Dienstag, 14. November 2017

Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt grundsätzlich tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers sowie Leistungsfähigkeit voraus

Streitgegenständlich in dem Verfahren vor dem BAG war, ob der Arbeitgeber  (Beklagter) in Annahmeverzug mit der von der Arbeitnehmerin (Klägerin) angebotenen Arbeitsleistung war. Die Klägerin machte mit ihrer Klage Vergütungsansprüche geltend. Das BAG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, wenn ein Verzug des Arbeitgebers vorliegt, der (trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung auch bei einem Angebots zur Erbringung) vorliegt. Hintergrund war, dass die Klägerin erkrankt war und für längere Zeit arbeitsunfähig war. Am 06.02.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten schriftlich mit, sie könne ihre Tätigkeit in der Grundpflege nicht mehr ausüben, andere leichtere Tätigkeiten, wie Behandlungspflege oder Bürotätigkeiten seien ihr aber möglich. In einem Protokoll über ein Gespräch vom 03.06.2913 heißt es zur Vorstellung der Klägerin für weitere Tätigkeiten: „reine Behandlungspflege, nichts heben“. Am 31.01.2014 erschien die Klägerin weisungsgemäß im Altenpflegeheim des Beklagten und bot ihre Arbeitsleistung an; nach Klärung ihrer Einsatzmöglichkeiten wurde sie wieder nach Hause geschickt. Nach Kündigung durch den beklagten wurde in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren am 11.96.2014 ein Vergleich geschlossen, demzufolge die Klägerin zu geänderten Bedingungen ab dem 01.06.2014 als Verwaltungskraft weiter tätig wurde. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin Vergütung wegen Annahmeverzugs des Beklagten für den Zeitraum Februar bis Mai 2014.

Zunächst stellt das BAG fest, der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs würde nicht an dem Erfordernis eines Angebotes der geschuldeten Arbeitsleistung durch die Klägerin scheitern. Tatsächlich habe die Klägerin bei ihrem Erscheinen am 31.01.2014 ihre Arbeitsleistung für ihre bisherige Arbeit in der stationären Pflege angeboten. Zwar ließe sich nicht feststellen, dass sie ihre Leistung als Pflegekraft in einem Team W., wie es an sich notwendig gewesen wäre,  angeboten habe. Allerdings sei sie der Weisung nachgekommen, sich bei der Leiterin des Altenpflegeheims zu melden. Deshalb sei sie so zu stellen, als habe sie die geschuldete Leistung ordnungsgemäß angeboten.

Gleichwohl sei der Beklagte dadurch nicht in Annahmeverzug geraten, da die Klägerin im Streitzeitraum außerstande war, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die Leistungsfähigkeit sei eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit (entbehrlich, wenn von vornherein dieses abgelehnt worden wäre) unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums bestehen müsse. Die Klägerin war nach eigner Angabe nicht in der Lage, eine Arbeit in der stationären Pflege zu erbringen, wie auch nicht in der Lage, alle in der ambulanten Pflege des Team W. anfallenden Arbeiten zu verrichten. Ginge es nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern darum, die Arbeitsplätze der im Team W. Beschäftigten so zuzuschneiden, dass dadurch für sie dort eine Arbeitsplatz mit nach  ihrer Ansicht „nicht-schwerer Tätigkeit entstünde, wäre der beklagte nach § 241 Abs. 2 BGB nicht verpflichtet.

Anderes würde nur dann gelten, wenn im Team W. beschäftigte Arbeitnehmer keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen worden wären, wäre es an dem Arbeitgeber, im Rahmen der Möglichen und Zumutbaren auf gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen. Entscheidend wäre, ob dies im konkreten Fall möglich gewesen wäre (was von den Vorinstanzen nicht geprüft wurde).  Auch habe sich (ohne dass dem bisher nachgegangen wurde) die Klägerin darauf berufen, dass am 01.02.2014 freie Arbeitsplätze  außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten vorhanden gewesen seien, auf denen sie hätte eingesetzt werden können. Da diesen Aspekten das Landesarbeitsgericht noch nachgehen müsse, erfolgte eine Zurückverweisung an dieses.


BAG, Urteil vom 28.06.2017 - 5 AZR 263/16 -

Mittwoch, 8. November 2017

Das dritte Geschlecht – und die Auswirkung auf die Sprache

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden (Beschluss vom 10.10.2017 - 1 BvR 2019/16 -): Es gibt das dritte Geschlecht. Mithin nicht nur Männlein und Weiblein, sondern auch „Divers“ bzw. „Inter“.  Eine wichtige Entscheidung, denn immerhin soll es 160.000 Betroffene (bei einer Bevölkerungszahl von 82,67 Millionen) in Deutschland geben.

Interessant ist die Meldung bereits in Ansehung der Ausführungen. Die „Person“, die die Verfassungsbeschwerde angestrengt haben soll, soll „Vanja“ heißen. In einigen Beiträgen wurde die Person als „der“ Beschwerdeführer, in anderen als „die“ Beschwerdeführerin bezeichnet – also klassisch nach Männlein bzw. Weiblein. Offenbar waren die Damen und Herren Journalisten (oder die „Diversen/Inter“-Journalisten) überfordert und sind bei der Berichterstattung in das alte Schema zurückgefallen. Wie nun also ? Da die Verfassungsbeschwerde nicht abstrakt von einer natürlichen Person zur Klärung einer Frage mit Verfassungsrang erhoben werden kann, der Verfassungsbeschwerde die Verfahren vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorausgehen mussten, dürfte es sich also bei der Person namens „Vanja“ weder um ein Männlein noch um ein Weiblein handeln. Damit verbieten sich „die“ und „der“ wie auch Antragsteller mit „der Antragsteller“ oder „der Beschwerdeführer“ wie auch „die Antragstellerin“ bzw. „die Beschwerdeführerin“. Die geschlechtsspezifische übliche Unterscheidung mit „der“ und die „ wie auch mit „er“ oder „sie“ waren hier mithin völlig neben der Sache liegend. Das Bundesverfassungsgericht sprach von der beschwerdeführenden Person.

Geschlechtsneutrag sind „das“ und „es“. „Das Antragsteller“ wie auch „das Einspruchsführer“ gibt es (bisher) nicht. Der Duden wird wohl in Zukunft entsprechend ergänzt werden müssen, als bei geschlechtsspezifischen Unterscheidungen wie für Antragsteller, Beschwerdeführer, Widerspruchsführer, Kläger als auch Mieter pp. künftig ein „das“ vorangestellt werden darf bzw. muss, liegen in der entsprechenden Person die Voraussetzungen vor. Aber: endet dann das Substantiv maskulin oder feminin ? Hier kommt Freunde für die Fans des Genderns auf, die sicherlich eine neutrale, geschlechtsneutrale Formulierung verlangen mit der Folge einer neuen Wortschöpfung. Die Vergeschlechtlichung der Begriffe wird nunmehr wieder einen breiten Raum einnehmen. Es gibt dann keinen Administrator mehr, sondern Administration; dass zwischen Administrator und Administration ein Unterschied besteht, ist dabei (wohl) ohne Bedeutung. Es wird dann nicht mehr den Absender geben, sondern ein „abgesandt durch“. Der Anbieter wird zur „angebotsmachenden Person“, der Arzt / die Ärztin zur Peron im ärztlichen Dienst. Der / die Beschuldigte ist (der, die, das ?) beschuldigte Person, der Kläger / die Klägerin (der, die, das ?) klagende Person.

Wer glaubt, dass sich eine derartige, mit Verlaub den Umstandsmoment im Sinne von Umstand hochtrapierende Sprache durchsetzt ? Ich nicht.

Das Bundesverfassungsgericht musste sich mit der Frage des dritten Geschlechts aufgrund der Verfassungsbeschwerde auseinandersetzen. Ob die Entscheidung in Ihrer Begründung richtig ist, mag hier auch auf sich beruhen. Es muss wohl mit ihr umgegangen werden. Das aber kann nicht dazu führen, dass in Ansehung einer absoluten Minderheit trotz allen Minderheitenschutzes die Sprache neu ausgerichtet wird.

Man denke daran, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau, den bisherigen zwei Geschlechtern (die auch nach den Grundlagen der Entscheidung im Wesentlichen bestimmend sind) bis heute nicht umgesetzt wurde. Das nicht nur im sprachlichen Bereich, der von den herkömmlichen (das Wort kommt übrigens vom Stamm „Herr“, wie „Herrschaft“ und „beherrschen“) Sprachnormen beherrscht ist. Es gibt auch mehr Behinderte als jene 160.000 Drittgeschlechtler, für die diese Entscheidung eine Registrierung im Personenstandsregister entsprechend ihrer Geschlechtlichkeit zulässt, ohne dass bisher tatsächlich der verfassungsrechtliche Schutz der großen Minderheit von Behinderten adäquat umgesetzt worden wäre.


Der Schutz von Minderheiten auch im Sinne der Unterlassung von Diskriminierungen ist sicherlich notwendig und auch verfassungsrechtlich verankert. Unabhängig davon, dass dies (insbesondere im Sinne der Gender-Diskussion) die tragenden Probleme des Staates sind (denen teilweise wenig Augenmerk zur Lösung gewidmet wird), wäre es hier angezeigt, die bekannten Sprachnormen anzuwenden: Ist etwas weder männlich noch weiblich, wird versachlichend ein „das“ oder „es“ verwandt. Oder es wird für diese Personengruppe eine Umschreibung gewählt, ähnlich wie es das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hat: Statt Kläger oder Klägerin wird es dann „die klagende Person“ heißen müssen pp. („die mietende Person“, „die angestellte Person“, die kellnerisch tätige Person“ pp.). Auch gut. Die Sprache muss also nicht neu gefunden werden. Eine allgemeine Genderierung er Sprache ist also nicht notwendig.