Freitag, 31. Januar 2020

Demokratie und politische Wirklichkeit – ein gelebter Widerspruch


Robert F. Kennedy (unter John F. Kennedy Justizminister) hatte Recht als er formulierte, Demokratie sei die schwierigste Gesellschaftsform. Aber warum ?

An sich ist doch Demokratie „nur“ die Verlagerung der Willensbestimmung von einer Person oder einer kleinen Personengruppe auf diejenigen, die den Staat ausmachen: die Bevölkerung. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht und bringt damit gerade diesen Grundsatz zum Tragen.  Doch schon Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verdeutlicht die Schwierigkeit, die sich an die Verwirklichung knüpfen kann, da danach diese vom Volk auszuübende Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. Das Grundgesetz proklamiert damit eine repräsentative  Demokratie, deren Grundstütze letztlich die Wahl von Personen (vermittelt durch Parteien) in die Parlamente ist, in denen die gewählten den „Volkswillen“ umsetzen sollen.  Anders sieht es nur bei der direkten Demokratie aus, in der das Volk unmittelbar und unvertretbar durch Abstimmungen über Sachfragen  am Staatsgeschehen teilnimmt. Ansätze der direkten Demokratie finden sich in der Schweiz, in der die Bevölkerung zu bestimmten Sachfragen gefragt werden muss. Soweit in Deutschland teilweise (nicht auf Bundesebene sondern nur auf Länderebene)  Volksbefragungen / Bürgerbegehren möglich sind, sind diese an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, weshalb insoweit nur bedingt von einer direkten Demokratie gesprochen werden könnte.


Bezogen auf Deutschland ist mithin festzuhalten, dass der Deutsche Bundestag die Institution ist, über die das Volk mittels Wahl Einfluss nehmen kann. Auch wenn der Wähler zwei Stimmen hat, bei denen er mit der einen Stimme eine Partei, mit der anderen Stimme eine bestimmte Person (in seinem Wahlkreis) wählen kann, liegt der Schwerpunkt auf den Parteien, aus denen auch in der Regel die Kandidaten stammen, denen mit der zweiten Stimme eine Zustimmung erteilt werden kann.

Entscheidend ist, dass damit in der repräsentativen Demokratie das Volk selbst nicht über die Geschicke des Staates bestimmen kann, obwohl er doch der Souverän sein soll. Es kann nur bedingt den Versuch der Einflussnahme ausüben. Er kann zwar, wenn sich diese Partei entgegen ihren „Wahlversprechen“ verhält, diese bei der nächsten Wahl abstrafen (so geschehen mit der FDP, die ihr Wahlversprechen einer Steuerreform nicht einhielt, in 2013 nicht wieder in den Bundestag einziehen konnte).

Aber kann der Souverän überhaupt entscheiden ?

Um (mit) entscheiden zu können, ist Wissen um tatsächliche Gegebenheiten unabdingbare Voraussetzung. Natürlich kann sich der Souverän über die Medien informieren. Doch fraglich ist, ob selbst bei einer umfassenden Auswertung der zur Verfügung stehenden Medien das erforderliche Wissen für eine Entscheidungsfindung vorliegt. So darf und muss darauf hingewiesen werden, dass sich der Bevölkerung  weitestgehend die Datengrundlagen fehlen. Das fängt schon an bei der Frage des effektiven Standes der Arbeitslosigkeit. Die offiziellen Bekanntmachungen dazu nennen regelmäßig nur Zahlen, die in die Arbeitslosenstatistiken einfließen sollen, so u.a. nicht die Arbeitslosigkeit von Bürgern über 60 Jahren. D.h., dieses Wissen um die bekanntgemachte Arbeitslosenstatistik ist unvollständig. Auch die Kriminalstatistik hat Lücken, wie sich 2016 offenbarte: Obwohl infolge der Zuwanderungen zeigte: 293.000 Delikte von 174.000 Zuwanderern erhöhte die Gesamtzahl aller Delikte kaum – was wohl nicht möglich sein dürfte (Spiegel online).

Entscheidend ist aber auch, dass Berichterstattungen häufig wertend sind, nicht objektiv / neutral. Das gilt auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender (klassisches Beispiel ist die Benennung der AfD als „rechtspopulistische AfD“, obwohl Rechtspopulismus eine Bewertung darstellt. Bewertungen gehören in einen Kommentar nicht in eine Nachricht. Mit diesen unterschwelligen Bewertungen wird eine Meinungsmache betrieben, die einer freien und unvoreingenommenen Willensbildung entgegensteht.

Auch wenn von einem mündigen Bürger vielleicht erwartet werden kann, dass er diese Verquickung von Meinungsmache und Nachricht erkennt und bewerten kann, ist ihm damit nicht geholfen. Denn nicht nur sind statistische Angaben durch Vorgaben, was und was nicht in die Statistik aufgenommen wird, ohne dass dies bei der Publizierung deutlich zu erkennen gegeben wird, kaum hilfreich für eine eigene Meinungsbildung und damit Entscheidungsfindung. Gravierender sind Geheimhaltungen, d.h. eine fehlende Offenheit (Transparenz) sowohl in Bezug auf finanzielle Maßnahmen und Risiken, Absprachen (auch mit anderen Staaten) usw. Werden aber wichtige Indikatoren für den politischen Willensbildungsprozess nicht weitergegeben sondern verschlossen gehalten, gar dann noch im Rahmen von Untersuchungsausschüssen Daten nicht offenbart bzw. vernichtet, so kann der Souverän nicht mehr in der Sache sachlich entscheiden. Die Argumentation der Geheimhaltung „im Staatsinteresse“ stellt sich nur als Ausflucht der Regierenden dar, da damit ersichtlich Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG verletzt wird. Wenn die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, unabhängig davon, ob im Rahmen einer direkten Demokratie oder, wie in Deutschland, einer repräsentativen Demokratie, muss er zwingend in die Lage versetzt werden, durch Kenntnis seine Entscheidung zu treffen.

Solange es an der Transparenz politischen Handelns durch die Organe (wie Deutscher Bundestag und der von ihr mit ihrer Mehrheit gewählten Bundesregierung) für die politische Willensbildung ermangelt, lässt sich Demokratie nicht leben. Es ist nur ein Abglanz derselben.

Wenn dann noch Träger politischer Ämter ihre Positionen zu einer Verschwendung öffentlicher Mittel nutzen oder fragwürdige finanzielle Geschäfte tätigen, die schon eine strafbare Handlung nahelegen könnten (ruhmlose Beispiele der jüngsten Vergangenheit sind Annegret Kamp-Karrenbauer von der CDU, OB Feldmann von der SPD und Scheuer von der CSU), diese auch nicht bereit sind, an einer umfassenden Aufklärung mitzuwirken, die hinter ihnen stehenden Parteien sie jeweils auch noch versuchen zu decken, verkommt diese Art der Demokratie zu einer Art Selbstbedienungsladen für diejenigen, die von dem vermeintlichen Volkssouverän gewählt wurden.

Die politische Wirklichkeit hat mit einer nach 1945 angedachten Demokratie nicht viel gemein. Es fehlen die notwendigen Instrumente, dass der Volkssouverän sein recht und seine Aufgabe auch tatsächlich wahrnehmen kann.

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