Donnerstag, 14. März 2013

Franziskus I - Reformer, Bewahrer oder ein sanfter Übergang ?



Franziskus I., aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Franziskus_I.
Kaum gewählt, schon geschmäht.  So muss man annehmen, liest man die Artikel am Tag nach der Entscheidung des Konklave.  Nach den ersten positiven Reaktionen direkt nach der Wahl, die sich allerdings durch Überraschung ob des „Siegers“ auszeichneten (obwohl doch der Gewählte vor acht Jahren neben Ratzinger die meisten Stimmen erhielt), schlug über Nacht das Bild um.
1. Zeit Online fragt, wie links der neue Papst sei [1]. Im letzte Satz heißt es: „Und der neue Papst mit seinem einfachen Lebensstil, der den Menschen zugetan sein soll, inszeniert sich nun als Befreiungstheologe, ohne Befreiungstheologe zu sein.“
Die Süddeutsche Zeitung titelt „ Bergoglio und Argentiniens dunkle Jahre“ [2] ; er habe nicht dafür gesorgt, dass zwei Jesuiten aus seiner Gemeinde aus dem Militärgefängnis entlassen werden.
Die Welt [3] weist darauf hin, dass der neue Papst als Jesuit einem „Orden von Elitechristen“ angehört und benennt auch die Verwunderung über seine Annahme der Wahl, da doch nach Ignatius von Loyola [4] sich deren Mitglieder zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam  - vor allem gegenüber dem Papst -  verpflichten und keine Würden anzunehmen [5].
2. Dass Bergoglio ein schweres Erbe angetreten hat, dürfte wohl ohne weiteres auf der Hand liegen. Spiegel Online [6] nennt einige der „Baustellen“, die er antrifft:
-  Vatileaks; hier geht es um Geheimnisverrat, Intrigen im Vatikan pp.
-  Korruption und Verstrickungen in und um die Vatikanbank IOR
- Missbrauchsskandale
- Sexualmoral (so insbes. Empfängnisverhütung, gleichgeschlechtliche Ehe)
- Reform der Kurie
- Umgang mit der Piusbruderschaft 


Franz von Assisi, aus:
 http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_von_Assisi
3. Als Jesuit knüpft Bergoglio an die Franziskaner, begründet von Franz von Assisi [7], an. Darauf deutet seine Namensgebung mit Franziskus I. Man wird in der Namensgebung wohl einen Hinweis auf die Programmatik seines Pontifikats sehen dürfen.
Das Armutsgelübde [8] ist sicherlich eine prägende Aussage.  Sie charakterisiert auch die bisherige Tätigkeit von Bergoglio. Es ist ein Rückbesinnen auf das Wesentliche. In einer Kurzbiographie von Radio Vatikan heißt es u.a.: „Bergoglio gilt als ökologisch, bescheiden und volksnah und ist auch als „Kardinal der Armen“ bekannt.“ [9]
Er gilt als konservativ und hat sich in Argentinien gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen, die er als zerstörerischen Angriff gegen Gottes Plan ansieht [10].
4. Kann Bergoglio den Erwartungen gerecht werden ? Kann er Reformen der katholischen Kirche durchführen, die als dringend angesehen werden ? Kann er die Probleme lösen, die genannt werden (vgl. oben zu 2.) ?
Sicherlich wird man Skeptikern nicht ohne weiteres die Skepsis absprechen können. Es ist nicht ersichtlich, dass sich Bergoglio in der Vergangenheit als Reformer hervorgetan hätte.  
Die Frage ist nur, ob er unbedingt ein radikaler Reformer sein muss. Natürlich gibt es gesellschaftliche Fragen, die sich die katholische Kirche stellen muss. Das trifft nicht nur für die gleichgeschlechtliche Ehe zu, auch für das Zölibat, den Zugang von Frauen zum Priesteramt, Empfängnisverhütung pp. Aber kann ernsthaft erwartet werden, dass eine mit starken Wurzeln versehene Institution wie die katholische Kirche quasi über Nacht ihre gesamten bisherigen Dogmen über Bord wirft ? Würde dies nicht sogar eine Selbstaufgabe darstellen, die Neubildung der Kirche mit der Gefahr einer (nach der Reformation zwischen 1517 und 1648) Spaltung der katholischen Kirche ?
Der Terminus Reform ist bereits als solcher verfehlt. Wird nicht heute alles Reform genannt, unabhängig davon, ob es positiv oder gar negativ wirkt (man vergleiche nur die ständigen Steuerreformen, die statt zu einer Vereinfachung des Steuerrechts immer weiter in einen undurchsichtigen Dschungel führen) ? Änderung ist sicherlich auch für die katholische Kirche angezeigt. Der Weg, die Art und Weise der Änderung ist aber entscheidend.
Überhastige Änderungen, mögen sie auch politisch und gesellschaftlich nicht nur opportun, sondern überfällig sein, könnten der katholischen Kirche schaden, da dies zu einer inneren Zerreißprobe werden könnte. Änderungen innerhalb der Kirche sind zwar auch für die katholische Kirche sicherlich angezeigt, bedürfen aber einer ruhigen Hand und auch im Hinblick auf Widersacher Überzeugungsarbeit. Vor diesem Hintergrund kann sich die katholische Kirche keinen reformwütigen Papst leisten, der mögliche negative Konsequenzen für die Kirche nicht bedenkt und abfedern kann.
5. Die katholische Kirche hat  - wie die christlichen Kirchen allgemein -  mit der Anzahl der Kirchenaustritte zu kämpfen. Sie hat auch mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit zu kämpfen, wie die Missbrauchsfälle und Verstrickungen in Skandale belegen. Bergoglio hat mithin ein weites Feld, welches intensiv zu bearbeiten ist. Er muss dafür sorgen, die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederherzustellen. Erreicht er dies in seinem Pontifikat, hat er der katholischen Kirche als führender christlicher Gemeinschaft schon sehr geholfen. Die gesellschaftliche Öffnung ist zwar wünschenswert, ebenso das Überdenken traditioneller Vorstellungen zu Familie einschl. Empfängnisverhütung, ist aber nicht notwendiger Anknüpfungspunkt für die vorrangig zu betreibende Wiederherstellung eigener Glaubhaftigkeit.
Man wird sehen, ob sich der Jesuit und ausgebildete Chemietechniker, Studienabschluss in Philospie, Professor für Theologie, Literatur und Psychologie  Bergoglio als Franziskus I.  entsprechend den Regeln des Franz von Assisi auf das Wesentliche besinnt und dies in Angriff nimmt. Die Ausbildung, seine bisherige Tätigkeit in Argentinien und seine gewählte Namensgebung lassen hoffen.


[4] 1491 – 1556, Begründer des Ordens der Jesuiten („Gesellschaft Jesu“)
[5] Bezeichnend daher wohl auch der Umstand, dass sich Bergoglio bei seiner ersten Rede vom Balkon des Peterdoms am Abend seiner Wahl als Bischof bezeichnete, ebenso wie seinen Vorgänger Benedikt XVI
[7] 1181/1182 – 122, Begründer des Ordens der Minderen Brüder (Franziskaner)
[8] Dem 1517 abgespalteten Orden der Konventualen oder Minoriten ist zumindest gemeinschaftlicher Besitz erlaubt

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