Dienstag, 4. September 2012

Rentendesaster - die Verdrängung der Ursache durch die Politik

(Foto: Rike / poxelio.de) 



Die Deutsche Rentenversicherung ist (wieder) „ins Gerede“ gekommen. Der neue Slogan heißt jetzt „Altersarmut“. Bundesarbeitsministerin von der Leyen brachte das Thema auf. Eine Debatte hat begonnen, die allerdings nicht die möglichen Ursachen der Knappheit der Rentenkasse berücksichtigt.  

Welche Aufgabe hat die gesetzliche Rentenversicherung ? Proklamiert wird ein Generationen-Vertrag. Das hätte zur Bedeutung, dass der Einzahler heute für die Renten der heutigen Rentner aufzukommen hätte. Sieht man in der Rentenversicherung einen generationsübergreifenden Vertrag, würde der Renteneinzahler nicht nur für die aktuellen Renten aufkommen müssen, sondern unabhängig davon auch für seine eigene Rente Vorsorge treffen. Unabhängig von dieser  - nicht nur sprachlichen -  Frage der Zweckbestimmung der Rentenversicherung wird allerdings nach allgemeinen Verständnis davon ausgegangen, dass die Beiträge zur Rentenversicherung letztlich auch nur denjenigen zu Gute kommen, die selbst Einzahlungen leisteten. D.h., die Mitglieder der Rentenversicherung unterstützen sich gegenseitig.  

Soweit die Einzahlungen nicht aktuell für Rentenzahlungen an Mitglieder dieser Gemeinschaft ausgezahlt werden, ist das Vermögen (rentabel) anzulegen. Macht sich also in der Rentenkasse der sogenannte Pillenknick bemerkbar, dass nicht nur die aktuellen Einzahlungen nicht mehr ausreichen, eine der Einzahlung entsprechende Rente zu sichern, sondern auch Vermögensreserven aufgebraucht werden ? 

Diese Fragestellung würde übergehen, dass die Rentenversicherung nicht lediglich typische Leistungen erbringt, sondern auch versicherungsfremde Leistungen. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (als Vorgänger der Deutschen Rentenversicherung) hatte die versicherungsfremden Leistungen für 1985 mit 35,4%, für 1995 mit 34,3% und für 2003 mit 29,1% benannt. Insgesamt sollen seit 1957 über 600 Milliarden Euro (nicht Deutsche Mark) an versicherungsfremden Leistungen erbracht worden sein. Versicherungsfremde Leistungen sollen an sich durch Bundeszuschüsse aufgefangen werden. Doch liegen die Bundeszuschüsse darunter und soll das Defizit von über 600 Milliarden Euro unter Berücksichtigung der Bundeszuschüsse bestehen  (http://www.rentenreform-alternative.de/versichfremd.htm#5).

Als versicherungsfremde Leistungen werden jene angesehen, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch Beiträge der Versicherten gedeckt sind. Dazu zählten z.B. Kriegsfolgelasten, Kindererziehungszeiten, Auffüllbeträge für die Neuen Bundesländer, Höherbewertung Berufsausbildung. Dabei geht es hier nicht um die Berechtigung derartiger Zahlungen, sondern nur darum, dass solche Zahlungen nicht systemimmanent sind. Werden dem Rentenversicherungsträger aber derartige Belastungen auferlegt, muss auch gleichzeitig in entsprechender Höhe eine Zahlung aus dem Bundeshaushalt an die Rentenversicherung zur Ausgleichung dieser zusätzlichen Belastung erfolgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 28.10.1994 – 1 BvR 1498/94 – ausgeführt, dass ein Mitglied eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes (wie hier der gesetzlichen Rentenversicherung) keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlich-rechtlicher Mittel hat. Damit kommt das Dilemma des (Pflicht-) Beitragszahlers zur Rentenversicherung deutlich zum Ausdruck. Er ist machtlos, wenn die Rentenversicherung vom Gesetzgeber mit Aufgaben (und damit Ausgaben) versehen wird, die von den Beiträgen so nicht gedeckt sein können, eben nicht systemimmanent sind.  

Man sollte an sich von verantwortungsbewussten Politikern erwarten, dass diese das Rentensystem analysieren und die Ausgaben der Rentenversicherung systemgerecht kanalisieren. Der Beitrag sichert bei Außerachtlassung versicherungsfremder Leistungen auch in Zukunft die Rente.

[Ralf Niehus]

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