Noch wird an dem EZB-Neubau im
Frankfurter Ostend gebaut. Dieser Bau und die von der EZB zu hütende Währung
Euro stehen in einem dialektischem Paradoxon. Da wird ein Neubau (dessen Notwendigkeit
ohnehin nicht nachvollziehbar erklärt werden kann) in futuristischer, architektonisch
und statisch aufwendiger und damit kostspieliger Weise errichtet, in einer Leichtigkeit, als sei Geld keinerlei
Problem, während auf der anderen Seite die Verantwortlichen hierfür, ihres Zeichens
Währungshüter, Dritten eine drastische Sparbremse verordnen. Wie kann ein derartig
aufwendiges Bauwerk gerechtfertigt werden, wenn der Bauherr anderen die Kosten-
und Ausgabenbremse aufzwingt, die zu Auswirkungen auf die Lebensweise ganzer
Nationen führt ? Das Bauwerk wird Kosten von über 1,4 Milliarden Euro
verursachen, also rund 15% des Betrages, den Griechenland (Stand 2010)
einsparen sollte.
Aber auch ohne diese Dialektik,
der sich wohl die Währungshüter nicht bewusst sind, stellt sich die Frage, ob
bei Fertigstellung dieses ambitionierten Bauwerks noch eine Verwendung dafür
besteht. Griechenland hat gewählt. Es hat „links“ gewählt und damit die
Regierenden, die den Sparaufforderungen der Troika aus IWF, Europäischer
Kommission und EZB (wenn auch widerwillig) folgten, abgestraft. Ob nun die Regierenden in
Griechenland wegen Korruption, Misswirtschaft u.a. bei den Wahlen abgestraft
wurden, mag im Ergebnis auf sich
beruhen. Die Hilfen waren von Bedingungen abhängig gemacht worden, die die
nunmehrige Wahlsiegerin nicht anerkennen will. Sie hofft wohl darauf, dass die
Troika in der Regel in der Vergangenheit Positionen aufgab, Hilfe auch gab,
wenn Versprechungen nicht eingehalten wurden.
Aber es kann ernsthaft nicht
davon ausgegangen werden, dass ein derartiges Wohlverhalten anhält. Auch in den
anderen europäischen Staaten gibt es Wahlen, auch dort Bürger, die mit der
Politik ihrer Regierungen unzufrieden sind und auch darüber unzufrieden sind,
dass bei hoher Steuerbelastung und angekündigter bzw. zu erwartender weiterer
Steuerbelastung Gelder in Staaten wie Griechenland fließen. Dabei möge der
Geldfluss Namen und Bezeichnungen wie auch immer haben: Im Ernstfall ist
Zahlung zu leisten, in den beabsichtigten Fiskalpakt ohnehin. D.h. Liquidität wird
nicht nur blockiert, es wird Liquidität genommen, die auch in den einzelnen
Staaten benötigt wird.
Sicherlich haben die Regierungen
und die sie tragenden Parteien einen Spagat zu machen. Zum einen wollen sie den
Euro retten, zum anderen aber auch Wahlen gewinnen. Der Spagat kann aber nur
gelingen, wenn dem Wähler plausibel gemacht wird, dass die Rettung des Euro
notwendig ist und insbesondere, dass für die Rettung des Euro diese
Aufwendungen erforderlich sind. Aber schon an der Notwendigkeit einer Rettung
scheiden sich die Geister. Dies unabhängig von vordergründigen politischen
Diskussionen, die lediglich der Stimmungsmacht und eigenen Profilierung gelten.
Sicherlich ist zu berücksichtigen, dass der Euro in der Vergangenheit
Deutschland erhebliche Vorteile brachte, Vorteile, die bei seiner Einführung
(insbesondere von den europäischen Nachbarländern) nicht erwartet wurden.
Plötzlich ließen sich Waren in die Euro-Länder ohne jegliches Währungsrisiko
verkaufen und - da die Inflation in
Deutschland im Gegensatz zu seinen Nachbarländern gering war - aufgrund einer Preisstabilität letztlich
immer günstiger im Verhältnis zu heimischen Produkten der Empfängerstatten. Mit
einem Wiederaufleben nationaler Währungen anstelle der Einheitswährung wäre
dieser Vorteil vorbei. Allerdings kann der Vorteil nicht bedeuten, dass nunmehr
Deutschland für seine geübte Sparsamkeit, bei der es sich wiederum von seinen
Nachbarländern unterschied, faktisch die Reservezahlungen in europäische
Haushalte vornimmt und damit Drittstaaten finanziert. Denn dies muss
zwangsläufig zu erheblichen Steuererhöhungen in Deutschland führen und damit im
Ergebnis seine Wettbewerbsfähigkeit tangieren. Das Szenario würde bedeuten,
dass selbst (noch) relativ starke Staaten mit in den dann letztlich
unaufhaltsamen Strudel des wirtschaftlichen Staatsruins gezogen würden.
Damit würde eine weitere
Hilfeleistung für Griechenland, folgt es nicht den Sparvorstellungen der
Troika, nicht zu vertreten sein. Die SPD verzögert bereits - wohl vornehmlich aus wahltaktischen Gründen
- den europäischen Fiskalpakt. Dabei ist
ihre Haltung sogar verständlich, wenn sie das förderale System Deutschlands
hervorhebt, welches dadurch tangiert würde. Es wäre auch wirtschaftlich
verständlich, hat sich doch Großbritannien quasi ausgeklingt; zwar gehört das
Königreich nicht der Euro-Währungszone an, ist aber doch darauf wegen der auch
von ihm in Anspruch genommenen billigen Gelder der EZB angewiesen, ohne die es
selbst wirtschaftlich ins Strudeln geriete. Auch wird man mit Interesse
beobachten, ob Frankreich nach dem Wahlsieg Hollandes hier weiter mitwirkt.
Der Euro ohne Griechenland. Das
wäre die wohl notwendige Folge, wenn Hilfeleistungen eingestellt werden. Aber
nur ohne Griechenland ? Würde die entsprechende Reaktion der Troika sich
dergestalt auf die weiteren „Wackelkandidaten“ (namentlich Italien, Spanien und
Portugal) auswirken, dass diese ihre Sparbemühungen und damit Bemühungen um
eine Konsolidierung (verstärkt) fortsetzen ? Diese Annahme von Finanzpolitikern
dürfte wohl eher eine vage Hoffnung sein denn Realität. Die Realität schreiben
Wahlen. Und bei Wahlen wird jede Regierung mit schlechten Einträgen in ihrer
Bilanz ins Rennen gehen, die ihrer Bevölkerung einen rigorosen Sparkurs
aufzwingt. Die Wahlen in Frankreich und Griechenland sind dafür ein beredtes
Beispiel, mögen auch andere Faktoren jeweils noch hinzu kommen.
Warum also diese Bemühungen um
Griechenland, wenn Griechenland selbst nicht mitwirkt ? Die Europäische Union
ist ebenso wenig wie die Euro-Zone ein Mildtätigkeitsverein, dessen generöser
Selbstzweck die Hilfe notleidender Mitglieder ist, unabhängig von einem eigenen
(Staats-) Verschulden und unabhängig davon, ob die Krise auch mit eigenen
Mitteln mittel- oder langfristig bereinigt werden könnte. Damit aber stellt
sich nicht die Frage nach der weiteren Existenzberechtigung der EU bzw. des
Euro. Es wird lediglich zunächst deutlich, dass
- im übertragenen Sinne - das
Pferd von hinten aufgezäumt wurde. Keine Währung (außer dem Euro) existiert, bei
dem die Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht zentral geführt wird. Indem in der
Europäischen Union jeder Staat seine eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik als
ureigenste Dömäne betrachtet und behandelt, eine EU-einheitliche Bewältigung
nicht erfolgt, ist auch der Einfluss der Währungspolitik (durch die
Zentralbank, hier EZB) gering, kann sie letztlich ihrer Zielsetzung nicht
gerecht werden. Sie hat nach den Verträgen die Aufgabe, eine
Preisniveaustabilität zu erreichen. Durch die unterschiedliche Wirtschafts- und
Finanzpolitik in den einzelnen Staaten der Währungsunion wären aber hier
unterschiedliche Ansätze geboten, was zentral nicht möglich ist. Es kann nicht
zeitgleich Geldverknappung (durch hohe Zinsen) und dessen Gegenteil (durch
niedrige Zinsen) das Ziel in allen Staaten erreicht werden.
Die derzeitige Krise verlangt
wirtschaftliche und politische Vernunft. Das aber bedeutet, dass der Euro und
letztlich auch die Europäische Union (die in einem atemberaubenden Tempo immer
weitere Staaten aufgenommen hat, deren wirtschaftliche Kraft von vornherein
nicht mit anderen vorhandenen Staaten mithalten konnte) in ihrer jetzigen
Konstellation verändert und neu ausgerichtet werden müssen. Es kann nur von
einem Kern von Staaten ausgegangen werden, die bereit sind, sich wirtschafts- und finanzpolitisch zusammen zu
tun du auf dieser Basis eine eigene Währung gemeinsam haben. Der Ausschluss von
Staaten wie Griechenland würde dem entgegenkommen, wenn konsequent andere
Staaten, die den Vorgaben nicht entsprechen, auch ausgeschlossen würden.
Vielleicht kann dann ein Rest an Staaten dort ansetzen, wo zu Beginn hätte
angesetzt werden müssen: bei der
gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Vielleicht braucht man dann noch
ein Gebäude für eine EZB.
[Ralf Niehus]
[Ralf Niehus]