatliche Umsetzung gibt zu bedenken Anlass, auch die
politische Praxis. Italienische und spanische Politiker sehen die Haushalts-
und Wirtschaftsführung eines Landes z.B. völlig anders als z.B. ein deutscher
Politiker. Während in Deutschland die Konsolidierung Vorrang hat, die hohen
Steuern und Abgaben letztlich der Sicherung der Finanz- und Wirtschaftspolitik
dienen, wird dies gerade in südeuropäischen Ländern gerne anders gesehen. So
lebten die Italiener mit ihrer Lira gut, solange dies über eine kräftige Abwertung
finanziert wurde. Eine Maßnahme, die
wegen des Euro so nicht mehr funktionieren kann, da die Preissteigerungen in
Italien nicht mehr über eine Währungsabwertung aufgefangen werden können und
mithin sich die inländischen Produkte derart verteuern, dass ausländische Produkte
aus anderen EU-Ländern (wie Deutschland) am Markt besser angenommen werden
könne. Deutschland hat sicherlich durch den Euro im Hinblick auf den Export in
andere EU-Länder gewonnen, da hier die Inflation dank der Wirtschafts- und
Finanzpolitik niedrig gehalten wurde.
Wie aber, wenn in der EU eine
Mehrheit aus Ländern das sagen hat, die gerade mit der Mentalität der Abwertung
ihre politischen Ziele (oder anders ausgedrückt: ihre Wählerstimmen) erreichen
wollen ? Das würde auch Deutschland mit in das wirtschaftliche Chaos zerren,
ohne dass es sich (noch) dem entziehen könnte.
Junckers Idee ist mithin alt. Sie
hätte bei Einführung des Euro bereits bedacht werden können und müssen. Die
Zeit hat aber gezeigt, dass eine derartige Maßnahme bei der Unvernunft im
politischen Umfeld nicht eine akzeptable Lösung sein kann. Die EU ist auf
tönernen Füßen errichtet worden. Und ein Zusammenwachsen lässt sich nicht
erzwingen. Solange nationale Interessen, die nicht von einer gesunden
Haushalts- und Wirtschaftspolitik geprägt sind, den Vorrang haben, ist eine
gemeinschaftliche Haushaltspolitik eine Gefährdung wirtschaftlicher Stabilität.
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