Franziskus I., aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Franziskus_I. |
Kaum gewählt, schon geschmäht. So muss man annehmen, liest man die Artikel
am Tag nach der Entscheidung des Konklave. Nach den ersten positiven Reaktionen direkt
nach der Wahl, die sich allerdings durch Überraschung ob des „Siegers“
auszeichneten (obwohl doch der Gewählte vor acht Jahren neben Ratzinger die
meisten Stimmen erhielt), schlug über Nacht das Bild um.
1. Zeit Online fragt, wie links der neue Papst sei [1].
Im letzte Satz heißt es: „Und der neue Papst mit seinem einfachen Lebensstil,
der den Menschen zugetan sein soll, inszeniert sich nun als Befreiungstheologe,
ohne Befreiungstheologe zu sein.“
Die Süddeutsche Zeitung titelt „ Bergoglio
und Argentiniens dunkle Jahre“ [2]
; er habe nicht dafür gesorgt, dass zwei Jesuiten aus seiner Gemeinde aus dem
Militärgefängnis entlassen werden.
Die Welt [3]
weist darauf hin, dass der neue Papst als Jesuit einem „Orden von Elitechristen“
angehört und benennt auch die Verwunderung über seine Annahme der Wahl, da doch
nach Ignatius von Loyola [4]
sich deren Mitglieder zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam - vor allem gegenüber dem Papst - verpflichten und keine Würden anzunehmen [5].
2. Dass Bergoglio ein schweres Erbe angetreten hat, dürfte wohl
ohne weiteres auf der Hand liegen. Spiegel Online [6]
nennt einige der „Baustellen“, die er antrifft:
-
Vatileaks; hier geht es um Geheimnisverrat,
Intrigen im Vatikan pp.
-
Korruption und Verstrickungen in und um
die Vatikanbank IOR
-
Missbrauchsskandale
-
Sexualmoral (so insbes. Empfängnisverhütung, gleichgeschlechtliche Ehe)
-
Reform der Kurie
-
Umgang mit der Piusbruderschaft
Franz von Assisi, aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Assisi |
3. Als Jesuit knüpft Bergoglio an die Franziskaner, begründet von
Franz von Assisi [7], an.
Darauf deutet seine Namensgebung mit Franziskus I. Man wird in der Namensgebung
wohl einen Hinweis auf die Programmatik seines Pontifikats sehen dürfen.
Das Armutsgelübde [8]
ist sicherlich eine prägende Aussage.
Sie charakterisiert auch die bisherige Tätigkeit von Bergoglio. Es ist
ein Rückbesinnen auf das Wesentliche. In einer Kurzbiographie von Radio Vatikan
heißt es u.a.: „Bergoglio gilt als ökologisch, bescheiden und volksnah und ist
auch als „Kardinal der Armen“ bekannt.“ [9]
Er gilt als konservativ und hat
sich in Argentinien gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen, die er
als zerstörerischen Angriff gegen Gottes Plan ansieht [10].
4. Kann Bergoglio den Erwartungen gerecht werden ? Kann er Reformen
der katholischen Kirche durchführen, die als dringend angesehen werden ? Kann
er die Probleme lösen, die genannt werden (vgl. oben zu 2.) ?
Sicherlich wird man Skeptikern
nicht ohne weiteres die Skepsis absprechen können. Es ist nicht ersichtlich,
dass sich Bergoglio in der Vergangenheit als Reformer hervorgetan hätte.
Die Frage ist nur, ob er
unbedingt ein radikaler Reformer sein muss. Natürlich gibt es gesellschaftliche
Fragen, die sich die katholische Kirche stellen muss. Das trifft nicht nur für
die gleichgeschlechtliche Ehe zu, auch für das Zölibat, den Zugang von Frauen
zum Priesteramt, Empfängnisverhütung pp. Aber kann ernsthaft erwartet werden,
dass eine mit starken Wurzeln versehene Institution wie die katholische Kirche
quasi über Nacht ihre gesamten bisherigen Dogmen über Bord wirft ? Würde dies
nicht sogar eine Selbstaufgabe darstellen, die Neubildung der Kirche mit der
Gefahr einer (nach der Reformation zwischen 1517 und 1648) Spaltung der
katholischen Kirche ?
Der Terminus Reform ist bereits
als solcher verfehlt. Wird nicht heute alles Reform genannt, unabhängig davon,
ob es positiv oder gar negativ wirkt (man vergleiche nur die ständigen
Steuerreformen, die statt zu einer Vereinfachung des Steuerrechts immer weiter
in einen undurchsichtigen Dschungel führen) ? Änderung ist sicherlich auch für
die katholische Kirche angezeigt. Der Weg, die Art und Weise der Änderung ist
aber entscheidend.
Überhastige Änderungen, mögen sie
auch politisch und gesellschaftlich nicht nur opportun, sondern überfällig
sein, könnten der katholischen Kirche schaden, da dies zu einer inneren Zerreißprobe
werden könnte. Änderungen innerhalb der Kirche sind zwar auch für die
katholische Kirche sicherlich angezeigt, bedürfen aber einer ruhigen Hand und
auch im Hinblick auf Widersacher Überzeugungsarbeit. Vor diesem Hintergrund
kann sich die katholische Kirche keinen reformwütigen Papst leisten, der
mögliche negative Konsequenzen für die Kirche nicht bedenkt und abfedern kann.
5. Die katholische Kirche hat
- wie die christlichen Kirchen allgemein - mit der Anzahl der Kirchenaustritte zu
kämpfen. Sie hat auch mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit zu kämpfen, wie die
Missbrauchsfälle und Verstrickungen in Skandale belegen. Bergoglio hat mithin
ein weites Feld, welches intensiv zu bearbeiten ist. Er muss dafür sorgen, die
Glaubwürdigkeit der Kirche wiederherzustellen. Erreicht er dies in seinem
Pontifikat, hat er der katholischen Kirche als führender christlicher
Gemeinschaft schon sehr geholfen. Die gesellschaftliche Öffnung ist zwar
wünschenswert, ebenso das Überdenken traditioneller Vorstellungen zu Familie
einschl. Empfängnisverhütung, ist aber nicht notwendiger Anknüpfungspunkt für
die vorrangig zu betreibende Wiederherstellung eigener Glaubhaftigkeit.
Man wird sehen, ob sich der
Jesuit und ausgebildete Chemietechniker, Studienabschluss in Philospie,
Professor für Theologie, Literatur und Psychologie Bergoglio als Franziskus I. entsprechend den Regeln des Franz von Assisi auf
das Wesentliche besinnt und dies in Angriff nimmt. Die Ausbildung, seine
bisherige Tätigkeit in Argentinien und seine gewählte Namensgebung lassen
hoffen.
[4] 1491 –
1556, Begründer des Ordens der Jesuiten („Gesellschaft Jesu“)
[5]
Bezeichnend daher wohl auch der Umstand, dass sich Bergoglio bei seiner ersten
Rede vom Balkon des Peterdoms am Abend seiner Wahl als Bischof bezeichnete,
ebenso wie seinen Vorgänger Benedikt XVI
[7]
1181/1182 – 122, Begründer des Ordens der Minderen Brüder (Franziskaner)
[8] Dem 1517
abgespalteten Orden der Konventualen oder Minoriten ist zumindest
gemeinschaftlicher Besitz erlaubt
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